Rat stimmt EU-Verpackungsverordnung zu: Einheitlicher Rechtsrahmen für den gesamten Lebenszyklus von Verpackungen – neue Herausforderungen für Marktteilnehmer
Nachdem das Europäische Parlament die neue Verordnung über Verpackungen und Verpackungsabfälle am 24.04.2024 verabschiedet hatte, stimmte gestern, am Montag, den 16.12.2024, der Rat der Europäischen Union der Verordnung zu. Die Verpackungsverordnung wird nun im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht, zwanzig Tage später in Kraft treten und 18 Monate nach Inkrafttreten – also voraussichtlich Mitte des Jahres 2026 – EU-weit gelten. Wie bereits bei der Batterieverordnung greift der EU-Gesetzgeber auch bei der neuen Verpackungsverordnung vermehrt auf das Instrument delegierter Rechtsakte zurück, die erhebliche Auswirkungen auf den zeitlichen Geltungsbeginn der betroffenen Regelungsinhalte und deren inhaltliche Reichweite haben werden. Daher muss für jede Regelung im Einzelfall geprüft werden, ob und inwieweit sie bereits gilt.
Auch inhaltlich enthält die Verordnung zahlreiche neue oder weitergehende Vorschriften im Vergleich zum bisherigen Rechtsrahmen der Verpackungsrichtlinie 94/62/EG, welche in Deutschland im Wesentlichen durch das Verpackungsgesetz umgesetzt wurde. Es werden nun nicht mehr nur Vorgaben für Verpackungsabfälle, also für das Ende des Lebens einer Verpackung, gemacht, sondern auch Regelungen für den gesamten Lebenszyklus von Verpackungen – wie in anderen Bereichen des produktbezogenen Umweltrechts schafft die EU nunmehr eine umfassende produktbezogene Regelung. Nachfolgend werden einige zentrale Aspekte der neuen Verpackungsverordnung beleuchtet, die für die praktische Anwendung besonders relevant sind.
I. Nachhaltigkeits- und Designanforderungen an Verpackungen
Mit der Verpackungsverordnung sieht die EU Vorgaben zur Nachhaltigkeit und dem Design von Verpackungen vor, die über die bisherigen Anforderungen an Verpackungen hinausgehen.
Nach dem neuen Rechtsrahmen müssen Verpackungen künftig recyclingfähig gestaltet sein. Das bedeutet, dass der Verpackungsabfall eine solche Qualität haben muss, dass er in der Weiterverarbeitung Primärrohstoffe ersetzen kann. Außerdem müssen Verpackungen so konzipiert sein, dass sie trennbar sind, ohne die Recyclingfähigkeit anderer Abfallströme zu beeinträchtigen und das Recycling in großem Umfang gewährleisten. Zudem legt die Verordnung Mindestrezyklatanteile in Kunststoffverpackungen fest, etwa bis zu 65 % für Einweg-Plastikflaschen bis zum Jahr 2040. Künftig dürfen Verpackungen, die den vorgegebenen Grad an Recyclingfähigkeit nicht erreichen, nicht mehr in Verkehr gebracht werden.
Darüber hinaus sind das Gewicht und Volumen von Verpackungen auf das zur Gewährleistung ihrer Funktionsfähigkeit erforderliche Mindestmaß zu reduzieren. Verpackungen, die nicht erforderlich sind und solche die lediglich darauf abzielen, das wahrgenommene Volumen des Produkts zu vergrößern, dürfen grundsätzlich nicht mehr in Verkehr gebracht werden. Zudem gibt es Anforderungen an die Kompostierbarkeit bestimmter Verpackungsarten.
Zusätzlich enthält die neue Verordnung Vorgaben zur Verwendung von bestimmten Stoffkategorien. Diese greifen teilweise die Vorgängerregelungen auf, verschärfen sie jedoch größtenteils. Insbesondere sieht die Verpackungsverordnung vor, dass die Verwendung und die Konzentration besorgniserregender Stoffe in Verpackungsmaterialien oder -bestandteilen bei der Herstellung auf ein Mindestmaß beschränkt werden. So darf die Summe der Konzentrationen von Blei, Cadmium, Quecksilber und sechswertigem Chrom aus Stoffen in Verpackungen oder Verpackungsbestandteilen 100 mg/kg nicht überschreiten. Ferner wird das Inverkehrbringen von Verpackungen, die mit Lebensmitteln in Berührung kommen, beschränkt, wenn sie gewisse Grenzwerte per- und polyfluorierter Alkylsubstanzen („PFAS“) überschreiten.
