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Franchise-Update: Die wichtigsten Entscheidungen im Jahr 2023

04.03.2024

In Deutschland sind Urteile, die sich speziell mit dem Franchiserecht befassen, selten. Im Jahr 2023 ergingen jedoch gleich drei Entscheidungen mit franchiserechtlichem Bezug. Vor dem OLG München war erneut ein einstweiliges Verfügungsverfahren einer bekannten Schnellrestaurantkette anhängig. Gegenstand des Rechtsstreits war die Frage, ob Kartenzahlungen in Schnellrestaurants durch die Erbin des Franchisenehmers ermöglicht werden müssen. Dabei ging das Gericht auf die Wirksamkeit von Systemanpassungsklauseln in Franchiseverträgen ein. Das KG Berlin hatte über die Wirksamkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung mit einem Franchisenehmer, der Existenzgründer ist, zu entscheiden. Gegenstand der Entscheidung des LG Darmstadt war eine Schlichtungsklausel in einem Franchisevertrag. Im Einzelnen:

Urteil des OLG München v. 8.2.2023 – 7 U 8606/21 zur Wirksamkeit einer Systemanpassungsklausel

Die Franchisegeberin betreibt eine Schnellrestaurantkette und ging im einstweiligen Verfügungsverfahren gegen die Erbin eines Franchisenehmers vor, der mehrere Schnellrestaurants betrieb. Zwischen den Parteien war streitig, wer zur Führung der Schnellrestaurants berechtigt ist. Die faktische Leitung der Schnellrestaurants hatte die Erbin übernommen. Damit die Einnahmen direkt ihr zufließen, hatte sie an den meisten Kassen und Selbstbedienungsterminals der Schnellrestaurants die Kartenlesegeräte abbauen bzw. durch Überkleben der Kartenschlitze unbrauchbar machen lassen. Daraufhin beantragte die Franchisegeberin, die Erbin zu verpflichten, Kartenzahlungen für Kunden im Schnellrestaurant zu ermöglichen.

Das OLG München entschied zugunsten der Franchisegeberin:

  • Zunächst stellt das OLG München das Rechtsverhältnis zwischen den Parteien klar. Trotz des Todes des Franchisenehmers bestehen die Franchiseverträge fort. Die Erbin ist jedoch nicht Franchisenehmerin geworden, da der Eintritt der Erbin in die Franchiseverträge von der Zustimmung der Franchisegeberin abhängt, die diese verweigert. Das Rechtsverhältnis befindet sich daher in einem Schwebezustand. Diesen Schwebezustand vergleicht das OLG München mit einem vorvertraglichen Schuldverhältnis (§ 311 Abs. 2 BGB), auf das die Regelungen der Franchiseverträge anzuwenden sind.
  • Im Anschluss weist das OLG München darauf hin, dass die Erbin nach den Regelungen der Franchiseverträge verpflichtet ist, in den Schnellrestaurants uneingeschränkt, d.h. an allen Kassen und Selbstbedienungssäulen die unbare Zahlung zu ermöglichen. Anderenfalls drohen Imageeinbußen der Franchisegeberin. Gerade jüngere Kunden setzen die Möglichkeit der Kartenzahlung als selbstverständlich voraus.
  • Über diese Systemanpassungsklausel war die Franchisegeberin berechtigt, die Systemstandards der Schnellrestaurantkette festzulegen und vorzugeben, dass bargeldlose Zahlungssysteme zur Verfügung stehen müssen.
  • Die Systemanpassungsklausel ist auch wirksam und benachteiligt die Erbin des Franchisenehmers nicht unangemessen (§ 307 BGB). Die Bindung des Franchisenehmers an den Systemstandard ist ein Wesenselement des Franchisesystems, ohne das das System nicht funktionieren könnte. Dazu gehört auch die Möglichkeit von Systemänderungen. Das Vorsehen von Änderungen der Standards durch die Franchisegeberin entspricht daher den wesentlichen Grundgedanken des Franchiserechts (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB). Dass die Franchisegeberin dieses einseitige Leistungsbestimmungsrecht nur nach billigem Ermessen ausüben darf (§ 315 BGB), kommt in der Vertragsklausel hinreichend dadurch zum Ausdruck, dass auf die Interessen des Franchisenehmers und auf die Grundsätze von Treu und Glauben verwiesen wird.

Urteil des KG Berlin v. 24.5.2023 – 26 U 78/21 zur Wirksamkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung mit Existenzgründer

Das KG Berlin hatte über die Frage zu entscheiden, ob Gerichtsstandsvereinbarungen mit Franchisenehmern, die Existenzgründer sind, wirksam sind. In dem Franchisevertrag war folgende Gerichtsstandsvereinbarung enthalten: „Für alle aus oder im Zusammenhang mit diesem Franchisevertrag entstehenden Auseinandersetzungen vereinbaren die Parteien die ausschließliche Zuständigkeit des Landgerichts am Sitz des Franchisegebers.“ Das KG Berlin bejahte die Wirksamkeit der vorbenannten Gerichtsstandsvereinbarung, hob damit die Entscheidung der Vorinstanz (LG Berlin, Urt. v. 31.05.2021 – 10 O 107/ 19) auf und schloss sich der wohl herrschenden Ansicht in der Literatur an.

