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Update zum Präventiven Restrukturierungs­rahmen

05.01.2018
    • Richtlinienentwurf der Kommission vor einem Jahr veröffentlicht
    • Richtlinie wird wohl erst Ende 2018 erlassen, Umsetzung in Deutschland frühestens 2019 erwartet
    • Die Praxis kritisiert das Fehlen eines deutschen vorinsolvenzlichen Verfahrens
    • Deutscher Gesetzgeber eher kritisch hinsichtlich des Entwurfs, Änderungen des ESUG werden derzeit bewertet

Richtlinienentwurf der Kommission vor einem Jahr veröffentlicht

Ein Jahr ist es nun her, seitdem der Richtlinienentwurf der Europäischen Kommission zum Präventiven Restrukturierungsrahmen unter großer Öffentlichkeitsbeteiligung veröffentlicht wurde. Mittlerweile ist es eher ruhig geworden und nun scheint es, als müssten sich deutsche Unternehmen noch etwas länger gedulden, bis sie ein solches deutsches Sanierungsverfahren zur Vermeidung einer späteren Insolvenz nutzen können.

Zunächst konnte von einem für europäische Verhältnisse sehr straffen Zeitplan ausgegangen werden: auf der Grundlage des Entwurfs sollte in ca. 1,5 Jahren eine Richtlinie erlassen werden, die dann in maximal 2 Jahren in nationales Recht umgesetzt werden sollte.

Beratungen der Ausschüsse und weiteres Verfahren

Auf europäischer Ebene sind im bisherigen Verfahrensverlauf allerdings nur Beratungen der jeweiligen Ausschüsse des Europäischen Parlaments und des Europäischen Rats durchgeführt und Stellungnahmen eingeholt worden. Der Entwurf muss jedoch im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren sowohl vom Europäischen Rat als auch vom Europäischen Parlament mit den erforderlichen Mehrheiten angenommen werden.

Hierzu wird das Europäische Parlament die Änderungswünsche seiner Ausschüsse beraten und in Erster Lesung eine Stellungnahme verabschieden, die dann anschließend vom Europäischen Rat beraten wird. Auch hier muss dann die erforderliche Mehrheit zustimmen. Außerdem müssen die Interessen der Europäischen Kommission und die sehr heterogenen Interessen der Mitgliedstaaten von Anfang an beachtet und berücksichtigt werden. Es hängt von der Bereitschaft der am Verfahren beteiligten Organe zu Kompromissen und einer Einigung sowie der jeweiligen politischen Situation ab, wann ein Kompromiss auf europäischer Ebene gefunden wird. Mit einer Verabschiedung der Richtlinie ist wohl nicht mehr innerhalb der nächsten Monate, sondern eher gegen Ende 2018 zu rechnen.

Fehlen eines vorinsolvenzlichen Verfahrens wird in Deutschland in der Praxis kritisiert

Dabei wird das Fehlen eines solchen Verfahrens in Deutschland zunehmend kritisiert, sodass eine schnellere Einführung wünschenswert wäre. Nach einer von Noerr und McKinsey im November 2017 durchgeführten Befragung von 6.000 Experten halten 69,6% es für erforderlich oder sinnvoll, dass Deutschland ein vorinsolvenzliches Sanierungsverfahren einführt – auch bevor der Gesetzgeber aufgrund einer erlassenen Richtlinie hierzu verpflichtet ist (die Studie wird Ende Januar an dieser Stelle veröffentlicht).

Die verschiedenen Interessengruppen in Deutschland – so unter anderem der Gravenbrucher Kreis, die Deutsche Kreditwirtschaft und der Verband Insolvenzverwalter Deutschland e.V. – haben zu dem Richtlinienentwurf bereits ihren Standpunkt sowie Verbesserungspotentiale mitgeteilt und begrüßten den Entwurf ebenfalls hauptsächlich.

