Zugangsanspruch zu Reparatur- und Wartungsinformationen nach der Typgenehmigungsverordnung und Data Act
Der Zugang zu Daten ist insbesondere im Automotive- und Mobilitätssektor hart umkämpft und entwickelt sich rasant fort.
Deshalb ist es von großer Bedeutung, wann OEMs welche Daten oder Informationen, in welchem Umfang und unter welchen Voraussetzungen, mit wem teilen müssen.
Eine zentrale Rolle kommt dabei der Typgenehmigungsverordnung VO (EU) 2018/858 zu, die unter anderem Regelungen zur Bereitstellung von OBD-Daten oder zum Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen (nachfolgend „RMI“) enthält. Insbesondere die Frage, in welcher Form Reparatur- und Wartungsinformationen nach Artikel 61 bereitzustellen sind, war bereits vielfach Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzungen.
In Zukunft wird neben den sektorspezifischen Datenzugangsansprüchen auch der Data Act (VO (EU) 2023/2854) eine zentrale Rolle im vernetzten Fahrzeug einnehmen.
Der Data Act beinhaltet nicht nur spezifische Ansprüche in Bezug auf den Zugang zu nutzergenerierten Daten, sondern legt auch allgemeine Vorgaben zur Ausgestaltung von Datenzugangsrechten (Art. 8 ff. DA) sowie zu Verträgen über die Nutzung und den Zugang von Daten (Art. 13 DA) fest. Der Data Act wird daher zukünftig auch Einfluss auf die Bewertung bzw. Ausgestaltung von Zugangsansprüchen zu Wartungs- und Reparaturinformation nach der Typgenehmigungsverordnung haben.
I. Gegenstand der jeweiligen Zugangsansprüche
Ein Vergleich der Zugangsansprüche nach der VO 2018/858 und dem Data Act offenbart sowohl Überschneidungen als auch deutliche Unterschiede in ihren Ansätzen und Zielsetzungen. Der Data Act verfolgt einen breiteren, nutzerzentrierten Ansatz, während die VO 2018/858 funktionsorientierte, sektorspezifische Zugangsrechte etabliert.
Die sektorspezifischen Zugangsregeln nach Art. 61 VO 2018/858 betreffen vor allem den Zugang von unabhängigen Wirtschaftsakteuren zu Informationen, die für Wartung und Reparatur erforderlich sind, unabhängig vom Bearbeitungsstadium dieser Informationen bzw. Daten. Ziel ist es – auch durch die zudem bestehenden Zugänge zu OBD-Daten, Werkzeugen und sonstigen Geräten – den unabhängigen Aftersalesmarkt im Wettbewerb mit autorisierten Betrieben und Herstellern zu ertüchtigen.
Der Data Act hingegen statuiert Zugangsregeln und -ansprüche für nutzergenerierte Daten u.a. in vernetzten Fahrzeugen. Bezüglich der Art der relevanten Daten verfolgt der Data Act dabei einen engeren Ansatz, indem er sich auf Rohdaten und vorverarbeitete Daten konzentriert, ohne jedoch weitere Einschränkungen hinsichtlich der Inhalte dieser Daten zu normieren. In Einzelfällen ist es denkbar, dass bestimmte RMI unter die Zugangsregeln der VO 2018/858 und des Data Act fallen.
Die RMI-Zugangsregeln der VO 2018/858 richten sich direkt an unabhängige Wirtschaftsakteure als Zugangsberechtigte, damit diese ihrer Funktion im Aftersalesmarkt nachkommen können. Demgegenüber stellt der Data Act den Nutzer des Fahrzeugs (oder eines verbundenen Dienstes) in den Mittelpunkt und räumt Dritten, wie etwa unabhängigen Wirtschaftsakteuren, nur einen (abgeleiteten) Zugang über den Nutzer ein, soweit diese nicht (ausnahmsweise) selbst Nutzer sind.
Da der Zugangsanspruch den Wettbewerb auf den Aftersales-Markt fördern soll, bestehen grundsätzlich keine weiteren Einschränkungen hinsichtlich des Zugangsanspruches gem. Art. 61 VO 2018/858. Dennoch ist gegenüber den verschiedenen Typen von unabhängigen Wirtschaftsakteuren der Zugangsanspruch unterschiedlich ausgestaltet.
