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Verbindliche EU-Regeln für Ladesäulen und Wasserstofftankstellen – Rat verabschiedet AFIR

28.07.2023

Am gestrigen Dienstag (25.07.) hat der Rat der Europäischen Union die Verordnung über den Aufbau der Infrastruktur für alternative Kraftstoffe (AFIR) verabschiedet. Damit ist das langjährige Gesetzgebungsverfahren der Europäischen Union zur AFIR abgeschlossen. Die AFIR wird die bisherige Richtlinie über den Aufbau der Infrastruktur für alternative Kraftstoffe (AFID) aus dem Jahr 2014 ablösen, die in Deutschland mit der Ladesäulenverordnung umgesetzt wurde.

Update: Am 22.09.2023 wurde die AFIR als Verordnung 2023/1804 im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht. Sie wird ab 13.04.2024 vollumfänglich gelten.

Ein Hauptziel der AFIR ist es, zukünftig die Errichtung von Ladestationen für Elektrofahrzeuge sowie Tankstellen für alternative Kraftstoffe in den Städten Europas und entlang der Transeuropäischen Verkehrsnetze (TEN-V) voranzutreiben. Als Teil des „Green Deals“ ist die AFIR eine der Maßnahme zur Erreichung des Ziels der EU, ihre Nettotreibhausgasemissionen bis 2030 um mindestens 55% im Vergleich zu 1990 zu senken und bis 2050 Klimaneutralität zu verwirklichen („Fit for 55“).

Zu den alternativen Kraftstoffen i.S.d. AFIR zählen u.a. Strom, Wasserstoff, Gas (LNG und LPG), Biokraftstoffe. Neben Ladestationen für PKW sowie für leichte und schwere Nutzfahrzeuge, sollen auch Seehäfen und Flughäfen besser mit Strom versorgt werden und Wasserstofftankstellen errichtet werden. Darüber hinaus enthält die AFIR zahlreiche neue wichtige Vorgaben für die Betreiber und Nutzer der Infrastruktureinrichtungen.

Die AFIR wird am 20. Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft treten. Sie gilt grundsätzlich nach sechs Monaten nach dem Inkrafttreten, sofern keine Sonderregelungen getroffen worden sind.

Regelungsrahmen für Ladesäulen

In Art. 3 und 4 der AFIR finden sich detaillierte und für die Mitgliedstaaten verbindliche Ausbauziele für die Ladeinfrastruktur. Diese Vorgaben konkretisieren teilweise die Ziele des deutschen Schnellladegesetzes. Es wird sich zeigen, ob der dort mit den Vergabeverfahren zum „Deutschlandnetz“ vorangetriebene Ausbau der Ladeinfrastruktur auch die europäischen Ziele wird umsetzen können. Sehr wichtig für die tägliche Praxis sind die Vorgaben in Art. 5 AFIR für den Betrieb der öffentlich-zugänglichen Ladeinfrastruktur, welche zukünftig weitgehend an die Stelle der Ladesäulenverordnung (LSV) und von § 14 Preisangabenverordnung (PAngV) treten werden.

Die Vorgaben in Art. 5 Abs. 1 AFIR zum sog. „ad-hoc“ Laden gehen über die heutigen Bestimmungen in § 4 LSV hinaus. Künftig soll EU-weit ein punktuelles Aufladen unter Verwendung eines in der EU weitverbreiteten Zahlungsinstruments ermöglicht werden. Bei neu errichteten Ladepunkten mit einer Leistung unter 50 kWh, müssen ab Gültigkeit der Verordnung entweder Zahlungskartenleser, Geräte mit Kontaktlosfunktion, mit der zumindest Zahlungskarten gelesen werden können, oder ein spezifischer QR-Code als elektronisches Zahlungsmittel vorgehalten werden. Neu errichtete Ladepunkte mit einer Ladeleistung von 50 kW oder mehr müssen entweder über Zahlungskartenleser oder Geräte mit Kontaktlosfunktion, mit der zumindest Zahlungskarten gelesen werden können, ausgerüstet sein. Bei diesen Ladepunkten reicht ein QR-Code als elektronisches Zahlungsmittel also nicht aus. Diese Pflichten zur Bezahlmethode gelten bei Ladepunkten mit einer Ladeleistung von 50 kW oder mehr, welche entlang des TEN-V-Straßennetzes oder auf einem sicheren und gesicherten Parkplatz liegen, ab dem 01.01.2027 auch für die Infrastruktur, die vor Gültigkeit der AFIR errichtet wurde. Es wird also eine Nachrüstungspflicht für diese Ladesäulen etabliert. Nach Inkrafttreten der AFIR sind somit  im Bezug auf die verpflichtenden  Zahlungsmöglichkeiten künftig  folgende Arten von Ladesäulen (abhängig von Ladekapazität, Alter und örtlicher Lage) zu unterscheiden:

Tabelle AFIR

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Technische Vorgaben enthalten Art. 5 Abs. 10 AFIR sowie Art. 21 AFIR i.V.m. Anhang II Nr. 1, die damit an die Stelle von § 3 LSV treten werden; inhaltlich sind keine neuen Anforderungen enthalten.

Weitere Vorgaben für Ladepunktbetreiber finden sich in Art. 5 Abs. 4 AFIR. Darin werden für alle nach dem Gültigkeitsdatum der AFIR errichteten öffentlich-zugänglichen Ladepunkte Vorgaben für die Darstellung des Preises festgelegt, die insoweit an die Stelle von § 14 Abs. 2 bis 4 PAngV treten werden. Die Vorgaben der AFIR differenzieren anders als das deutsche Recht sowohl bzgl. der Darstellungsweise als auch hinsichtlich der anzugebenden Preiskomponenten zwischen Ladepunkte mit einer Ladeleistung von mehr als 50 kW und solchen mit einer geringeren Ladeleistung.

Darüber hinaus treffen Art. 5 Abs. 3 und Abs. 5 auch erstmals Regelungen für Mobilitätsdienstleister (EMSP). Ladesäulenbetreiber (CPO) dürfen diese bzgl. der Preisgestaltung gegenüber Nutzern und untereinander nicht diskriminieren. Ähnlich wie die CPOs treffen die EMSPs aber auch Vorgaben zur Preistransparenz gegenüber den Endkunden.

Die Mitgliedstaaten werden dazu verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass diese Regelungen eingehalten und möglicherweise unlautere Geschäftspraktiken überwacht werden (vgl. Art. 5 Abs. 6 AFIR).

Vorgaben für Wasserstofftankstellen

Für den Ausbau des Wasserstoffnetzes legt die AFIR bis zum 31.12.2030 zu errichtende Zielvorgaben fest. Denn noch haben mit Wasserstoff betriebene Fahrzeuge eine geringe Marktdurchdringungsquote. Sofern in den Mitgliedstaaten überhaupt Wasserstoff-Zapfstellen errichtet sind, eignen diese sich größtenteils nicht für die Betankung schwerer Nutzfahrzeuge. Im gesamten TEN-V-Kernnetz soll daher eine Wasserstoff-Betankungsinfrastruktur den nahtlosen Verkehr von Personenkraftwagen und leichten Nutzfahrzeugen sowie schweren Nutzfahrzeugen mit Wasserstoffantrieb gewährleisten. Entlang des TEN-V-Kernnetzes sind öffentlich-zugängliche Wasserstofftankstellen, die für eine kumulative Kapazität von mindestens 1 t/Tag ausgelegt sind und die über mindestens eine 700-bar-Zapfsäule für flüssigen Wasserstoff verfügen, zu errichten. Diese Tankstellen dürfen nicht weiter als 200 km voneinander entfernt liegen.

