EU-Verpackungsverordnung: Einheitlicher Rechtsrahmen für Verpackungen – neue Herausforderungen für Marktteilnehmer
Am gestrigen Mittwoch, den 24.04.2024, hat das Europäische Parlament die neue Verordnung über Verpackungen und Verpackungsabfälle verabschiedet, womit sich ein langer Rechtsetzungsprozess dem Ende zuneigt. Die noch ausstehende Verabschiedung durch den Rat der Europäischen Union ist nach der politischen Einigung über die Verpackungsverordnung im Trilogverfahren im Juni zu erwarten. Die Verpackungsverordnung wird sodann 18 Monate nach Veröffentlichung im Amtsblatt und Inkrafttreten – also wohl Ende des Jahres 2025 bzw. Anfang des Jahres 2026 – EU-weit gelten. Wie bereits bei der Batterieverordnung greift der EU-Gesetzgeber auch bei der neuen Verpackungsverordnung vermehrt auf das Instrument delegierter Rechtsakte zurück, die erhebliche Auswirkungen auf den zeitlichen Geltungsbeginn der betroffenen Regelungsinhalte und deren inhaltliche Reichweite haben werden. Es muss also für jede Regelung im Einzelfall geprüft werden, ob und inwieweit sie bereits gilt.
Auch inhaltlich enthält die Verordnung zahlreiche neue oder weitergehende Vorschriften als der bisherige Rechtsrahmen der Verpackungsrichtlinie 94/62/EG, welche in Deutschland im Wesentlichen durch das Verpackungsgesetz umgesetzt wurde, vorgesehen hatte. Im Folgenden sollen einige Schlaglichter auf die für die Praxis wichtigen Regelungen der neuen Verpackungsverordnung geworfen werden.
I. Nachhaltigkeits- und Designanforderungen an Verpackungen
Mit der Verpackungsverordnung sieht die EU Vorgaben zur Nachhaltigkeit und dem Design von Verpackungen vor, die über die bisherigen Anforderungen an die Gestaltung von Verpackungen hinausgehen. Nach dem neuen Rechtsrahmen müssen Verpackungen künftig recyclingfähig sein. Dafür müssen Verpackungen so gestaltet sein, dass der Verpackungsabfall eine solche Qualität hat, dass er in der weiteren stofflichen Verwertung im Vergleich zu den Ausgangsstoffen Primärrohstoffe ersetzen kann. Außerdem müssen Verpackungen so gestaltet sein, dass sie trennbar sind, ohne die Recyclingfähigkeit anderer Abfallströme zu beeinträchtigen und das Recycling in großem Umfang gewährleisten. Darüber hinaus legt die Verordnung Mindestrezyklatanteile in Kunststoffverpackungen fest. Ebenfalls sind Verpackungen so zu gestalten, dass ihr Gewicht und ihr Volumen auf das zur Gewährleistung ihrer Funktionsfähigkeit erforderliche Mindestmaß reduziert werden. Verpackungen, die nicht erforderlich sind und Verpackungen mit Eigenschaften, die lediglich darauf abzielen, das wahrgenommene Volumen des Produkts zu vergrößern, dürfen nunmehr nicht in Verkehr gebracht werden. Zudem gibt es für bestimmte Verpackungsarten Anforderungen an die Kompostierbarkeit.
Zusätzlich enthält die neue Verordnung Vorgaben zur Verwendung von bestimmten Stoffkategorien, welche teilweise die Vorgängerregelungen aufgreifen, diese aber größtenteils verschärfen. Insbesondere sieht die Verpackungsverordnung vor, dass die Verwendung und die Konzentration bedenklicher Stoffe in Verpackungsmaterial oder Verpackungsbestandteilen bei der Herstellung auf ein Mindestmaß beschränkt werden. So dürfen bestimmte bedenkliche Stoffe wie Blei, Cadmium, Quecksilber und sechswertiger Chrom aus Stoffen in Verpackungen oder Verpackungsbestandteilen 100 mg/kg nicht überschreiten. Ähnliche Regelungen sind für die Verwendung per- und polyfluorierter Alkylsubstanzen in Verpackungen, die mit Lebensmitteln in Berührung kommen sowie von biobasierten Rohstoffen in Kunststoffverpackungen vorgesehen.