Vorteile für deutsche Unternehmen und Banken

Deutsche Unternehmen haben in der Vergangenheit ausländische vorinsolvenzliche Verfahren genutzt, um eine frühe Restrukturierung durchzuführen. Mithilfe eines deutschen vorinsolvenzlichen Sanierungsverfahrens wäre eine solche Restrukturierung kostengünstiger auch in Deutschland möglich. Sie stünde auch all den Unternehmen zur Verfügung, für die eine Sanierung im Ausland bisher keine Option war.

Das Verfahren nach dem Richtlinienentwurf unterscheidet sich hauptsächlich in den folgenden Punkten von einem regulären Insolvenzverfahren:

    • Es setzt vor der materiellen Insolvenz an, sodass weder erforderlich ist, dass die Gesellschaft zahlungsunfähig ist, noch dass bereits Überschuldung eingetreten ist. Das Verfahren hat gerade das Ziel, eine Insolvenz abzuwenden.
    • Es kann auf einzelne Gläubigergruppen beschränkt werden, die durch Mehrheitsentscheidung gebunden werden.
    • Das Verfahren kann nur zu einer finanziellen Restrukturierung genutzt werden, wobei operative Restrukturierungsmaßnahmen außerhalb des Verfahrens möglich sind.

Außerdem wird das Verfahren immer in Eigenverwaltung durchgeführt und ein Restrukturierungsverwalter ist optional. Es gibt auch keine Unterteilung in ein vorläufiges und ein eröffnetes Verfahren.

Am Ende des Verfahrens steht ein von den Gläubigern mit Mehrheitsbeschluss angenommener und vom Gericht bestätigter Restrukturierungsplan, der im Idealfall die Insolvenz der Gesellschaft verhindert.

Auch die Kreditwirtschaft kann von einem solchen Verfahren profitieren, in dem der Schuldner der Bank nicht ein vollumfängliches Insolvenzverfahren durchlaufen muss, das den Makel Insolvenz trägt und alle Gläubigergruppen, z.B. auch Arbeitnehmer, involvieren muss und in dem er somit nicht unnötig geschwächt wird. 

Ausblick – Umsetzung einer Richtlinie in Deutschland

Trotz dieser Vorteile und der positiven Stellungnahmen einiger Interessengruppen ist in Deutschland kein zügiges Verfahren zu erwarten. Der Bundesrat hat sich in einer Stellungnahme zum Entwurf der Richtlinie bereits sehr kritisch gezeigt.

Er ist unter anderem der Auffassung, dass die im deutschen Recht vorhandenen Verfahren für die Bewältigung von Unternehmensinsolvenzen und -krisen ausreichen. In seiner Stellungnahme geht der Bundesrat ausführlich auf die Regelungen des Richtlinienentwurfs ein. Besonders hebt er hervor, dass der Entwurf aus seiner Sicht die Interessen der Gläubiger und Schuldner nicht in einen angemessenen Ausgleich bringt, sondern die Schuldnerinteressen zu stark in den Vordergrund rückt.

Derzeit lässt der Deutsche Bundestag die Änderungen des deutschen Insolvenzrechts, die mit dem Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) im März 2012 eingeführt wurden, bewerten. Erst anschließend sollen Änderungen der Insolvenzordnung angegangen werden. Ob bei diesen ggf. geplanten Änderungen auch ein vorinsolvenzliches Verfahren eingeplant ist, bleibt derzeit noch abzuwarten. Es ist wohl nicht zu erwarten, dass der Gesetzgeber seine vorhandenen verfahrensrechtlichen Möglichkeiten komplett anpasst, sondern vielmehr, dass es nach Erlass der Richtlinie höchstens zu einer Ergänzung kommt und ein reines vorinsolvenzliches Verfahren geschaffen wird, das sich in die Verfahren der Insolvenzordnung einfügt.

Aber hierauf müssen deutsche Unternehmen noch ein bisschen warten.

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