Trump kündigt Atomabkommen: Zerreißprobe u.a. für Finanzinstitute und den Automobilsektor
Mit seiner Entscheidung vom 8. Mai 2018, das Atomabkommen zwischen dem Iran, den fünf UN-Vetomächten USA, Russland, China, Frankreich und Großbritannien sowie Deutschland (Joint Comprehensive Plan of Action („JCPOA“)) einseitig aufzukündigen, hat US-Präsident Donald Trump einmal mehr die politische und wirtschaftliche Welt in Aufruhr versetzt. Nach Trumps Ankündigung werden die vor dem Inkrafttreten des Atomabkommens Anfang Januar 2016 bestehenden US-Sanktionen nach Ablauf einer Übergangsfrist erneut in Kraft gesetzt. Darüber hinaus hat der US-Präsident neue weitergehende Sanktionen gegen den Iran angekündigt.
Für deutsche und europäische Unternehmen mit Geschäftsbeziehungen in den Iran stellt sich nun die dringende Frage, wie sich die Wiedereinsetzung der US-Sanktionen auf ihr Geschäft auswirkt und welche Maßnahmen sie bis wann zu ergreifen haben.
Situation schwieriger als vor Aufhebung der Sanktionen im Zuge des Atomabkommens
Das einseitige Aufkündigen des JCPOA führt zu einer schwierigeren Situation für deutsche und europäische Unternehmen im Vergleich zu derjenigen bis Anfang Januar 2016. Das hat mehrere Gründe:
- Durch die einseitige Aufkündigung werden die Sanktionsregime der westlichen Welt in erheblichem Maße divergieren – sehr viel stärker noch als bis Januar 2016. Z.B. werden Geschäfte mit bestimmten iranischen Banken oder Ölgesellschaften nun einseitig durch die USA verboten sein, während sie vor dem Inkrafttreten des JCPOA auch seitens der EU verboten waren. Die Divergenz ist so problematisch, weil sich europäische Unternehmen in ihren mittlerweile bestehenden Vertragsbeziehungen nicht auf force majeure oder rechtliche Unmöglichkeit berufen können und ihren iranischen Vertragspartnern gegenüber i.d.R. schadensersatzpflichtig sein werden.
- Trump hat darauf verwiesen, dass die Sanktionen – wie auch zuvor – in besonderem Maße extraterritorial wirken werden (sog. „secondary sanctions“). Die Sanktionen werden auch auf Geschäfte anwendbar sein, die keinerlei Nexus zu den USA haben.
- Die Verbote im US-Sanktionsrecht sind auch in sachlicher Hinsicht extrem weit gefasst. Verboten ist etwa, bestimmte Transaktionen auch Dritter Parteien zu erleichtern („facilitate“). Damit können europäische Finanzinstitute von den US-Behörden z.B. für Tätigkeiten ihrer Geschäftspartner bestraft werden – ohne überhaupt über rechtliche Möglichkeiten zu verfügen, dies zu unterbinden.
- In Deutschland verbietet noch dazu ein sog. Blocking Law, überhaupt nur zu erklären, dass man das unilaterale und extraterritorial anwendbare US-Recht einhalten werde – oder eine solche Zusicherung von seinen Geschäftspartnern einzufordern.
Nunmehr wieder sanktionierte geschäftliche Verbindungen in den Iran
Die wieder in Kraft tretenden US-Sanktionen betreffen insbesondere Finanz-, Kapitalmarkt- und Versicherungsgeschäfte mit dem Iran, iranischen Banken und anderen von den USA gelisteten Personen und Organisationen; den Handel mit Edelmetallen, Metallerzeugnissen und industrieller Software; die iranische Anlagenbau-, Schifffahrts-, Automobil- und Luftfahrtindustrie sowie die iranische Erdöl- und Erdgasindustrie.
Von der Aufkündigung des Abkommens werden insgesamt insbesondere der Finanz-, der Energie- und der Automobilsektor betroffen sein. Die besonderen Härten für die Finanzinstitute werden letztlich wieder auf sämtliche anderen Sektoren durchschlagen: Auch ohne Meldepflichten in Europa wird der Zahlungsverkehr im Iran noch weiter erschwert werden als dies derzeit der Fall ist.
Ein Teil der US-Sanktionen wird nach Ablauf eines Übergangszeitraums von 90 Tagen wieder in Kraft gesetzt, ein weiterer Teil nach Ablauf von 180 Tagen. Spätestens bis zum 04.11.2018 sollen alle Sanktionen, die im Zuge des Atomabkommens aufgehoben worden waren, wieder eingeführt sein und volle Geltung beanspruchen.
Was ist zu tun?
Damit Unternehmen – insbesondere diejenigen, die erst infolge des Inkrafttretens des Atomabkommens Geschäftsbeziehungen mit dem Iran aufgebaut haben – sich darauf vorbereiten können, sollten sie ihre Geschäftsbeziehungen zunächst darauf überprüfen, ob sie in einen der sanktionierten Bereiche fallen. Unternehmen sollten sich dabei bewusst sein, dass eine Vielzahl der wieder in Kraft tretenden US-Sanktionen sie auch dann treffen können, selbst wenn der konkrete geschäftliche Kontakt in den Iran keinerlei US-Bezug aufweist (sog. „secondary sanctions“). Anschließend sollte die Unternehmen sich vergegenwärtigen, welcher Übergangszeitraum für die Sanktionen, die sie zu treffen drohen, gilt, um den Zeithorizont für erforderliche Gegenmaßnahmen zu definieren.
Schließlich wird im Einzelnen zu prüfen sein, welche konkreten Folgen eine Nichtbeachtung der US-Sanktionen für die Unternehmen und Finanzinstitute im Einzelnen hätte; dabei spielt insbesondere eine große Rolle, ob das betroffene Unternehmen US-Geschäft hat oder in den USA Niederlassungen bzw. Tochtergesellschaften betreibt. Schließlich wird auch zu prüfen sein, welche Maßnahmen die verbleibenden Parteien des Atomabkommens ergreifen, um die Folgen der US-Sanktionen auf die Aufrechterhaltung der Geschäftsbeziehungen in den Iran abzufedern. Vor diesem Hintergrund wird mit Blick auf den jeweiligen Einzelfall zu entscheiden sein, ob, auf welche Weise und mit welchem Maßnahmen sich die Geschäftsbeziehungen in den Iran aufrechterhalten lassen.
Fazit
Die Aufkündigung des Atomabkommens durch Trump und die Wiederinkraftsetzung der US-Iransanktionen stellen europäische Finanzinstitute und Unternehmen vor eine Zerreißprobe: Sie können letztlich nur europäisches oder US-Recht einhalten, nicht aber allen Anforderungen gerecht werden. Das erfordert maßgeschneiderte, d.h. auf die Situation und das individuelle Risikoprofil jedes einzelnen Unternehmens zugeschnittene Beratungslösungen.