News

Grenzen­lose Arbeit­nehmer­über­lassung?

22.10.2024

Die Bundesagentur für Arbeit („BA“) hat zum 15.10.2024 die aktualisierten Fachlichen Weisungen zum AÜG („FW AÜG“) veröffentlicht. Diese enthalten eine besonders brisante Neuerung: Die BA geht neuerdings davon aus, dass eine (illegale) Arbeitnehmerüberlassung auch dann droht, wenn die Arbeitnehmer des Auftragnehmers ausschließlich im Ausland tätig sind.

Unternehmen müssen daher dringend ihre Beauftragungen im Ausland prüfen, da nunmehr auch in diesen Fällen die Rechtsfolgen der illegalen Arbeitnehmerüberlassung drohen.

I. Fachliche Weisungen

Bei den FW AÜG handelt es sich um eine behördeninterne Weisung. Dennoch kommt den FW AÜG in der Praxis eine erhebliche Bedeutung zu. Denn neben dem Zoll ist die BA für die Kontrolle des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) zuständig. Die FW AÜG geben Aufschluss darüber, wie die BA zentrale Vorschriften des AÜG auslegt. Dieser Maßstab wird auch bei den Betriebsprüfungen angewendet.

II. Überschreitung des Territorialprinzips

1. Bisherige Auslegung

Bislang galt, dass die Zusammenarbeit mit Auftragnehmern und deren Mitarbeitern, Agenturen und Employer of Record (EOR) dann nicht dem Anwendungsbereich des AÜG unterfiel, wenn die Arbeitnehmer ausschließlich im Ausland tätig wurden und der Vertragspartner ebenfalls im Ausland saß. Dies basierte auf dem sog. Territorialprinzip, wonach das AÜG nur dort anwendbar ist, wo der deutsche Gesetzgeber auch die Hoheitsmacht zur Rechtssetzung hat. Diese beschränkt sich auf das deutsche Hoheitsgebiet.

Der Geltungsbereich des AÜG ist hiervon ausgehend nur dann eröffnet, wenn ein hinreichender Inlandsbezug besteht. Dies setzte bislang voraus, dass die Arbeitnehmer des Vertragspartners zumindest in Deutschland tätig wurden, also deutschen Boden betraten.

2. Virtueller Inlandsbezug bei ortsunabhängiger Tätigkeit ausreichend

Nach der neuen Bewertung der BA soll dies nur noch dann gelten, wenn die Arbeitsleistung eine physische Präsenz an einem bestimmten Ort erfordert.

Bei ortsunabhängigen Arbeitsleistungen, wie etwa im Homeoffice, wird nun auch ein virtueller Inlandsbezug als ausreichend angesehen. Die physische Präsenz in den Betrieben bzw. dem Unternehmen ist daher nicht mehr erforderlich.

Diese Abkehr vom physischen Territorialprinzip begründet die BA mit dem vermeintlich erforderlichen Schutz des Teilarbeitsmarkts Arbeitnehmerüberlassung, der nach Auffassung der BA gefährdet wäre, würden in Deutschland ansässige Unternehmen Auftragnehmer im Ausland statt im Inland beauftragen.

Beispiel: In der Konsequenz wäre auch für die Tätigkeit eines Programmierers, der beispielsweise in Indien tätig wird und für das deutsche Unternehmen virtuell gemeinsam mit dessen Arbeitnehmern arbeitet, eine Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis erforderlich.

Wie absurd diese Auffassung ist, zeigt sich dann auch daran, dass Auftragnehmer außerhalb der EU/EWR nicht einmal eine Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis beantragen können.

3. Überschreitung des Territorialprinzips

Mit ihren neuen FW AÜG spricht die BA dem AÜG einen globalen Geltungsanspruch zu. Eine gesetzliche Grundlage hierfür fehlt. Wenn die BA dies mit dem Schutz des Teilarbeitsmarkts Arbeitnehmerüberlassung begründet, lässt dies eher auf die Sorge vor Kontrollverlust schließen als auf einen gesetzlichen Auftrag oder ein praktisches Bedürfnis.

III. Folgen für die Praxis

Die neue Auffassung der BA birgt jedenfalls bis auf Weiteres auch in den bislang sicheren Fällen ein Risiko für die beteiligten Unternehmen. Ganze Geschäftsmodelle wie der Employer of Record werden hierdurch massiv in Frage gestellt. Denn erfolgt eine nach deutschem Recht zu beurteilende Arbeitnehmerüberlassung ohne die notwendige Erlaubnis, drohen dem Einsatzunternehmen zum einen ein Bußgeld von bis zu EUR 30.000 je Einzelfall. Zum anderen kann zwischen deutschem Einsatzunternehmen und ausländischem Arbeitnehmer ein Arbeitsverhältnis fingiert werden.

Für den ausländischen Vertragspartner des deutschen Einsatzunternehmens dürften die Rechtsfolgen indes gering sein. Denn dass deutsche Behörden gegen die ausländischen Vertragspartner vorgehen, dürfte in der Praxis eher unwahrscheinlich sein.

IV. Fazit

Die BA schießt mit ihren neuen FW AÜG über das Ziel hinaus. Es entsteht der Eindruck, dass gerade in wirtschaftlich herausfordernden Zeiten und vor dem Hintergrund des massiven Fachkräftemangels strategisch nicht nachvollziehbare Ziele ohne hinreichende gesetzliche Grundlage verfolgt werden.

Um künftig die erheblichen Chancen, die die Beschäftigung von Fachkräften im Ausland bieten, rechtskonform zu nutzen, bedarf es nun einer detaillierteren Prüfung der Beauftragung Externer auch im Ausland. Der Umstand, dass der Externe physisch nicht in Deutschland tätig wird, wird jedenfalls vorerst nicht mehr ausreichen, um auf der sicheren Seite zu sein.

Sicherheit lässt sich nur mit einem effizienten Compliance-System herstellen, das zugleich Haftungsrisiken erheblich reduziert. Ein Baustein hierfür stellt unsere Legal Tech-Lösung "Noerr Contractor Compliance Check" dar, die Unternehmen bei der Beauftragung und dem Einsatz von Fremdpersonal unterstützt. Das Tool integriert alle dafür notwendigen Prozesse für den effizienten und rechtssicheren Einkauf von Fremdpersonal in einer Plattform. Für weiterführende Informationen besuchen Sie gerne unsere Website.

Wenn Sie das Thema mit Interesse verfolgen, wählen Sie sich gerne zu unserem Quartalsupdate Fremdpersonaleinsatz - Webinar am 30. Oktober 2024 an. Wir freuen uns auf Ihre Teilnahme.

Beschäftigen Sie Fachkräfte im Ausland und wollen die Gefahr einer unbewussten illegalen Arbeitnehmerüberlassung vermeiden? Kommen Sie gerne zu uns!