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Handelsvertreterverträge

Handelsvertreterverträge vor Gericht: aktuelle Entscheidungen und ihre Auswirkungen

12.02.2025

In den vergangenen Monaten hatte sich insbesondere das Oberlandesgericht Köln in gleich mehreren Entscheidungen mit zentralen Fragen des Handelsvertreterrechts zu befassen und gab dabei wichtige Hinweise für die Praxis, wie z. B. zum Buchauszug, zum Ausgleichsanspruch und zum Unterlagenbegriff des § 86a HGB. Aber auch andere Klassiker des Handelsvertreterrechts haben die Gerichte beschäftigt.

Zweifelsfälle und Buchauszug

Das Oberlandesgericht Köln (Urt. v. 24.11.2023 – 19 U 146/22) hat klargestellt, dass es keinen in einen Buchauszug nach § 87c Abs. 2 HGB aufzunehmenden „Zweifelsfall“ darstellt, wenn die Parteien lediglich über den rechtlichen Umfang der Provisionsabrede streiten. Grundsätzlich muss ein Buchauszug nur provisionsrelevante Angaben enthalten – weitergehende Angaben kann der Handelsvertreter in einem Buchauszug nicht verlangen. In der Rechtsprechung ist jedoch anerkannt, dass ein Buchauszug auch Angaben zu sog. Zweifelsfällen enthalten muss, bei denen fraglich ist, ob ein Provisionsanspruch besteht oder nicht (vgl. OLG Hamm, Urt. v. 13.12.2021, I-18 U 31/21). Das Oberlandesgericht Köln hat nun klargestellt, dass ein Zweifelsfall nicht vorliegt, wenn das Bestehen eines Provisionsanspruchs bei feststehender Sachlage allein von der rechtlichen Würdigung abhängt. Das Gericht muss also schon auf der Auskunftsstufe die Bedeutung und Reichweite der Provisionsabrede klären. Der Prinzipal muss keine Angaben in den Buchauszug zu vermeintlichen Provisionsansprüchen aufnehmen, die es nach der vertraglichen Provisionsabrede von vornherein nicht gibt.

Einmalprovision

Darüber hinaus hat das Oberlandesgericht Köln (Urt. v. 26.01.2024 – 19 U 140/22; Urt. v. 24.11.2023 – 19 U 146/22 und Urt. v. 08.09.2023 – 19 U 73/22) im Hinblick auf das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 23.03.2023 in der Rechtssache C-574/21 klargestellt, dass ein Ausgleichsanspruch zwar bei der Vereinbarung von Einmalprovisionen nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann. Es hat aber zugleich hervorgehoben, dass fehlende Provisionsverluste des Handelsvertreters auf der Billigkeitsstufe zu berücksichtigen sind. Bei Fehlen von Provisionsverlusten müssen nach dem Oberlandesgericht Köln weitere Billigkeitsgründe hinzutreten, die ausnahmsweise ohne den Eintritt von Provisionsverlusten einen Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters rechtfertigen können.

Unterlagenbegriff

Das Oberlandesgericht Köln (Urt. v. 02.02.2024 – 19 U 73/23 und Urt. v. 26.01.2024 – 19 U 140/22) hat sich mit dem Begriff der Unterlage nach § 86a Abs. 1 HGB befasst. Nach § 86a Abs. 1 HGB hat der Prinzipal dem Handelsvertreter erforderliche Unterlagen kostenlos bereitzustellen. Das Oberlandesgericht Köln hat die bisherige Rechtsprechung bestätigt, dass der Begriff der „Unterlage“ über den Wortlaut der Norm hinaus weit auszulegen ist, während der Begriff der Erforderlichkeit restriktiv auszulegen ist. Zu den gemäß § 86a Abs. 1 HGB (kostenlos) vom Unternehmer zur Verfügung zu stellenden Unterlagen gehören deshalb nur die Hilfsmittel, die der Handelsvertreter spezifisch aus der Sphäre des Unternehmers benötigt, um seine Tätigkeit überhaupt ausüben zu können. In dem vom Oberlandesgericht Köln zu entscheidenden Fall ging es um ein aus üblicher Standardsoftware bestehendes Arbeitsplatzsystem, das für die Anbindung an die IT-Systeme des Unternehmers zwingend genutzt werden musste. Dieses Arbeitsplatzsystem stellte der Unternehmer gegen eine Pauschale zur Verfügung. Da der Unternehmer dem Handelsvertreter jedoch untersagt hatte, das Arbeitsplatzsystem für jegliche anderen Tätigkeiten als seine Vermittlungstätigkeit zu verwenden, handelte es sich dabei nach Auffassung des Oberlandesgericht Köln nicht um allgemeine Büroausstattung des Handelsvertreters, sondern um eine kostenlos vom Prinzipal bereitzustellende erforderliche Unterlage im Sinne des § 86a Abs. 1 HGB. In der Folge war die vom Unternehmer erhobene Pauschale nach bereicherungsrechtlichen Grundsätzen zurückzuzahlen.

