US-Iran-Sanktionen und Gegenmaßnahmen der EU: Neuauflage der EU-Blocking-Regulation bringt Unternehmen in Lose-Lose-Situation
Als Antwort auf die am 08.05.2018 verkündete Aufkündigung des Joint Comprehensive Plan of Action („JCPOA“) durch US Präsident Trump (vgl. unsere News vom 11.05.2018) kündigte der EU-Ratspräsident und sodann die Europäische Kommission an, die so genannte Blocking Regulation (Verordnung (EG) Nr. 2271/96) zu reaktivieren.
Was genau regelt die Blocking Regulation?
Bei der Blocking Regulation handelt es sich um eine Verordnung aus dem Jahr 1996, gerichtet gegen die extra-territorialen Effekte der damaligen US-Kuba-Sanktionen. Sie verbietet es, näher in einem Anhang aufgeführten US-Gesetzen nachzukommen. Dieser Anhang wurde seit 1996 nicht aktualisiert und enthält nur die damaligen Kuba- bzw. Iran- und Libyen-Sanktionen. Nach Vorstellungen der EU-Kommission sollen die nun wieder in Kraft tretenden extra territorial anwendbaren Iran-Sanktionen („secondary sanctions“) in den Anhang aufgenommen werden. Dann wäre es verboten, diesen US-Vorschriften „nachzukommen“, sich also compliant zu verhalten. In Deutschland ist die EU-Blocking-Regulation bußgeldbewehrt, mit EUR 500.000 pro Verstoß.
Was bedeutet das für europäische Unternehmen?
Diese Verordnung brächte die Unternehmen in eine Lose-Lose-Situation. Verstoßen sie einerseits gegen die US-Vorschriften, drohen ihnen dort erhebliche Strafen. Die USA sind bei der Durchsetzung ihrer extra-territorialen Vorschriften bekanntermaßen nicht zimperlich. Im schlimmsten Falle droht dem hiergegen verstoßenden Unternehmen, selbst in eine Sanktionsliste aufgenommen zu werden, was faktisch das Ende aller Geschäfte bedeuten würde. Deshalb „einigen“ sich die Unternehmen daher in der Regel auf eine Strafzahlung, die z.B. doppelt so hoch ausfallen kann, wie der durch den Verstoß erlangte Umsatz. Bisher wurden noch keine solchen Strafen gegen deutsche Unternehmen verhängt, sondern lediglich gegen solche aus dem asiatischen Raum oder dem russischen Einflusskreis. Allerdings sollen die klaren Worte des twitternden US-Botschafters in Deutschland und die Aussagen von Außenminister Pompeo wohl suggerieren, dass die derzeitige US-Regierung keine Hemmungen mehr davor hat, auch Unternehmen aus verbündeten europäischen Ländern zu bestrafen. Andererseits droht bei Umsetzung der US-Sanktionen in Europa eine Geldbuße. Mit anderen Worten: Die Unternehmen würden durch die Neuauflage der Blocking-Regulation in eine völlig aussichtlose Lage gebracht.
Was folgt für Compliance Management Systeme?
Dabei ist die Wirkung der Blocking-Regulation sogar kontraproduktiv: Die Unternehmen werden es sich insbesondere nicht mehr leisten können, differenzierte Compliance-Regelungen zu schaffen oder zu behalten und etwa nur denjenigen Teil der US-Sanktionen umzusetzen, der auch extra-territorial anwendbar ist. Das sind in der Regel allerdings nur näher definierte „signifikante Transaktionen“, etwa mit gelisteten Personen, im Automobilsektor, in iranischen Rial, etc. Unterhalb dieser Signifikanz-Schwelle dürfen EU-Unternehmen Geschäfte ohne US-Konnex (derzeit) noch vornehmen. Die für ein solches Vorgehen erforderlichen ausdifferenzierten Compliance Management Systeme stünden explizit im Widerspruch zu der Blocking-Regulation. Anders etwa wäre eine Unternehmenspolitik zu bewerten, bei der sich ein Unternehmen beispielsweise aus dem gesamten Nahen oder Mittleren Osten zurückzieht.
Ist es überhaupt noch möglich, Iran-Geschäft zu betreiben, ohne gegen US-Recht zu verstoßen?
Ob es überhaupt möglich ist, Iran-Geschäft zu betreiben, ohne gegen US-Recht zu verstoßen, wird derzeit heiß debattiert. Die Definition von „signifikant“ ist derart fließend, dass US-Anwälte hier in den seltensten Fällen grünes Licht geben. Außen vor gelassen wird bei dieser Debatte häufig der Aspekt, dass nicht nur das US-Sanktionsrecht sondern auch das US-Re-Exportkontrollrecht zu beachten ist. Letzteres verlangt, dass keine Güter mit US-Ursprung sowie keine Güter, die auf der Basis von US-Patenten oder US Technologie hergestellt wurden, in Länder exportiert werden, die mit einem Totalembargo seitens der USA belegt sind, darunter unter anderem auch Iran. Insbesondere in der IT-Branche verfügen die USA über vielerlei Patente und Technologien, unter deren Verzicht ein Tätigwerden im Iran oft nicht möglich ist.
Und jetzt?
Angesichts der komplexen und sich widersprechenden Rechtslage ist eine Risikoanalyse im Einzelfall notwendig. Folgende Faktoren müssen dabei berücksichtigt werden:
- Exposition in den USA;
- Abhängigkeit von Zulieferungen aus den USA;
- bisherige Compliance-Maßnahmen;
- Geschäftsfeld – sowohl sektoral als auch geographisch;
- Projektvolumina;
- Umgang mit Risiko, etc.
Im Ergebnis bleibt eine politische Mindestforderung: Wenn die Europäische Union Unternehmen zwingen möchte, bestehendes Iran-Geschäft fortzusetzen bzw. neues aufzunehmen, sollte sie zumindest bereit sein, einen Teil des Risikos zu übernehmen, der mit den hohen Strafanforderungen in den USA verbunden ist. Angesichts der vielen zu erwartenden Stimmen gegen die Neuauflage ist allerdings noch nicht klar, ob Kommission, Parlament und Rat die Verordnungsänderung tatsächlich beschließen werden.
Dieses Thema wird auch Gegenstand des ICC Seminars zu US-Sanctions sein.