II. Kennzeichnungs- und Informationsanforderungen
Zu den Design- und Nachhaltigkeitsanforderungen treten Kennzeichnungs- und Informationspflichten für Verpackungen. Künftig müssen Verpackungen mit einem Etikett versehen werden, das die Materialzusammensetzung der Verpackung aufzeigt, um dem Verbraucher die Mülltrennung zu erleichtern. Verpackungen, die unter Pfand- und Rücknahmesysteme fallen, müssen mit einer klaren und eindeutigen Kennzeichnung versehen werden. Die Mitgliedstaaten können dabei auch vorschreiben, dass diese Verpackungen mit einem harmonisierten Etikett versehen werden müssen, das durch delegierten Rechtsakt eingeführt wird.
Schließlich sind auch wiederverwendbare Verpackungen mit einem speziellen Etikett zu kennzeichnen. Weitere Informationen über die Wiederverwendbarkeit, unter anderem über die Verfügbarkeit eines Wiederverwendungssystems und Informationen über Sammelstellen, werden mit einem QR-Code oder einem anderen digitalen Datenträger zur Verfügung gestellt.
III. Pflichten für Erzeuger, Lieferanten und Fulfilment-Dienstleister
Die Verordnung führt dezidierte Nachweis- und Konformitätspflichten für alle Marktteilnehmer entlang des Lebenszyklus einer Verpackung ein. Dadurch wandelt sich das Verpackungsrecht – ähnlich wie zuvor das Batterierecht – von einer abfallrechtlichen zu einer umfassenden Produktregulierung um.
Erzeuger von Verpackungen haben die in der Verpackungsverordnung vorgesehenen Pflichten zur Gestaltung und Kennzeichnung ab deren Geltung zu erfüllen, wenn Sie Verpackungen in Verkehr bringen wollen. Um nachzuweisen, dass die Marktteilnehmer den Anforderungen der Verpackungsverordnung entsprechen, müssen sie eine Konformitätserklärung abgeben. Lieferanten sind verpflichtet, den Erzeugern alle erforderlichen Informationen und Unterlagen auszuhändigen, damit diese die Einhaltung der Regelungen für Verpackungen und Verpackungsmaterial nachweisen können. Importeure müssen gewährleisten, dass die von ihnen eingeführten Verpackungen die Vorschriften der Verordnung erfüllen.
Davon zu unterscheiden sind Vertreiber und Fulfilment-Dienstleister. Vertreiber müssen jedenfalls überprüfen, ob die Erzeuger der von ihnen vertriebenen Produkte ebenfalls den Anforderungen entsprechen. Fulfilment-Dienstleister hingegen sind lediglich dafür verantwortlich, dass ihre Dienstleistung die Konformität der von ihnen gehandhabten Verpackungen nicht beeinträchtigen. Darüber hinaus trifft sie eine Prüfobliegenheit, ob die vom Erzeuger zur Verfügung gestellten Informationen zutreffend sind.
IV. Mehrwegpflichten und -quoten
Die Verordnung führt neue verbindliche Mehrwegpflichten und -quoten bis 2030 ein und legt Richtwerte ab dem Jahr 2040 fest. Die festgelegten Ziele variieren je nach Art der von den Unternehmen verwendeten Verpackungen. So müssen beispielsweise Endvertreiber bestimmter alkoholischer und nichtalkoholischer Produkte ab dem 01. Januar 2030 eine Wiederverwendungsquote von 10 % erfüllen. Ähnliche Regelungen finden sich für Transport- und Verkaufsverpackungen oder Kisten. Dabei stellt der europäische Gesetzgeber den Mitgliedstaaten frei, ein Poolingsystem für die Marktteilnehmer beim Erreichen dieser Quoten zu ermöglichen. Besondere Wiederverwendungs- und Wiederbefüllungspflichten gelten künftig auch im Restaurant, insbesondere im To-Go-Bereich. So müssen sog. take-away Betriebe (also solche, die Getränke oder Speisen zum Mitnehmen anbieten) den Verbrauchern die Möglichkeit geben, eigene Behältnisse zur Befüllung mit kalten oder warmen Getränken oder zubereiteten Speisen mitzubringen, ohne dass dafür höhere Kosten anfallen.
V. Beschränkung von Verpackungsformaten
Bestimmte Formate und Zwecke von Verpackungen dürfen künftig nicht mehr in Verkehr gebracht werden. Dabei handelt es sich beispielsweise um Einwegkunststoffverpackungen für unverarbeitetes frisches Obst und Gemüse, für Lebensmittel und Getränke, die in den Räumlichkeiten eines Gastgewerbes befüllt und verzehrt werden sowie sehr leichte Kunststofftragetaschen.
