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KI-Einsatz bei Betriebsprüfungen – Werden künftig mehr Fälle von Schein­selbstständigkeit aufgedeckt?

11.07.2024

Mindestens alle vier Jahre prüfen die Träger der Rentenversicherung im Rahmen einer Betriebsprüfung, ob die Arbeitgeber ihren Meldepflichten und sonstigen Pflichten, die im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag (= Beiträge zur Kranken-, Pflege-, Renten-, Arbeitslosenversicherung) stehen, ordnungsgemäß nachkamen, also die Gesamtsozialversicherungsbeiträge vollständig und fristgerecht abgeführt wurden.

Dies führt dazu, dass die Deutsche Rentenversicherung Bund bereits jetzt im Rahmen der jährlich etwa 400.000 Betriebsprüfungen einen hohen dreistelligen Millionenbetrag nachfordert. Künftig werden diese Nachforderungen aller Voraussicht nach deutlich zunehmen. Denn die Deutsche Rentenversicherung Bund reagiert auf den im Prüfdienst anhaltenden Fachkräftemangel und geht in einem Leuchtturmprojekt, gefördert durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales, die Digitalisierung der Verwaltung an.

Hintergrund ist, dass den etwa 1500 Beschäftigten im Prüfdienst bislang im Schnitt weniger als ein Arbeitstag pro Betriebsprüfung zur Verfügung steht. Dies reicht kaum, um alle Prüfunterlagen ausreichend zu kontrollieren. Die Betriebsprüfer entscheiden daher aufgrund ihrer Erfahrungswerte, welche Schwerpunkte sie – sowohl bei der Auswahl der Unternehmen als auch inhaltlich – bei der Prüfung setzen. Nicht selten führt dies – aus unterschiedlichsten Gründen – dazu, dass Fälle, die nach dem Verständnis der Deutschen Rentenversicherung Bund zur Feststellung der Scheinselbständigkeit führen, nicht geprüft wurden und damit auch keine Nachzahlung gefordert wurde.

Neue Künstliche Intelligenz soll Vorteil bringen

Künftig setzt die Deutsche Rentenversicherung Bund insoweit auf eine unterstützende KI namens KIRA – Künstliche Intelligenz für Risikoorientierte Arbeitgeberprüfungen.

Noch bevor der Prüfer seine manuelle Prüfung beginnt, scannt die KI die digitalen Prüfunterlagen nach Mustern und Auffälligkeiten und generiert anhand dessen einen Score, der dem Betriebsprüfer zeigt, welche Unternehmen geprüft werden sollten und welche Prüfunterlagen besonders auffällig waren. Dies ermöglicht es den Betriebsprüfern, schneller und zielgenauer zu entscheiden, welches Unternehmen geprüft wird und welche Schwerpunkte bei der manuellen Prüfung sinnvoll sind.

Flankiert wird der Einsatz der KI durch die Pflicht zur Teilnahme an der elektronisch unterstützten Betriebsprüfung (euBP), die seit dem 01.01.2023 gilt. Hiernach sind die Arbeitgeber verpflichtet, die für die Prüfung notwendigen Daten aus einem systemgeprüften Entgeltabrechnungsprogramm zu übermitteln. Dies erlaubt es der Deutschen Rentenversicherung Bund, der KI eine umfassende Datengrundlage zur Prüfung bereitzustellen.

Eine höhere Falldichte erwartet

Die Aufrüstung der Deutsche Rentenversicherung Bund im Kampf gegen Scheinselbständigkeit und unerlaubte Arbeitnehmerüberlassung führt voraussichtlich dazu, dass Fälle, die nach dem Verständnis der Deutschen Rentenversicherung zur Scheinselbstständigkeit oder unerlaubten Arbeitnehmerüberlassung führen und die wegen der lediglich stichprobenartigen Prüfungen bisher allenfalls punktuell ins Blickfeld geraten sind, nun infolge der systematischen und intelligenten Auswertung der Prüfunterlagen verstärkt in den Fokus geraten. Dies trifft auch Arbeitgeber, bei denen bislang nur selten oder noch nie eine intensive Betriebsprüfung erfolgte.

Vor diesem Hintergrund sollten Arbeitgeber nun ein besonderes Augenmerk darauf legen, dass ihre Verträge und Beauftragungen im Anbetracht der neusten Verwaltungspraxis rechtskonform gestaltet sind.

Waffengleichheit lässt sich dabei mit einem effizienten Compliance-System herstellen, das zugleich Haftungsrisiken erheblich reduziert. Ein Baustein hierfür stellt unsere Legal Tech-Lösung "Noerr Contractor Compliance Check" dar, die Unternehmen bei der Beauftragung und dem Einsatz von Fremdpersonal unterstützt. Das Tool integriert alle dafür notwendigen Prozesse für den effizienten und rechtssicheren Einkauf von Fremdpersonal in einer Plattform. Für weiterführende Informationen besuchen Sie gerne unsere Website.

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