Konsultation zu neuen Leitlinien der Europäischen Kommission zur EU Foreign Subsidies Regulation: Was erwartet uns?
Am Mittwoch, den 5. März 2025, veröffentlichte die Europäische Kommission („Kommission“) eine Aufforderung zur Stellungnahme (sogenannter Call for Evidence) im Hinblick auf den geplanten Entwurf von Leitlinien zur EU-Verordnung über drittstaatliche Subventionen (Foreign Subsidies Regulation, „FSR“). Die Veröffentlichung dieser Leitlinien bis Januar 2026 ist in der FSR vorgeschrieben (Art. 46 Abs. 1 FSR). Die Leitlinien ergänzen dabei das am 26. Juli 2024 veröffentlichte Arbeitsdokument der Kommission (sogenanntes Commission Staff Working Document; siehe hierzu unseren Artikel vom 31. Juli 2024) haben jedoch verbindlicheren Charakter.
Dieser Artikel gibt einen kurzen Überblick über den aktuellen Stand der Anwendung der FSR durch die Kommission und über den Inhalt der geplanten Leitlinien.
Die Anwendung der FSR durch die Kommission
Die FSR, welche im Oktober 2023 vollumfänglich in Kraft getreten ist, ermöglicht die Kontrolle von Subventionen aus Nicht-EU-Staaten, welche zu einer Verzerrung des Wettbewerbs im EU-Binnenmarkt führen können. Dadurch sollen gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle Unternehmen im EU-Binnenmarkt gewährleistet werden.
Obwohl bis Mitte Januar 2025 über 150 M&A-Transaktionen formell bei der Kommission angemeldet wurden, hatte die Kommission bislang nur in einem Fall über die Vereinbarkeit einer drittstaatlichen Subvention mit dem EU-Binnenmarkt zu entscheiden (dieser betraf den Erwerb des niederländischen Telekommunikationsunternehmens PPF Telecom Group B.V. durch die Emirates Telecommunications Group; siehe hierzu unseren Artikel vom 19. Februar 2024). Somit gibt es bisher sehr wenig Fallpraxis, welche Aufschluss über die konkrete Anwendung der materiellen Prüfung durch die Kommission geben könnte. Die geplanten Leitlinien zur FSR sollen nun zu bestimmten materiellen Fragen Klarheit schaffen.
Inhalt der neuen Leitlinien
Die Kommission wird in den neuen Leitlinien insbesondere weitergehende Hinweise geben bezüglich
- der Kriterien zur Feststellung einer Wettbewerbsverzerrung auf dem EU-Binnenmarkt (sowohl allgemein als auch speziell mit Blick auf Wettbewerbsverzerrungen in öffentlichen Vergabeverfahren),
- der Abwägungsprüfung (das heißt, ob mögliche positive Auswirkungen einer Subvention die festgestellte Wettbewerbsverzerrung aufwiegen können) und
- der Anwendung ihrer ex-officio Befugnis, mit der sie die Anmeldung eines nicht anmeldepflichtigen Zusammenschlusses beziehungsweise die Meldung einer nicht meldepflichtigen drittstaatlichen finanziellen Zuwendung im Rahmen eines öffentlichen Vergabeverfahrens verlangen kann (sogenannte call-in power).
Mit Blick auf die Prüfung einer Wettbewerbsverzerrung steht unter anderem im Raum, ob die Leitlinien sogenannte safe harbours enthalten sollen, das heißt bestimmte Schwellenwerte, bei deren Unterschreitung eine Wettbewerbsverzerrung ausgeschlossen sein soll. Darüber hinaus steht zur Debatte, ob eine Wettbewerbsverzerrung stets im Wege einer Gesamtbetrachtung aller von den Parteien einer M&A-Transaktion erhaltenen drittstaatlichen Subventionen geprüft wird (und nicht für jede Subvention einzeln).
Im Rahmen der Abwägungsprüfung (sogenannter balancing test) prüft die Kommission grundsätzlich, ob es positive Auswirkungen gibt, welche die im ersten Schritt festgestellte Wettbewerbsverzerrung ausgleichen können. Dabei gibt es zwei verschiedene Kategorien positiver Auswirkungen: zum einen positive Auswirkungen der Subvention selbst auf die Entwicklung der subventionierten wirtschaftlichen Tätigkeit; im Rahmen dieser Prüfung könnten Erfahrungswerte aus anderen Rechtsgebieten, insbesondere dem Europäischen Beihilferecht, in die Leitlinien einfließen. Zum anderen können sonstige positive Auswirkungen, insbesondere auf die allgemeinen politischen Ziele der EU (wie etwa der Schutz der Menschenrechte oder der Klimaschutz), geprüft werden; diese sind hingegen stark abhängig von den Gegebenheiten des jeweiligen Einzelfalls, so dass diesbezüglich nur begrenzt auf Erfahrungswerte aus anderen Rechtsgebieten zurückgegriffen werden könne. Anders als bei der Prüfung der Wettbewerbsverzerrung ist hier keine Gesamtbetrachtung vorzunehmen. Die positiven Auswirkungen einer Subvention sind vielmehr naturgemäß stets für die einzelne Subvention gesondert zu prüfen.