Wasserstoffbetriebene Fahrzeuge sollen in der Regel in Stadtgebieten betankt werden. Entsprechende Tankstellen sollen daher an Knotenpunkten liegen. Daher ist bis Ende des Jahres 2030 in jedem städtischen Knotenpunkt mindestens eine öffentlich zugängliche Wasserstofftankstelle zu errichten (vgl. Art. 6 Abs. 1 AFIR). Außerdem muss die kumulative Kapazität der Wasserstofftankstellen auf mindestens 1 t/Tag ausgelegt sein. Bislang ist davon auszugehen, dass eine zeitnahe Marktdurchdringung von Wasserstoff-Fahrzeugen vorerst im Segment der schweren Nutzfahrzeuge erreicht wird. Gleichwohl sollen die Vorgaben der AFIR bereits jetzt die Betankung von Personenkraftwagen und leichten Nutzfahrzeugen gestatten.

Darüber hinaus enthält Artikel 7 der AFIR weitere, den Bestimmungen zur Ladesäuleninfrastruktur ähnliche Vorgaben zur Gewährleistung der Benutzerfreundlichkeit der Wasserstoffbetankungsinfrastruktur, einschließlich Mindestanforderungen an Zahlungsmöglichkeiten, Preistransparenz und Vertragsauswahl. In Art. 21 AFIR i.V.m. Anhang II Nr. 3 der AFIR werden zudem technische Spezifikationen für die Zapfsäulen und die Qualität des Wasserstoffs festgelegt.

Vorgaben für die Bereitstellung von Daten

Eine weitere wichtige Neuregelung findet sich schließlich in Art. 20 AFIR. Dieser Artikel enthält Vorgaben zur Bereitstellung von Daten, da diese eine „grundlegende Rolle für das ordnungsgemäße Funktionieren der Lade- und Betankungsinfrastruktur spielen“ (Erwägungsgrund 69). So sollen die Mitgliedstaaten eine ID-Registrierungs-Organisation („IDRO“) benennen, die mithilfe eines individuellen Identifizierungscodes („ID“) die Betreiber von Ladepunkten und Mobilitätsdienstleister identifizieren kann (vgl. Art. 20 Abs. 1 AFIR). Diese Aufgabe wird in Deutschland zurzeit von der Energie Codes & Service GmbH, einer vom Bundeswirtschaftsministerium beauftragten privaten Stelle, die zum Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (bdew) gehört, durchgeführt.

Betreiber von öffentlich zugänglichen Ladepunkten und Zapfstellen für alternative Kraftstoffe müssen künftig näher bestimmte statische und dynamische Daten über die von ihnen betrieben Infrastruktur oder die damit verbundenen Dienstleistungen kostenfrei zur Verfügung zu stellen. Zu den statischen Daten zählen u.a. die geografische Lage der Ladepunkte oder der Zapfstellen für alternative Kraftstoffe, Anzahl der Anschlüsse, Betriebszeiten, maximale Ladeleistung der Ladestation/des Ladepunkts sowie die Stromart (vgl. Art. 20 Abs. 2 AFIR). Zu den dynamischen Daten gehören der Betriebszustand, die Verfügbarkeit, der Ad-hoc-Preis und die Herkunft des Stromes aus erneuerbaren Quellen. Schließlich haben die Mitgliedstaaten bis zum 31.12.2024 sicherzustellen, dass die Daten allen Datennutzern, wie Kunden oder EMSP, in offener und nichtdiskriminierender Weise zugänglich gemacht werden (Art. 20 Abs. 4 AFIR).

Fazit

Mit der AFIR werden wichtige, europaweit einheitliche Regelungen geschaffen. Ob die Verordnung die erhoffte Wirkung auf den weiteren Hochlauf der Elektromobilität hat wird nicht zuletzt auch davon abhängen, wie praxistauglich die Regelungen etwa in Art. 5 Abs. 4 und Abs. 5 AFIR künftig ausgelegt und angewendet werden. Am Ende braucht es eine flächendeckende kundenfreundliche – mithin auch preisgünstige – Ladeinfrastruktur damit in den nächsten Jahren viele Bürgerinnen und Bürger auf Elektrofahrzeuge umsteigen.