Unter dem Data Act kann der Dateninhaber sowohl gegenüber dem Nutzer als auch gegenüber vom Nutzer ausgewählten Dritten den Zugriff in bestimmten, teilweise auch ausdrücklich normierten Fällen verweigern oder beschränken, etwa aufgrund von Sicherheitsbedenken oder wenn Daten Geschäftsgeheimnisse enthalten. Grenzen können sich auch aus der Datenschutzgrundverordnung (DS-GVO) ergeben. Im Einzelnen ist hier noch vieles unklar, etwa ob die Verweigerungsgründe auch im Falle des „Access by Design“ Anspruches gem. Art. 3 des Data Act Anwendung finden können (dafür sprechen die von der EU Kommission veröffentlichten FAQ zum Data Act, Ziffer 21).
II. Form der Bereitstellung der Daten und Entgelt
Nach der Typengenehmigungsverordnung haben Hersteller die RMI-Daten so bereitzustellen, dass eine unmittelbare elektronische Weiterverarbeitung der in den RMI-Daten enthaltenen Datensätze möglich ist. Die Bereitstellung hat grundsätzlich auf Webseiten des Herstellers zu erfolgen. Die konkrete Ausgestaltung war dabei bereits häufiger Gegenstand von gerichtlichen Auseinandersetzungen (vgl. EuGH, Urt. v. 9.11.2023 – C-319/22, GRUR-RS 2023, 30962 (Rn. 39)). Für die Bereitstellung darf der Hersteller eine angemessene und verhältnismäßige Gebühr für den Zugang verlangen, die „nicht abschreckend“ ist.
Der Data Act sieht für den Nutzer grundsätzlich einen direkten Anspruch auf Zugang zu den Daten vor. Soweit der Nutzer keinen direkten Zugang zu den Daten gemäß Art. 3 Abs. 1 Data Act erhält, besteht der Anspruch auf Datenbereitstellung nach Art. 4 Abs. 1 Data Act. Die Daten müssen unverzüglich, sicher, unentgeltlich und in einem maschinenlesbaren Format bereitgestellt werden, idealerweise in Echtzeit. Welche Formate diesbezüglich in Frage kommen, wird im Data Act nicht vorgegeben. Allerdings wird man sich hier an den Anforderungen in Art. 20 DS-GVO orientieren können und auch an den Grundsätzen, die bisher in der Rechtsprechung in Bezug auf den Zugang zu RMI-Daten aufgestellt wurden.
Zudem kann der Nutzer auch Herausgabe an Dritte verlangen. In diesen Fällen kann der Dateninhaber jedoch eine Vergütung vom Datenempfänger für die Bereitstellung von Daten verlangen. Diese Vergütung muss den FRAND-Regelungen in Kapitel III des Data Act entsprechen, also u.a. diskriminierungsfrei und angemessen sein. Die EU Kommission wird bis September 2025, entsprechende Musterbedingungen für eine angemessene Gegenleistung veröffentlichen.
III. Auswirkungen des Data Acts auf Zugangsansprüche nach Typengenehmigungsverordnung sowie bestehenden Datenlizenzverträgen
Neben den spezifischen Regelungen zum Zugang zu nutzergenerierten Daten enthält der Data Act auch weitergehende Bestimmungen, die im Zusammenhang mit der Weitergabe von RMI-Daten relevant werden können. So beinhaltet der Data Act unter anderem allgemeine Regeln für die Ausgestaltung von Zugangsansprüchen auf Grundlage des Unionsrechts (Kapitel III).
Daneben enthält der Data Act in Kapitel IV dezidierte Regelungen zu missbräuchlichen Vertragsklauseln im B2B-Bereich und damit eine dem deutschen Recht ähnliche Inhaltskontrolle.
Die in Kapitel IV enthaltenen Regelungen haben unmittelbare Relevanz auch für bestehende Verträge, die beispielsweise die Nutzung von RMI-Daten regeln.
Es bleibt abzuwarten, ob die Regelungen in Kapitel III, die konkrete Vorgaben für die Ausgestaltung von Zugangsansprüchen vorsehen, mittelbar auch Auswirkungen auf den Zugang zu RMI-Daten haben werden. Auch wenn bestehende Rechtsakte durch den Data Act grundsätzlich unberührt bleiben, dürften dessen Vorgaben sowohl bei der Auslegung noch offener Rechtsfrage zu Zugangsansprüchen aber auch bei zukünftigen Neufassungen Relevanz erlangen.
IV. Eine detaillierte Betrachtung finden Sie hier:
Eine vertiefte Betrachtungsweise der hier angesprochenen Themen finden Sie unter diesem Beitrag in dem als Download zur Verfügung gestellten Aufsatz, der jüngst auch in Ausgabe 2/24 der Zeitschrift RAW (Recht Auto Wirtschaft) erschienen ist.