Zwar wird die Kommission in ihren Leitlinien nicht ausdrücklich auf unter der FSR mögliche Verpflichtungszusagen und Abhilfemaßnahmen eingehen. Allerdings wird sich die mögliche Ausgestaltung solcher Maßnahmen möglicherweise aus den Hinweisen zur Wettbewerbsverzerrung und der Abwägungsprüfung ableiten lassen.
Nach Art. 21 Abs. 5 und Art. 29 Abs. 8 FSR kann die Kommission die Anmeldung eines nicht anmeldepflichtigen (das heißt unter den Schwellenwerten der FSR liegenden) Zusammenschlusses beziehungsweise die Meldung einer nicht meldepflichtigen drittstaatlichen finanziellen Zuwendung im Rahmen eines öffentlichen Vergabeverfahrens verlangen. Ob die geplanten Leitlinien zur Anwendung dieser ex-officio Befugnis ausreichend klare Hinweise enthalten werden, welche das Risiko eines „call-in“ für Unternehmen besser einschätzbar machen und damit erhöhte Rechtssicherheit im M&A-Transaktionskontext schaffen, ist derzeit noch nicht absehbar. Vor dem Hintergrund der am 19. März 2025 eingeleiteten Voruntersuchung zu chinesischen Subventionen für ein Werk des Elektroautoherstellers BYD in Ungarn bleibt die weitere Guidance der Kommission zu ihren ex-officio Befugnissen mit Spannung abzuwarten. Diese jüngsten Ermittlungen der Kommission können auch im Lichte der Ankündigung der Kommission im Rahmen des „Europäischen Clean Deal für die Industrie“ (The Clean Industrial Deal: A joint roadmap for competitiveness and decarbonisation – „Clean Industrial Deal“) gesehen werden, in strategischen Sektoren ex-officio Untersuchungen durchzuführen. Der Clean Industrial Deal sieht zum einen die verstärkte Durchsetzung der FSR zur Sicherung der europäischen Wettbewerbsfähigkeit vor. Zum anderen sollen nationale und europäische Investitionen in spezifische Sektoren erhöht werden, wozu insbesondere der für das zweite Quartal 2025 angekündigte „Rahmen für Beihilfemaßnahmen zur Unterstützung des Clean Industrial Deal“ (Framework for State Aid measures to support the Clean Industrial Deal) entscheidend beitragen soll (mehr dazu in unserem Artikel vom 20. März 2025).
Möglichkeit, eigene Erfahrungen bei der Erarbeitung der Leitlinien einzubringen
Der Call for Evidence ist noch bis zum 2. April 2025 auf dem „Have your say“-Portal der Kommission geöffnet. Dort kann jeder Interessierte seine Ansichten einsenden. Die Einsendung einer Rückmeldung kann nicht nur in die Ausarbeitung der Leitlinien einfließen, sondern auch dazu führen, dass die Kommission weitere Interessengruppen zu den parallel verlaufenden Konsultationen mit den Mitgliedstaaten und ausgewählten Interessengruppen einlädt. Unser Noerr Kompetenzteam unterstützt Sie gerne, falls Ihr Unternehmen sich mit einer eigenen Stellungnahme an der Konsultation beteiligen möchte.
In einem zweiten Schritt wird die Kommission dann voraussichtlich im dritten Quartal 2025 eine öffentliche Konsultation zu dem Entwurf der FSR-Leitlinien organisieren.
Unser Noerr Kompetenzteam besteht aus erfahrenen Expertinnen und Experten auf dem Gebiet der FSR, des EU-Beihilferechts sowie der Fusionskontrolle und steht für Rückfragen und bei Unterstützungsbedarf gerne zur Verfügung. Melden Sie sich auch gerne hier an, um alle unsere News Alerts zur FSR zu erhalten oder klicken Sie hier , um zu unserem neuen FSR-Checker zu gelangen und herauszufinden, ob Ihre M&A-Transaktion anmeldepflichtig ist.