Der Koalitionsvertrag steht: Was sich für Fremdpersonaleinsatz und Selbstständige ändern soll
Bundestagswahl Insights
Am 9. April 2025 haben sich SPD und CDU/CSU auf einen Koalitionsvertrag (siehe hier) verständigt. Auch wenn viele Formulierungen vage bleiben, enthält der Vertrag doch einige für Unternehmen, Selbstständige und Personalverantwortliche relevante arbeits- und sozialversicherungsrechtliche Reformvorhaben. Im Zentrum stehen dabei Reformen rund um den Einsatz von Fremdpersonal im In- und Ausland sowie die sozialversicherungsrechtliche Einordnung und Absicherung von Selbstständigen.
1. Neuausrichtung des Statusfeststellungsverfahrens
Kernstück der Reformen ist die angekündigte Überarbeitung des Statusfeststellungsverfahrens nach § 7a SGB IV. Dieses Verfahren soll schneller, transparenter und rechtssicherer werden – ein dringliches Vorhaben, seit das BSG mit Urteil vom 28. Juni 2022 (Az. B 12 R 3/20 R, sog. „Herrenberg-Urteil“) die Anforderungen an eine selbstständige Tätigkeit nochmals verschärft hatte. (Rn. 467 ff. des Koalitionsvertrags).
Geplant ist unter anderem die Einführung einer Genehmigungsfiktion, die automatisch nach Fristablauf greift, wenn die Deutsche Rentenversicherung nicht rechtzeitig entscheidet. Diese Neuerung soll im Zuge der geplanten Altersvorsorgereform für Selbstständige umgesetzt werden (Rn. 471 ff. des Koalitionsvertrags).
2. Altersvorsorgepflicht für Selbstständige
Alle „neuen Selbstständigen“, die bislang keinem obligatorischen Alterssicherungssystem unterliegen, sollen künftig „gründerfreundlich“ in die gesetzliche Rentenversicherung einbezogen werden. Ziel ist es, das Risiko von Altersarmut bei Solo-Selbstständigen zu reduzieren. Bestehende Vorsorgeformen sollen jedoch erhalten bleiben. Entscheidend wird sein, wie „gründerfreundlich“ die Ausgestaltung konkret erfolgt (Rn. 632 ff. des Koalitionsvertrags). Parallel dazu ist eine Stabilisierung des Abgabesatzes der Künstlersozialversicherung vorgesehen. Das Verfahren zur Künstlersozialabgabe soll vereinfacht und die Abgabepflicht auf die digitale Verwertung von künstlerischen Werken ausgeweitet werden. Für viele Selbstständige bedeutet das womöglich eine neue finanzielle Belastung (Rn. 638 ff. des Koalitionsvertrags).
3. Mehr Rechtssicherheit und Digitalisierung bei Entsendungen
Auch auf europäischer Ebene sollen neue Standards gesetzt werden: Ein elektronischer Sozialversicherungsausweis mit digitaler EU-Identität (EUDI-Wallet) soll die grenzüberschreitende Tätigkeit erleichtern. Entsendemeldungen und Nachweisdokumente – etwa A1-Bescheinigungen – sollen künftig digital und rechtssicher mitgeführt werden können. (Rn. 493 ff. des Koalitionsvertrags)
4. Aussichten für die Praxis
Auch wenn viele Maßnahmen unter Finanzierungsvorbehalt stehen oder im Detail wenig konkret ausfallen, setzt der Koalitionsvertrag ein wichtiges Signal in Richtung mehr Rechtssicherheit für selbstständige Fachkräfte und Unternehmen. Die Reform des Statusfeststellungsverfahrens und die geplante Altersvorsorgepflicht für Selbstständige könnten einen längst überfälligen Ordnungsrahmen schaffen, der insbesondere nach dem Herrenberg-Urteil notwendig geworden ist. Entscheidend bleibt aber die konkrete Umsetzung – sowohl im Sinne der Rechtssicherheit als auch der Praxistauglichkeit für Selbstständige und ihre Auftraggeber. Wir halten Sie über Gesetzesvorhaben auf dem Laufenden!
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Dieser Artikel erscheint im Rahmen unserer Bundestagswahl Insights. Alle Bundestagswahl Insights und mehr Informationen zur Bundestagswahl und deren Auswirkungen auf Industrie und Wirtschaft finden Sie auf unserem Election Hub (hier).
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