News

Verbraucherschutz und E-Commerce

Wichtige Gesetzesänderungen und Urteile im Verbraucherschutzrecht

12.02.2025

Die regulatorischen Anforderungen an digitale Geschäftsmodelle nehmen weiter zu. Insbesondere im Verbraucherschutzrecht gab es auch im Jahr 2024 wieder grundlegende Neuerungen. Neben der Umsetzung aktueller Digitalrechtsakte schaffen neue EU-Initiativen und Gerichtsentscheidungen zusätzliche Herausforderungen für Unternehmen im E-Commerce. Das Noerr Update Commercial 2025 bietet Ihnen eine Übersicht über die wichtigsten aktuellen Verbraucherschutzthemen, wie etwa Barrierefreiheit, Produktsicherheit und Widerrufsbutton.

Umsetzung des Widerrufsbuttons

Eine zentrale Neuerung im digitalen Verbraucherschutz ist der sogenannte Widerrufsbutton. Nach der im Dezember 2023 in Kraft getretenen Richtlinie (EU) 2023/2673 müssen die EU-Mitgliedsstaaten bis zum 19.12.2025 die erforderlichen Umsetzungsvorschriften erlassen, die Unternehmen zur Einführung einer hervorgehobenen „Widerrufsfunktion“ für Verbraucher verpflichten.

Die praktische Umsetzung wirft allerdings noch zahlreiche Fragen auf: Eine Individualisierung des Buttons entsprechend der jeweiligen Widerrufsfrist ist technisch kaum realisierbar. Eine dauerhafte Anzeige könnte hingegen zu einer deutlichen Zunahme unberechtigter Widerrufserklärungen führen. Die Regelungen der Richtlinie bleiben in den Details unklar oder nur schwer umsetzbar (ausführlich dazu Billing/Vetter, K&R 2024, 387). Ob der Widerrufsbutton für Verbraucher tatsächlich den erhofften Mehrwert bringt, bleibt abzuwarten – für Unternehmen bedeutet er jedenfalls erheblichen Mehraufwand. Es empfiehlt sich, die technische Implementierung frühzeitig zu planen und den Umsetzungsprozess in Deutschland genau zu verfolgen.

Sorgfaltspflichten für digitale Dienste

Seit dem 17.02.2024 gilt der Digital Services Act (DSA) vollumfänglich für alle Intermediäre, also Internetzugangsdienste und Hosting-Provider wie Plattformen und Online-Marktplätze sowie Suchmaschinen. Der DSA hat umfassende Sorgfaltspflichten eingeführt, darunter Maßnahmen gegen illegale Inhalte und Transparenzanforderungen für Algorithmen. Er sieht u. a. eine Haftung von Plattformen vor, wenn ein durchschnittlicher Verbraucher davon ausgehen kann, dass die Plattform der Vertragspartner ist oder das betreffende Unternehmen beaufsichtigt.

Besonders große Plattformen unterliegen strengen Compliance-Anforderungen, bei deren Nichteinhaltung Bußgelder von bis zu 6 % des weltweiten Jahresumsatzes drohen. Die Bundesnetzagentur überwacht als zuständige Behörde die Umsetzung in Deutschland. Erste Erfahrungen aus der Praxis zeigen bereits die Herausforderungen bei der Durchsetzung und Anpassung bestehender Compliance-Strukturen.

Am 14.05.2024 trat zudem das Digitale-Dienste-Gesetz (DDG) in Kraft, das nun u. a. die allgemeine Impressumspflicht regelt und damit das Telemediengesetz (TMG) ersetzt.

Neue Anforderungen im Produktsicherheitsrecht

Seit dem 08.12.2024 gilt die neue Produktsicherheitsverordnung (EU) 2023/988 (General Product Safety Regulation – GPSR) in allen EU-Mitgliedsstaaten. Die GPSR soll die Anforderungen an die Produktsicherheit modernisieren und den Verbraucherschutz insbesondere im Onlinehandel stärken.

Hersteller, Importeure und Händler müssen nun umfassendere Sicherheits- und Informationspflichten erfüllen. Besonders relevant sind die erweiterten Kennzeichnungspflichten: Produkte müssen mit Angaben zum Hersteller (Name, Anschrift, E-Mail-Adresse) versehen sein. Behörden erhalten zudem weiterreichende Befugnisse zur Durchführung stichprobenartiger Kontrollen. Unternehmen sollten ihre GPSR Compliance frühzeitig sicherstellen, da im Jahr 2025 mit verstärktem behördlichem Kontrolldruck zu rechnen ist.

Stärkung der Barrierefreiheit

Ab dem 28.06.2025 gilt außerdem das neue Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG). Es verpflichtet Unternehmen, ihre digitalen Angebote barrierefrei zu gestalten – etwa durch benutzerfreundliche Oberflächen, Bildschirmkompatibilität sowie angepasste Farbkontraste und Textgrößen. Der Anwendungsbereich ist sehr weit und umfasst in der Regel auch Anbieter von Onlineshops und Plattformen.