VI. Pfandsysteme
Auf europäischer Ebene sieht die Verordnung nun für die gesamte EU ein in Deutschland bereits bekanntes Pfand- und Rücknahmesystem für bestimmte Einweggetränkeflaschen aus Kunststoff sowie bestimmte Einweggetränkebehälter aus Metall und Aluminium vor. Die Mitgliedstaaten können auch Glas in die Pfand- und Rücknahmesysteme einbeziehen und sollen sicherstellen, dass Pfand- und Rücknahmesysteme für Einwegverpackungen, insbesondere für Einweggetränkeflaschen aus Glas, soweit technisch und wirtschaftlich machbar, gleichermaßen für wiederverwendbare Verpackungen verfügbar sind.
VII. Erweiterte Herstellerverantwortung
In der Verpackungsverordnung wird – wie bereits in der Batterieverordnung, der Richtlinie über Elektro- und Elektronik-Altgeräte (WEEE), sowie dem nationalen Verpackungsgesetz – die Verantwortung innerhalb der Wertschöpfungskette (weiter) auf die Hersteller verlagert. Wichtig ist hierbei, die Begriffe „Hersteller“ und „Erzeuger“ zu trennen: So können Erzeuger, aber auch Importeure oder Vertreiber, Hersteller iSd Verpackungsverordnung sein.
Zukünftig müssen sich diese Hersteller von Verpackungen in ein von den Mitgliedstaaten bereitgestelltes Herstellerregister eintragen. Sie tragen eine erweiterte Herstellerverantwortung für die Verpackungen oder verpackten Produkte, die sie erstmals auf dem Markt eines Mitgliedstaates bereitstellen. Im Rahmen dieser Regelung werden auch Online-Plattformen, wie schon aus der Batterieverordnung, dem deutschen ElektroG und dem VerpackG bekannt, Prüfpflichten bzgl. dieser Registrierung der Hersteller auferlegt.
VIII. Greenwashing
Die Verordnung flankiert die Greenwashing Initiativen der Europäischen Union (z.B. die Green Claims Richtlinie), indem sie spezielle Regelungen für Umweltaussagen im Zusammenhang mit Verpackungen regelt. Aussagen in Bezug auf Verpackungseigenschaften dürfen nur dann getroffen werden, wenn diese Eigenschaften über die in der Verordnung festgelegten Mindestanforderungen hinausgehen und in der Aussage angegeben wird, ob sie sich nur auf einen Teil, auf die gesamte Verpackungseinheit oder auf alle vom Hersteller in Verkehr gebrachten Verpackungen bezieht.
IX. Fazit
Diese kurzen Schlaglichter zeigen bereits, dass auf alle Marktakteure rund um den Lebenszyklus der Verpackung neue, weitreichende Pflichten durch die Verpackungsverordnung zukommen. Die exakte Ausgestaltung mancher Regelungen bleibt in vielerlei Hinsicht bis zum Erlass der delegierten Rechtsakte noch skizzenhaft, wirft aber bereits jetzt ihre Schatten voraus. Die betroffenen Unternehmen, gleich ob Erzeuger, Lieferant, Vertreiber, Online-Plattform-Betreiber oder Fulfilment-Dienstleister, sind aber bereits jetzt dazu angehalten, frühzeitig tätig zu werden und die Vorgaben der Verpackungsverordnung sorgfältig zu evaluieren, insbesondere in Bezug auf ihre bestehenden Prozesse, bisherige Produktion und Beschaffung. Bei Nichteinhaltung der neuen Anforderungen ist nämlich mitunter das Inverkehrbringen der jeweiligen Verpackungen verboten. Hinzutreten wird künftig eine Sanktionierung von Verstößen gegen die Vorgaben der Verordnung. Zwar liegt es an den Mitgliedstaaten, Vorschriften über solche Sanktionen zu treffen. Die Verpackungsverordnung gibt jedoch vor, dass diese wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein müssen. Unter Orientierung an vergleichbaren Rechtsakten des produktbezogenen Umweltrechts ist deshalb davon auszugehen, dass der Gesetzgeber umfassende Bußgeldvorschriften schaffen wird, wobei ein Rahmen von bis zu EUR 200.000 (pro Verstoß) wie etwa im geltenden VerpackG durchaus möglich erscheint.