Sperren statt kündigen; Provisionsanspruch für faktische Vertragsverlängerungen

Das Oberlandesgericht Düsseldorf (Urt. v. 23.11.2023 – 16 U 147/22) hat sich mit der Frage befasst, ob der Unternehmer im Falle einer Pflichtverletzung des Handelsvertreters auch dessen Belieferung aussetzen kann, anstelle eine fristlose Kündigung zu erklären. In dem vom Oberlandesgericht Düsseldorf zu entscheidenden Fall stand der Verdacht im Raum, dass der Handelsvertreter Ware des Prinzipals veruntreut haben soll. Der Aufforderung des Prinzipals, den Verbleib der Ware zu erklären, kam der Handelsvertreter nicht nach. Er ließ die Fragen des Prinzipals unbeantwortet. Anstatt den Handelsvertretervertrag nach § 89a Abs. 1 HGB außerordentlich fristlos zu kündigen, setzte der Prinzipal in der Folge die Belieferung des Handelsvertreters mit der Ware aus. Das Oberlandesgericht Düsseldorf entschied, dass eine solche Vorgehensweise als milderes Mittel zu einer außerordentlichen (Verdachts-)Kündigung im Einzelfall zulässig sein kann, wenn das Interesse des Unternehmers an seiner geschäftlichen Dispositionsfreiheit die schutzwürdigen Belange des Handelsvertreters überwiegt.

Darüber hinaus hatte sich das Oberlandesgericht Düsseldorf mit der Frage zu befassen, wie sog. „Vertragsverlängerungen“ zu verprovisionieren sind. Der Unternehmer hatte seinen Handelsvertretern eine Provision für Vertragsverlängerungen versprochen. Die Auslegung des dortigen Handelsvertretervertrages ergab jedoch, dass damit nur der vom Handelsvertreter vermittelte Anschlussvertrag eines Bestandskunden gemeint war, nicht aber eine faktische Vertragsverlängerung, die dadurch zustande kommt, dass der Kunde den vom Handelsvertreter geworbenen Vertrag nicht zum Ende der Mindestlaufzeit kündigt. Die bloße automatische Verlängerung der Laufzeit eines bestehenden Mobilfunkvertrages mangels Kündigung des Kunden stelle per se kein provisionspflichtiges Geschäft dar. Damit gibt das Oberlandesgericht Düsseldorf seine frühere Rechtsauffassung auf und folgt der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Der Bundesgerichtshof hatte bereits 2010 entschieden, dass automatische Laufzeitverlängerungen wegen des Ausbleibens einer Kündigung des Kunden schon nach der Verkehrsanschauung kein provisionspflichtiges Geschäft darstellen (vgl. BGH NJW 2010, 298).

Kündigungserschwernis

Das Oberlandesgericht München (Urt. v. 22.02.2024 – 23 U 7165/21) hatte sich einmal mehr mit einem Fall zu befassen, in dem eine vertragliche Regelung zu einer unzulässigen Kündigungserschwernis des Handelsvertreters nach § 89 Abs. 2 S. 1 HGB führte. Vertragliche Regelungen, die eine Kündigung des Handelsvertretervertrages durch den Handelsvertreter erschweren, beschäftigen immer wieder die Gerichte. In dem nun vom Oberlandesgericht München zu entscheidenden Fall sollte der Handelsvertreter unmittelbar nach Ausspruch der Kündigung seinen Anspruch auf diverse Provisionsbestandteile sowie einen Bürokostenzuschuss verlieren. Das Oberlandesgericht München stellte fest, dass dem Handelsvertreter so ca. 97 % seiner Einnahmen entgingen, er zugleich aber bis zur Beendigung des Vertrages weiter uneingeschränkt verpflichtet blieb. Dies hielt das Oberlandesgericht München auch in Anbetracht einer vergleichsweise kurzen Kündigungsfrist von nur drei Monaten für unangemessen. Die Regelung war daher nach § 89 Abs. 2 S. 1 HGB i. V. m. §134 BGB nichtig.

Dieser Artikel ist Teil des "Update Commercial 2025". Alle Beiträge und den gesamten Report als PDF finden Sie hier.