Die Wirksamkeit begründete das KG Berlin wie folgt:

  • Eine Gerichtsstandsvereinbarung im Sinne von § 38 ZPO kann auch wirksam in dem Vertrag geschlossen werden, der die dafür erforderliche Kaufmannseigenschaft erst begründet. Nicht erforderlich ist, dass die Partei bei Abschluss der Gerichtsstandsvereinbarung bereits Kaufmann ist. § 38 ZPO ist auch auf Kaufleute im Existenzgründungsstadium anzuwenden.
  • Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Wortlaut der prozessrechtlichen Norm (§ 38 ZPO). Diese spricht von „Kaufleuten“. Da dieser Begriff im Prozessrecht nicht definiert ist, ist auf den Begriff des „Kaufmanns“ im Handelsrecht zurückzugreifen (§ 1 HGB). Beide Begriffe sind einheitlich auszulegen.
  • In § 1 Abs. 1 HGB heißt es: „Kaufmann im Sinne dieses Gesetzbuchs ist, wer ein Handelsgewerbe betreibt.“ Als „Betrieb“ eines Handelsgewerbes ist allemal der Abschluss des maßgeblichen, die gewerbliche Tätigkeit begründenden Vertrages – hier des Franchisevertrages – anzusehen. Damit bringt der Franchisenehmer gegenüber einem Dritten im zivilrechtlichen Rechtsverkehr zum Ausdruck, fortan ein Handelsgewerbe zu betreiben. Es wäre unverständlich, wollte man den entscheidenden unternehmerischen Gründungsakt noch als privatrechtlich, jedes sich da- ran anschließende weitere Handeln jedoch als – dann fraglos – kaufmännisch ansehen.
  • Etwas Gegenteiliges folge auch nicht aus dem Gesichtspunkt des Verbraucherschutzes: Wer sich für eine bestimmte gewerbliche oder selbstständige berufliche Tätigkeit entscheidet und Geschäfte, die auf die Aufnahme der unternehmerischen Tätigkeit abzielen, abschließt, begibt sich in den „schärferen Wind“ des unternehmerischen Geschäftsverkehrs. Er kann im Verhältnis zu seinen zukünftigen Geschäftspartnern und eventuell auch Konkurrenten nicht noch den „Schutz“ der Verbrauchersphäre in Anspruch nehmen. Vor allem derjenige, der ein Unternehmen erwirbt oder einen Handelsvertreter- oder Franchisevertrag abschließt, um auf dieser Basis in Zukunft unternehmerisch tätig zu werden, kann für dieses „Startgeschäft“ nicht den Verbraucherschutz in Anspruch nehmen.

Urteil des LG Darmstadt, v. 25.5.2023 – 7 O 8/22 zur Schlichtungsklausel

Das Landgericht Darmstadt wies die Klage einer Franchisegeberin gegen die Franchisenehmerin auf Zahlung von u.a. ausstehenden Franchisegebühren als unzulässig zurück. Zur Begründung verwies das LG Darmstadt auf die im Franchisevertrag enthaltene Schlichtungsklausel. Diese lautete:

„§ 22 Schlichtung: Für den Fall von Streitigkeiten vereinbaren die Vertragspartner, sich vor der Anrufung eines Gerichts zwei Monate ernsthaft um eine Einigung zu bemühen (Schlichtung). Dieser Zeitraum beginnt mit der schriftlichen Aufforderung des ersten Vertragspartners an den zweiten Vertragspartner, die Schlichtung durchzuführen. Die Schlichtung gilt als beendet, wenn dieser Zeitraum ohne die Einigung in den betreffenden Streitfragen verstrichen ist, wenn der zweite Vertragspartner die Schlichtung ausdrücklich ablehnt oder wenn der zweite Vertragspartner innerhalb von 14 Tagen auf die schriftliche Aufforderung nicht reagiert. Die Anrufung eines Gerichts vor Durchführung und vor Beendigung der Schlichtung ist nicht zulässig. Das gilt nicht für den einstweiligen Rechtsschutz und nicht für die Geltendmachung von vertraglichen Zahlungsansprüchen des Franchisegebers.“

Danach hätte vor Anrufung des Gerichts eine Schlichtung durchgeführt werden müssen. Der Begriff und die Bedeutung einer Schlichtung setzten zwingend die Einschaltung einer neutralen, dritten Person voraus. Bloß vorgeschaltete Verhandlungen oder Gespräche zwischen den Parteien seien nicht ausreichend. Auch bedürfe es einer ausdrücklichen vorprozessualen Aufforderung der Franchisegeberin zur Schlichtung.

Die Franchisegeberin könne sich auch nicht auf die vertragliche Ausschlussklausel berufen, wonach die Schlichtungsklausel nicht für die Geltendmachung vertraglicher Zahlungsansprüche der Franchisegeberin gelte. Die Ausschlussklausel verletze die Waffengleichheit der Parteien, da allein der Franchisenehmerin eine zusätzliche Hürde für die gerichtliche Geltendmachung ihrer Ansprüche auferlegt werde. Ein berechtigtes Interesse der Franchisegeberin an dieser Ausnahme sei nicht ersichtlich. Die Klausel war daher gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam.

Ausblick

Das Urteil des OLG München bestätigt die Wirksamkeit von Systemanpassungsklauseln in Franchiseverträgen und zeigt, dass Franchisegeber Systemstandards verbindlich vorgeben dürfen, solange die Interessen der Franchisenehmer ausreichend gewahrt bleiben.

Die Entscheidungen des KG Berlin und des LG Darmstadt zeigen dagegen, dass bei der Vereinbarung von Gerichtsstandsvereinbarungen und Schlichtungsklauseln in Franchiseverträgen stets Vorsicht geboten ist. Zwar schafft das Urteil des KG Berlin nunmehr Klarheit für Gerichtsstandsvereinbarungen mit Existenzgründern, welche die örtliche Zuständigkeit des LG Berlin vorsehen. Da eine Entscheidung des BGH jedoch noch aussteht, ist bei Gerichtsstandsvereinbarungen mit Franchisenehmern, die Existenzgründer sind, weiterhin Vorsicht geboten.

 

Dieser Artikel ist Teil des "Update Commercial 2024". Alle Beiträge und den gesamten Report als PDF finden Sie hier.