Unternehmen, die diese Vorgaben nicht einhalten, riskieren Bußgelder sowie behördliche Rückruf- oder Einstellungsanordnungen. Darüber hinaus drohen wettbewerbsrechtliche Konsequenzen, wenn Mitbewerber auf Verstöße aufmerksam werden. Verbraucher erhalten zudem besondere Klagemöglichkeiten. Eine frühzeitige technische und organisatorische Vorbereitung ist daher essenziell.

Einführung eines Rechts auf Reparatur

Ein weiteres europäisches Regelungsvorhaben betrifft die Reparatur von Waren. Die am 10.07.2024 veröffentlichte Richtlinie (EU) 2024/1799 sieht für bestimmte Produkte insbesondere ein „Recht auf Reparatur“ während der gesamten Lebensdauer vor. Hersteller dieser Produkte (z. B. Haushaltsgeräte oder Smartphones) müssen Verbrauchern Reparaturdienste unentgeltlich oder zu einem angemessenen Preis anbieten. Außerdem schafft die Richtlinie rechtliche Anreize zur Reparatur (Nachbesserung statt Nachlieferung bei der Wahl der Nacherfüllung).

Die Umsetzung in Deutschland muss bis spätestens 31.07.2026 erfolgen – einschließlich Sanktionen bei Verstößen gegen diese Vorgaben.

Kündigungsbutton

Der seit Juli 2022 gemäß § 312k BGB erforderliche Kündigungsbutton (Kündigungsschaltfläche) hat die Rechtsprechung auch 2024 beschäftigt. Fraglich war z. B., ob die gesetzlich erforderliche Kündigungsschaltfläche auch auf Dritt-Webseiten erscheinen muss, über die der Anbieter sein Angebot vertreibt und der Bestellprozess eingeleitet wird. Die Oberlandesgerichte Celle (Beschluss vom 11.06.2024 – 13 U 7/24) und Hamburg (Urt. v. 26.09.2024 – 5 UKl 1/23) bejahten das. Auch die Frage, ob der Kündigungsbutton erst nach einem Login in ein angelegtes Kundenkonto zugänglich zu sein braucht, war auf dem Prüfstand, wobei das Oberlandesgericht Nürnberg die Frage verneinte (Urt. v. 30.07.2024 – 3 U 2214/23). Mit der Frage, wie die nach der „Kündigungsschaltfläche“ erscheinende und ebenfalls vorgeschriebene „Bestätigungsschaltfläche“ im Einzelnen auszugestalten ist, hatte sich das Oberlandesgericht Düsseldorf zu beschäftigen (Urt. v. 23.05.2024 – 20 UKl 3/23).

Preisanpassungsklauseln

Die AGB-rechtlichen Anforderungen an Preisanpassungsklauseln in Verbraucherverträgen sind auch außerhalb von Energielieferungsverträgen immer wieder Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen. Zwei Urteile des Kammergerichts vom 15.11.2023 (23 U 112/22 und 23 U 15/22) zu Streamingdiensten könnten die Anforderungen weiter verschärfen. Hiernach soll es an einem berechtigten Interesse für eine Preisanpassungsklausel fehlen, wenn das Vertragsverhältnis ohnehin mit kurzer Kündigungsfrist ausgestaltet und es der AGB-Verwenderin ohne nennenswerten Aufwand technisch möglich ist, den Kunden bei jeder Nutzung des Dienstes um Zustimmung zu dem geänderten Preis zu ersuchen.

Divergierende Rechtsprechung zu Verjährungsfristen im Zusammenhang mit unwirksamen AGB

Zum Thema der Verjährung gab es im Jahr 2024 zwei grundlegende Urteile: Der Europäische Gerichtshof entschied am 25.01.2024, dass Erstattungsansprüche von Verbrauchern nicht allein wegen Kenntnis der anspruchsbegründenden Tatsachen verjähren, sondern die Verjährungsfristen erst mit Kenntnis der rechtlichen Bewertung beginnen dürfen. Demgegenüber entschied der Bundesgerichtshof in seinem Urteil zum Prämiensparen vom 09.07.2024, dass der Lauf der Verjährungsfristen auch unter Berücksichtigung des EU-Rechts nicht von der Rechtskenntnis der Unwirksamkeit einer Klausel abhängt, sondern bereits mit Tatsachenkenntnis beginnt.

Diese Divergenz sorgt für Unsicherheit in der Praxis und könnte neue Gesetzgebungsinitiativen oder weitere höchstrichterliche Entscheidungen nach sich ziehen.

Ausblick

Die Regulierung des digitalen Geschäftsverkehrs wird weiter verschärft. Insbesondere die neuen Vorgaben des DSA und der GPSR erfordern teils grundlegende Anpassungen. Gleichzeitig sollten sich Unternehmen frühzeitig auf kommende Änderungen wie den Widerrufsbutton oder das BFSG vorbereiten, um die neuartigen Compliance-Anforderungen rechtzeitig erfüllen und Sanktionen vermeiden zu können.

Eine proaktive Planung sowie kontinuierliche Beobachtung der rechtlichen Entwicklungen sind essenziell, um den regulatorischen Anforderungen gerecht zu werden und nachhaltige Wettbewerbsvorteile zu sichern.

Dieser Artikel ist Teil des "Update Commercial 2025". Alle Beiträge und den gesamten Report als PDF finden Sie hier.