US-Iran-Sanktionen wieder vollständig in Kraft
Am heutigen Tag sind weitreichende Sanktionen der USA gegen den Iran wieder in Kraft getreten. Nach dem einseitigen Austritt der Trump-Regierung aus dem Joint Comprehensive Plan of Action („JCPOA“), dem sog. Iran-Atomabkommen, im Mai und der Wiedereinsetzung einer ersten Tranche von Sanktionen Anfang August (vgl. hierzu unsere News vom 11.05.2018 sowie unsere News vom 07.08.2018) entfalten nunmehr sämtliche Sanktionen, die die USA mit dem Inkrafttreten des JCPOA 2016 aufgehoben hatten, wieder Wirkung. Teilweise gehen sie sogar darüber hinaus. Die seit Mai 2018 geltende Übergangsphase (sog. wind-down-period) ist damit beendet. Ab sofort sind geschäftliche Kontakte in den Iran im Anwendungsbereich der US-Sanktionen einem besonderen Sanktionsrisiko ausgesetzt.
Die in Kraft gesetzten Sanktionen sind vor allem sogenannte secondary sanctions, d. h. Sanktionen, die außerhalb des US-Staatsgebiets auf Geschäfte ohne jeglichen US-Bezug extraterritorial Anwendung finden. Das Irangeschäft im unmittelbaren Anwendungsbereich des US-Rechts unterlag und unterliegt ohnehin einem Totalembargo (primary sanctions).
Gegenstand der neuen US-Sanktionen
Die heute in Kraft gesetzten, extraterritorial anwendbaren Sanktionen der USA sind wegen ihrer wirtschaftlichen Bedeutung von besonderer Tragweite. Sie richten sich gegen die nachfolgenden Tätigkeits- und Wirtschaftsbereiche mit Bezug zum Iran:
- erdöl- und erdgasbezogene Transaktionen einschließlich des Erwerbs von Erdöl, Erdölprodukten oder petrochemischen Produkten aus dem Iran;
- iranische Hafenbetreiber, Reedereien sowie die Schifffahrts- und Schiffbauindustrie;
- Transaktionen ausländischer Finanzinstitute mit der Zentralbank des Iran und beinahe sämtlichen iranischen Finanzinstituten, die Bereitstellung spezialisierter Finanzdienstleistungen sowie die Erbringung von versicherungstechnischen Dienstleistungen, Versicherungen oder Rückversicherungen und
- den iranischen Energiesektor.
Aktualisierung der Sanktionsliste
Neben den oben genannten Sanktionen haben die USA auch ihre schwarze Liste, die Liste der „specially designated nationals“ (SDN), aktualisiert. Bei der Listung von Personen oder Unternehmen als SDN handelt es sich um Individualsanktionen. Wirtschaftsteilnehmern sind im Bereich der secondary sanctions in aller Regel Geschäfte von besonderer „Signifikanz“ (significant transactions) mit als SDN gelisteten Personen und Unternehmen untersagt. Die USA haben zum heutigen Tag über 700 natürliche und juristische Personen ihrer SDN-Liste hinzugefügt. Darüber hinaus wurden alle Einrichtungen, die von den USA als Teil der iranischen Regierung sowie als iranische Finanzinstitute angesehen werden und als solche im Rahmen des JCPOA von Sanktionen befreit wurden (sog. 13599-List), auf die SDN-Liste gesetzt. Eine wesentliche Verschärfung der US-Sanktionen gegenüber dem Stand vor Geltung des JCPOA liegt darin, dass die USA nunmehr beinahe sämtliche iranische Banken in den Anwendungsbereich der Sanktionen einbeziehen und damit den – ohnehin schwierigen – Zahlungsverkehr mit iranischen Unternehmen weiter komplizieren.
Rechtsfolgen
Die secondary sanctions untersagen regelmäßig nur Geschäfte von einer besonderen „Signifikanz“ (significant transactions). Deutsche und europäische Unternehmen sollten daher genau prüfen, ob ihr Iran-Geschäft in die oben genannten Tätigkeits- und Wirtschaftsbereiche, die Gegenstand der neuen US-Sanktionen sind, fällt und ob es die Schwelle der Signifikanz überschreitet.
Das Drohpotential der USA ist enorm: Die USA behalten sich neben zivil- und strafrechtlichen Konsequenzen vor, gegen secondary sanctions verstoßende Unternehmen ihrerseits mit Sanktionen zu belegen, d. h. auf die SDN-Liste zu setzen. Die Aufnahme in diese Liste ist geradezu mit wirtschaftlicher Handlungsunfähigkeit gleichzusetzen: Die meisten westlichen Unternehmen führen nämlich einen Abgleich ihrer Geschäftspartner mit dieser Liste durch und stellen jegliches Geschäft mit gelisteten Personen und Unternehmen ein. Auch Unternehmen ohne substantielles Geschäft in den USA sind daher regelmäßig bereit, sich mit den US-Behörden auf ein Bußgeld zu „einigen“, um einer Listung vorzubeugen.
Reaktionen der Europäischen Union
Die Europäische Union hatte nach dem Austritt der USA aus dem JCPOA wirksame Gegenmaßnahmen angekündigt, um das Atomabkommen mit dem Iran zu retten. Nach der bereits erfolgten Aktualisierung der sog. Blocking Regulation stellt die Befolgung der US-Sanktionen für europäische Wirtschaftsteilnehmer in der Regel einen – mit einer Geldbuße bewehrten – Verstoß gegen Unionsrecht dar (vgl. hierzu unsere News vom 24.05.2018 und unsere News vom 07.08.2018). Darüber hinaus soll ein sog. Special Purpose Vehicle helfen, den Zahlungsverkehr mit dem Iran aufrechtzuerhalten. Details hierzu lassen bislang auf sich warten.
Fazit und Ausblick
Die neuen US-Sanktionen stellen Geschäftsbeziehungen mit Iran-Bezug vor noch größere Herausforderungen. Diese zu bewältigen erfordert maßgeschneiderte Lösungen unter besonderer Berücksichtigung des individuellen Risikoprofils jedes einzelnen Unternehmens.
Darüber hinaus scheint das letzte Wort in der genauen Ausgestaltung der Sanktionen noch nicht gesprochen zu sein. So haben die USA auf erheblichen Druck mehrere Staaten von dem Verbot des Imports von iranischem Erdöl und Erdgas vorübergehend ausgenommen, darunter neben China, Indien, Japan, Südkorea, Taiwan und Türkei überraschenderweise auch Italien und Griechenland. Es bleibt abzuwarten, ob sich weitere Ausnahmen abzeichnen, die eine sanktionsfreie Aufrechterhaltung bestimmter Geschäftsbeziehungen ermöglichen.