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Iran-Sanktionen der USA und die Reaktion der EU

07.08.2018

Es hatte sich bereits seit Längerem angekündigt, im Mai 2018 war es dann soweit. Die USA ziehen sich aus dem Joint Comprehensive Plan of Action („JCPOA“), dem sog. Iran-Atomabkommen, zurück (vgl. unsere News vom 11.05.2018). Welche Sanktionen heute wieder in Kraft treten, wie die EU darauf mit ihrer Aktualisierung der Blocking Regulation reagiert (vgl. hierzu auch unsere News vom 24.05.2018) und was Unternehmen nun tun sollten, wird hier eingehend beleuchtet.

I. Erster Teil der US-Iran-Sanktionen tritt heute wieder in Kraft

Am 5. November 2018 werden sämtliche Sanktionen, die die USA mit dem Inkrafttreten des JCPOA 2016 aufgehoben hatten, wieder in Kraft gesetzt sein. Hierbei handelt es sich vor allem um sogenannte secondary sanctions, d. h. um Sanktionen, die extraterritorial auch in Bezug auf Geschäfte, die keinerlei US-Bezug aufweisen, Anwendung finden. Für Irangeschäft, das in den direkten Anwendungsbereich des US-Rechts fiel, bestand und besteht ohnehin ein Totalembargo.

Ein erster Teil jener extraterritorial anwendbaren Sanktionen tritt unterdessen bereits am 7. August wieder in Kraft. Er betrifft die nachfolgenden Tätigkeits- und Wirtschaftsbereiche mit Bezug zum Iran:

  • den Erwerb von US-Dollarnoten durch die iranische Regierung;
  • den Handel mit Gold oder Edelmetallen;
  • den Handel mit Graphit, mit Rohmetallen und Metallhalberzeugnissen insbesondere aus Aluminium und Stahl, mit Kohle und mit Industriesoftware;
  • den Kauf oder Verkauf iranischer Rial sowie die Unterhaltung signifikanter Summen iranischer Rial außerhalb des iranischen Staatsgebiets;
  • den Kauf sowie die Zeichnung oder Förderung der Emission von iranischen Staatsanleihen;
  • den Automobilsektor.

Untersagt sind regelmäßig nur Geschäfte von einer besonderen „Signifikanz“ („significant transactions“). Deutsche und europäische Unternehmen sollten daher genau prüfen, ob ihr Iran-Geschäft in die vorgenannten Bereiche fällt und ob es die Schwelle der Signifikanz überschreitet. Das Drohpotential der USA ist enorm: Die USA behalten sich vor, gegen secondary sanctions verstoßende Unternehmen ihrerseits mit Sanktionen zu belegen, d. h. auf die schwarze Liste, die Liste der „specially designated nationals“ (SDN) aufzunehmen. Die Aufnahme auf diese Liste ist geradezu mit wirtschaftlicher Handlungsunfähigkeit gleichzusetzen: Die meisten westlichen Unternehmen führen nämlich einen Abgleich ihrer Geschäftspartner mit dieser Liste durch und stellen jegliches Geschäft mit gelisteten Personen und Unternehmen ein. Auch Unternehmen ohne substantielles Geschäft in den USA sind daher regelmäßig bereit, sich mit den US-Behörden auf ein Bußgeld zu „einigen“, um einer Listung vorzubeugen.

II. Rechtliche Reaktion der Europäischen Union: die sog. Blocking Regulation

Den einseitigen Rückzug der USA bzw. die sanktionsrechtlichen Folgen lässt die EU unterdessen nicht unbeantwortet. Sie reagiert mit einer Aktualisierung der sog. Blocking Regulation, wonach europäischen Wirtschaftsakteuren eine Einhaltung dieser US-Sanktionen verboten ist.

Der programmatische Titel der Verordnung (EG) Nr. 2271/96 weist inhaltlich bereits den Weg – es geht um den „Schutz vor den Auswirkungen der extraterritorialen Anwendung von einem Drittland erlassener Rechtsakte“. Welchen Rechtsakten der USA bzw. auf diesen Rechtsakten basierenden Maßnahmen im Einzelnen nicht nachgekommen werden darf, ist im Anhang geregelt. Dieser seit 1996 unverändert gebliebene Anhang wurde mit Wirkung zum heutigen Tag durch die Delegierte Verordnung (EU) 2018/1100 geändert. Hintergrund ist explizit die Entscheidung des US-Präsidenten Trump, sich aus dem JCPOA zurückzuziehen. Freilich präsentiert sich der Anhang wenig bestimmt; die Lektüre erfordert bereits viel Fachkenntnis und lässt den unbedarften Leser vermutlich mit mehr Fragen als Antworten zurück. Die erste Tranche der unter I. beschriebenen Sanktionen findet sich dort jedenfalls wieder.

Aufgegeben wurde daneben der Ansatz, die Blocking Regulation auch auf das US-Reexportkontrollrecht zu erstrecken. Über diesen Hebel verbieten die USA die Weitergabe von bestimmten Gütern mit US-Ursprung in den Iran.