II. Kennzeichnungs- und Informationsanforderungen
Zu den Design- und Nachhaltigkeitsanforderungen treten Kennzeichnungs- und Informationsanforderungen für Verpackungen. So müssen künftig Verpackungen mit einem Etikett versehen werden, das Angaben über die Materialzusammensetzung der Verpackung enthält, um eine verbesserte Mülltrennung durch den Verbraucher zu ermöglichen. Zusätzlich dazu soll es möglich sein, Informationen über die Bestimmung jedes einzelnen Bestandteils der Verpackung über einen QR-Code oder eine andere Art von digitalem Datenträger auf der Verpackung zur Verfügung zu stellen. Mit delegierten Rechtsakten wird zudem ein EU-weit harmonisiertes Etikett eingeführt werden, das zusätzlich zu nationalen Etiketten auf Verpackungen angebracht werden kann, die unter Pfand- und Rücknahmesysteme fallen.
Besondere Kennzeichnungspflichten können auch Verwender von wiederverwendbaren Verpackungen treffen. In diesem Fall sind die Verbraucher mit Informationen zur Wiederverwendbarkeit wie bspw. der Verfügbarkeit von Wiederverwendungssystemen oder Sammelstellen auszustatten. Auch hier kann auf einen QR-Code oder einen anderen standardisierten und offenen digitalen Datenträger zurückgegriffen werden, der die Nachverfolgung der Verpackung ermöglicht.
III. Pflichten für Erzeuger, Lieferanten und Fulfilment-Dienstleister
Die Verordnung führt dezidierte Nachweis- und Konformitätspflichten für alle Marktteilnehmer entlang des Lebenszyklus einer Verpackung ein und transformiert so auch das Verpackungsrecht, wie schon das Batterierecht, von einer abfallrechtlichen zu einer umfassenden Produktregulierung.
So haben Erzeuger von Verpackungen die oben genannten Pflichten zur Gestaltung und Kennzeichnung von Verpackungen ab deren Geltung zu erfüllen, wenn Sie diese in Verkehr bringen. Um nachzuweisen, dass die Marktteilnehmer mit den Vorgaben der Verpackungsverordnung konform sind, müssen sie eine Konformitätserklärung abgeben. Lieferanten der Erzeuger haben den Erzeugern alle Informationen und Unterlagen auszuhändigen, die der Erzeuger benötigt, um die Einhaltung der Regelungen zu den Verpackungen und des Verpackungsmaterials nachweisen zu können. Importeure, die Verpackungen in Verkehr bringen, müssen ebenfalls sicherstellen, dass die von ihnen eingeführten Verpackungen den Anforderungen der Verordnung entsprechen.
Davon zu unterscheiden sind Vertreiber und Fulfilment-Dienstleister. Vertreiber müssen jedenfalls überprüfen, ob die Erzeuger der Produkte, die sie vertreiben, den Anforderungen ebenfalls entsprechen. Fulfilment-Dienstleister müssen dagegen nur gewährleisten, dass sie mit ihrer Dienstleistung die Konformität der Verpackungen, die sie handhaben, nicht beeinträchtigen. Darüber hinaus trifft sie eine Prüfobliegenheit, ob die vom Erzeuger zur Verfügung gestellten Informationen zutreffend sind.
IV. Wiederverwendung und Wiederbefüllung
Aus der Verpackungsverordnung ergeben sich des Weiteren Wiederverwendungs- und Wiederbefüllungspflichten für Verpackungen. Dabei haben beispielsweise Endvertreiber bestimmter Verpackungsgruppen eine definierte Prozentzahl von Getränken in wiederverwendbaren Verpackungen im Rahmen eines Wiederverwendungssystems oder mit der Möglichkeit der Wiederbefüllung, sprich Mehrwegverpackung, bereitzustellen. Der Anteil an Verpackungen, die wiederbefüllbar sein müssen, steigt dabei im Laufe der Zeit an und unterscheidet sich hinsichtlich verschiedener Getränkesegmente. So gilt beispielsweise für Endvertreiber von bestimmten alkoholischen und nichtalkoholischen Produkten eine Wiederverwendungsquote von 10% ab dem 01. Januar 2030 und erhöht sich auf 40 Prozent ab dem 01. Januar 2040. Ähnliche Regelungen finden sich bspw. für Transport- und Verkaufsverpackungen oder Kisten. Dabei stellt der europäische Gesetzgeber den Mitgliedstaaten frei ein Poolingsystem für die Marktteilnehmer beim Erreichen dieser Quoten zu ermöglichen. Besondere Wiederverwendungs- und Wiederbefüllungspflichten gelten künftig auch im Restaurant und insbesondere To-Go-Bereich.
