Gesetz zur Einführung von elektronischen Wertpapieren beschlossen
Der Deutsche Bundestag hat am 06.05.2021 das Gesetz zur Einführung von elektronischen Wertpapieren (kurz: eWpG) beschlossen und damit den Weg für digitale Wertpapiere frei gemacht. Inhaberschuldverschreibungen, Pfandbriefe und Anteile an Sondervermögen (Anteilsscheine) können nach dem eWpG als Alternative zur herkömmlichen Verbriefung in einer Urkunde künftig auch rein elektronisch ausgegeben werden. Perspektivisch behält sich der Gesetzgeber vor, elektronische Wertpapiere auch für weitere Wertpapiere zu ermöglichen, insbesondere für elektronische Aktien. Das eWpG unterscheidet zwei Arten elektronischer Wertpapiere: Zentralregisterwertpapiere und Kryptowertpapiere.
Zentralregisterwertpapiere
Bei den sogenannten Zentralregisterwertpapieren wird die bisher in der Praxis gebräuchliche körperliche Globalurkunde durch einen Eintrag in einer Datenbank ersetzt (sogenanntes zentrales Register). Für die Wertpapierhandelspraxis, die ohnehin nur elektronische Buchungen auf Depotkonten kennt, ändert sich dadurch nichts, insbesondere weil für die Übertragung elektronischer Wertpapiere im Grundsatz auch weiterhin die sachenrechtlichen Vorschriften des BGB gelten sollen. Doch auch bei der Emission von Wertpapieren und der erstmaligen Verbriefung in einer Globalurkunde ändert sich durch die Einführung der elektronischen Globalurkunde praktisch nur wenig, da die Clearstream Banking AG als einzige deutsche Wertpapiersammelbank mit der elektronischen Plattform „eMission“ bereits die Möglichkeit zur rein elektronischen Kommunikation bei der Verbriefung geschaffen hatte. Neu ist jedoch, dass auch elektronische Wertpapiere kraft gesetzlicher Fiktion wie Sachen behandelt werden. Dies schafft insbesondere Rechtssicherheit und Rechtskontinuität für den börslichen Wertpapierhandel.
Zentrale Register können von Kreditinstituten oder einer Wertpapiersammelbank geführt werden. Praktisch bedeutsam wird voraussichtlich das zentrale Register der Clearstream Banking AG werden. Nur die dortige Eintragung eines elektronischen Wertpapiers ermöglicht den börslichen Handel anstelle einer ansonsten durch diese zu verwahrenden körperlichen Globalurkunde.
Kryptowertpapiere
Das eWpG ermöglicht auch die Ausgabe von Inhaberschuldverschreibungen als sogenannte Kryptowertpapiere, die in sogenannten Kryptowertpapierregistern eingetragen werden sollen. Der Gesetzgeber legt sich nicht auf eine bestimmte (Krypto-) Technologie fest, um Marktinnovationen zu ermöglichen. Hintergrund der Regelungen sind aber bereits bestehende Ansätze der Fintech-Branche, Wertpapiere mittels einer Blockchain- oder Distributed Ledger-Technologie auszugeben. Deren Kerngedanke ist die Schaffung von fälschungssicheren und dezentral geführten Datenbanken, die als Transaktionsverzeichnisse dienen und damit auch Wertpapiergeschäfte aufzeichnen können sollen. Die Technik verspricht, praktisch ohne Intermediäre auskommen zu können, also z.B. ohne Wertpapiersammelbanken als Zentralverwahrer oder Depotbanken.
Das eWpG setzt dieser technischen Entwicklung nun einen rechtlichen Rahmen. Zu den technischen Ambitionen einer dezentralen Registerführung steht allerdings in Widerspruch, dass der Gesetzgeber aus Gründen der Rechtssicherheit dem Emittenten oder einem von diesem zu bestimmenden Dienstleister die rechtliche Verantwortung für die Registerführung zuweist. Der Registerführer muss beispielsweise sicherstellen können, dass das Kryptowertpapierregister auch ohne Mitwirkung des eingetragenen Wertpapierinhabers an eine vom Registerinhalt abweichende Rechtslage angepasst werden kann. Damit durchbricht der Gesetzgeber die dezentrale Konzeption der Datenbanktechnologie, weil er praktisch den Eingriff eines Registerführers (als zentraler Partei) zu Korrekturzwecken fordert. Es bleibt abzuwarten, wie die Praxis dieses Spannungsfeld zwischen konzeptionell dezentraler Registerführung und der rechtlichen Verantwortung für den Registerinhalt in Einklang bringt.
Praktisch relevant werden Kryptowertpapiere zunächst allenfalls für nicht börslich gehandelte Wertpapiere, da in Deutschland derzeit kein funktionierender und regulierter Sekundärmarkt für Blockchain-Wertpapiere existiert. Ein börslicher Handel von Kryptowertpapieren ist zudem mangels Anbindung an eine Wertpapiersammelbank derzeit nicht vorgesehen und aufgrund entgegenstehender europarechtlicher Vorgaben auch künftig nicht ohne weiteres absehbar.
Die zunächst im Gesetzentwurf vorgesehene Beschränkung von Kryptowertpapieren auf Inhaberschuldverschreibungen hat der Finanzausschuss kurz vor Verabschiedung des eWpG gelockert. Durch Rechtsverordnung soll ermöglicht werden, dass auch die Anteilsscheine an Sondervermögen künftig als Kryptowertpapiere ausgegeben werden können.