Anders als das sog. Boykottverbot des § 7 AWV untersagt Art. 5 der Blocking Regulation nicht nur, eine nach außen gerichtete Erklärung zur Einhaltung von Sanktionen, die in der Sache über die EU-Sanktionen hinausgehen, abzugeben. Vielmehr verbietet die Blocking Regulation in der EU eingetragen Unternehmen, aktiv oder durch bewusste Unterlassung gewissen Rechtsakten der USA bloß nachzukommen (in der englischen Fassung: „comply with“). Unternehmen dürfen die davon betroffenen Rechtsakte im Rahmen ihrer Entscheidungsfindungen also nicht berücksichtigen. Ein fahrlässiger Verstoß kann in Deutschland mit einer Geldbuße bis zu 250.000 € geahndet werden, ein vorsätzlicher Verstoß sogar mit einer Geldbuße bis zu 500.000 €.

III. Was sollen Unternehmen jetzt tun?

Die Wiederinkraftsetzung der US-Iransanktionen und die Aktualisierung der Blocking Regulation stellt EU-Unternehmen vor ein Dilemma: Sie können letztlich nur europäisches oder US-amerikanisches Recht einhalten, nicht aber allen Anforderungen gerecht werden. Man wird sich dem Dilemma also stellen müssen. Im Kontext von § 7 AWV ist es nicht unüblich, dass Unternehmen schlicht eine rein risikobasierte Betrachtung vornehmen. Angesichts der fehlenden Verwaltungspraxis in Bezug auf die Blocking Regulation scheint dies allerdings schon aus tatsächlichen Gründen schwierig.

1. Ausnahmegenehmigung nach der Blocking Regulation

Einen möglichen Ausweg bietet die Blocking Regulation selbst. So sieht sie vor, dass die Kommission eine Ausnahmegenehmigung erteilen darf, wenn die Nicht-Einhaltung der US-Sanktionen schwere Schäden hervorriefe; auf dieser Grundlage dürften die betroffenen US-Sanktionen eingehalten werden. Ein Antrag auf Ausnahmegenehmigung müsste vor diesem Hintergrund v. a. darlegen, warum der Antragsteller im Falle des Einhaltens von US-Sanktionen schwer geschädigt würde. Welche Kriterien die Kommission dabei an den Tagen legt, bestimmt sich in erster Linie nach der Durchführungsverordnung (EU) 2018/1101. Danach sprechen u. a. folgende Kriterien für die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung: ein wegen der Nicht-Einhaltung von US-Sanktionen eingeleitetes behördliches oder gerichtliches Verfahren, die Existenz von Mutter- oder Tochterunternehmen in den USA, ein die Solvenz gefährdender drohender Schaden und die Auswirkungen auf den heimischen EU-Arbeitsmarkt. Näheres dazu sieht die Guidance Note der Kommission „Questions and Answers: adoption of update of the Blocking Statute“ (2018/C 277 I/03) vor.

2. Kein Automatismus in den US-Sanktionen

Sollte eine Ausnahmegenehmigung nicht erteilt werden, gilt es Folgendes zu bedenken: Grundsätzlich könnte auch das US-Recht die Erteilung von Ausnahmegenehmigung vorsehen. Derzeit ist dies jedoch nicht ersichtlich. Ohnehin bedeutete die Einholung einer US-Ausnahmegenehmigung in Bezug auf die oben geschilderten US-Sanktionen die Einhaltung von US-Recht, was nach der Blocking Regulation ja gerade verboten ist. Die bloße Kommunikation mit US-Behörden sieht die EU unterdessen noch nicht als Verstoß an.

Die Blocking Regulation sieht außerdem Schadensersatzansprüche für durch die Einhaltung von US-Sanktionen erlittene Schäden vor. Diese Möglichkeit dürfte indes eher theoretischer Natur sein.

Es ist keinesfalls ausgemacht, dass die US-Sanktionen gegen Iran von langer Dauer sein werden. Präsident Trump betont seine Absicht, mit Teheran über ein neues Abkommen zu verhandeln; die regional destabilisierende Wirkung der Aufkündigung des JCPOA könnte den politischen Druck, ein neues Abkommen auf den Weg zu bringen, alsbald noch erhöhen. Dies spricht dafür, wirtschaftliche Beziehungen zu iranischen Organisationen, Unternehmen etc. nicht abreißen zu lassen.

Bei alledem gilt es auch Folgendes zu berücksichtigen: Die US-Sanktionen zielen darauf ab, das Verhalten von Nicht-US-Unternehmen mit Blick auf die möglicherweise drohenden Folgen auf dem US-Markt zu beeinflussen. Die Sanktionen sind allerdings nicht „self-executing“: Verstößt ein Unternehmen gegen secondary sanctions der USA, müssen die US-Behörden erst noch entscheiden, ob sie Maßnahmen dagegen ergreifen und wenn ja, welche. Im Kontext des US-Sanktionsregimes gegen Iran vor Inkrafttreten des JCPOA haben die USA Sanktionsmaßnahmen wegen Verletzung von secondary sanctions zurückhaltend angewandt und niemals gegen ein größeres EU-Unternehmen verhängt. Auch wenn ein anderes Verhalten der Trump-Administration keinesfalls ausgeschlossen werden kann, steht zu erwarten, dass die US-Behörden bei Sanktionsverstößen durch europäische Unternehmen und Finanzinstitute die Einhaltung der Sanktionen – entweder direkt oder indirekt über Regierungen der EU-Mitgliedstaaten – anmahnen würden.