V. Pfandsysteme
Auf europäischer Ebene neu sieht die Verordnung nun für die gesamte EU ein in Deutschland bereits bekanntes Pfandsystem- und Rücknahmesystem für Einweggetränkeflaschen aus Kunststoff von 0,1 bis zu drei Litern und für Einweggetränkebehälter aus Metall und Aluminium von 0,1 bis zu drei Litern vor. Die Mitgliedstaaten können auch Glas in die Pfand- und Rücknahmesysteme einbeziehen und sollen sicherstellen, dass Pfand- und Rücknahmesysteme für Einwegverpackungen, insbesondere für Einweggetränkeflaschen aus Glas, soweit technisch und wirtschaftlich machbar, gleichermaßen für wiederverwendbare Verpackungen verfügbar sind.
VI. Erweiterte Herstellerverantwortung
Auch in der Verpackungsverordnung findet sich – wie bereits aus der Batterieverordnung sowie der Richtlinie über Elektro- und Elektronik-Altgeräte (WEEE) bekannt und in Deutschland auch bereits für Verpackungen im Verpackungsgesetz geregelt – eine (weitere) Verlagerung zu einer größeren Verantwortung der Hersteller im Rahmen der Wertschöpfungskette wieder. Wichtig ist hierbei, die Begriffe Hersteller“ und den bereits genannten „Erzeuger“ zu trennen: So können Erzeuger, aber auch Importeure oder Vertreiber, Hersteller iSd Verpackungsverordnung sein.
Für diese Hersteller von Verpackungen gilt zukünftig EU-weit, dass sie sich in ein durch die Mitgliedstaaten bereitgestelltes Herstellerregister einzutragen haben und eine erweiterte Herstellerverantwortung für die Verpackungen oder verpackten Produkte, die sie erstmals auf dem Markt eines Mitgliedstaates bereitstellen, tragen. In diesem Rahmen dieser Regelung werden auch wiederum Online-Plattformen, wie auch schon aus der Batterieverordnung, dem deutschen ElektroG und dem VerpackG bekannt, Prüfpflichten bzgl. dieser Registrierung der Hersteller auferlegt.
VII. Greenwashing
Zusätzlich flankiert die Verordnung die Greenwashing Initiativen der Europäischen Union (z.B. die Green Claims Richtlinie), indem sie spezielle Regelungen zu Umweltaussagen mit Bezug auf Verpackungen regelt. Danach dürfen Aussagen in Bezug auf Verpackungseigenschaften nur dann gemacht werden, wenn die Eigenschaften über die in der Verordnung festgelegten Mindestanforderungen hinausgehen und in der Aussage angegeben wird, ob sich die Aussage nur auf einen Teil, die gesamte Verpackungseinheit oder auf alle vom Hersteller in Verkehr gebrachte Verpackungen bezieht.
VIII. Fazit
Diese kurzen Schlaglichter zeigen bereits, dass auf alle Marktakteure rund um den Lebenszyklus der Verpackung neue, weitreichende Pflichten durch die Verpackungsverordnung zukommen. Deren exakte Ausgestaltung mancher Regelungen bleibt in vielerlei Hinsicht bis zum Erlass der delegierten Rechtsakte noch skizzenhaft, wirft aber bereits jetzt ihre Schatten voraus. Für die betroffenen Unternehmen, gleich ob Erzeuger, Lieferant, Vertreiber, Online-Plattform-Betreiber oder Fulfilment-Dienstleister, heißt dies aber bereits jetzt, dass sie ihre bisherigen Prozesse, Produktion und Beschaffung sorgfältig prüfen und die Einhaltung der neuen Rechtsvorschriften frühzeitig absichern sollten.