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BGH: Werbung mit dem pauschalen Hinweis „klimaneutral“ ist irreführend

27.06.2024

Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 27.06.2024 über die Zulässigkeit von Werbung mit dem Begriff „klimaneutral“ entschieden (Aktenzeichen I ZR 98/23).

1. Hintergrund

Werbeaussagen, mit denen Unternehmen ihre Produkte etwa als „klimaneutral“, „CO2-neutral“ oder „100 % CO2-kompensiert“ anpreisen, haben in der Vergangenheit verschiedentlich die Instanzgerichte beschäftigt. Eine einheitliche Rechtsprechung hat sich dabei jedoch nicht herausgebildet. Hinzukommt, dass kürzlich auch der europäische Gesetzgeber aktiv geworden ist. Mit der Anfang 2024 beschlossenen „Richtlinie zur Stärkung der Verbraucher für den ökologischen Wandel“ (kurz „EmpCo“-Richtlinie) sollen – so das EU-Parlament – Verbraucher vor irreführenden Marketingpraktiken im Bereich der Nachhaltigkeitswerbung geschützt und somit eine transparentere Kaufentscheidung ermöglicht werden (vgl. Bericht hier). Die gleiche Stoßrichtung hat die noch nicht verabschiedete „Green Claims“-Richtlinie, die dem Greenwashing und dem Wildwuchs von Nachhaltigkeitsiegeln Einhalt gebieten soll (vgl. Bericht hier).

2. Entscheidung des Bundesgerichtshofs

Die Klägerin, ein Verbraucherverband, beanstandete die von der Beklagten, einer Süßwarenherstellerin, in einer Fachzeitung der Lebensmittelbranche veröffentlichte Werbeaussage

„Seit 2021 produziert […] alle Produkte klimaneutral“

sowie das Logo

Logo_Klimaneutral

als irreführend.

Unstreitig war dabei, dass die Herstellung der Produkte der Beklagten nicht CO2-neutral erfolgt, sie aber verschiedene Klimaschutzprojekte unterstützt.

Das Landgericht Kleve hatte die Klage mit Urteil vom 22.06.2022, Aktenzeichen 8 O 44/21, abgewiesen. Ebenso wies das Oberlandesgericht Düsseldorf mit Urteil vom 06.07.2023, Aktenzeichen I-20 U 152/22, die Berufung zurück.

Die Revision der Klägerin hat nun Erfolg: Der Bundesgerichtshof gibt der Klage statt und verurteilt die Beklagte zur Unterlassung der Werbung und Erstattung vorgerichtlicher Abmahnkosten.

Anders als die Vorinstanz kommt der Bundesgerichtshof zu dem Ergebnis, dass die beanstandete Werbung irreführend im Sinne von § 5 Abs. 1 UWG sei. Zur Begründung stellt der Bundesgerichtshof zunächst darauf ab, dass die Werbung mehrdeutig sei. Denn der Begriff „klimaneutral“ könne von den Lesern der Fachzeitung (ebenso wie von Verbrauchern) sowohl im Sinne einer Reduktion von CO2 im Produktionsprozess als auch im Sinne einer bloßen Kompensation von CO2 verstanden werden.

Der Bundesgerichtshof orientiert sich sodann an seiner Rechtsprechung zu gesundheitsbezogener Werbung und betont, dass auch im Bereich der umweltbezogenen Werbung eine Irreführungsgefahr besonders groß sei und ein gesteigertes Aufklärungsbedürfnis der angesprochenen Verkehrskreise über Bedeutung und Inhalt der verwendeten Begriffe und Zeichen bestehe. Daher müsse bei einer Werbung mit einem mehrdeutigen umweltbezogenen Begriff wie „klimaneutral“ regelmäßig bereits in der Werbung selbst erläutert werden, welche konkrete Bedeutung maßgeblich ist. Aufklärende Hinweise außerhalb der umweltbezogenen Werbung seien dagegen nicht ausreichend. Im konkreten Fall sei eine Erläuterung des Begriffs „klimaneutral“ insbesondere deshalb erforderlich gewesen, weil die Reduktion und die Kompensation von CO2-Emissionen keine gleichwertigen Maßnahmen zur Herstellung von Klimaneutralität darstellen, sondern die Reduktion gegenüber der Kompensation unter dem Gesichtspunkt des Klimaschutzes vorrangig sei.

3. Ausblick

Das Urteil des Bundesgerichtshofs zeigt einmal mehr, dass für Werbung mit umweltbezogenen Aussagen ein strenger Maßstab gilt. So sind die Erwägungen zum hier streitgegenständlichen Begriff „klimaneutral“ auch auf andere häufig verwendete Green Claims, zum Beispiel „klimafreundlich“ oder „CO2-neutral“, übertragbar. Klarheit besteht aber jetzt dahin, dass der Werbende in der Werbung selbst darüber aufklären muss, aus welchen Gründen das beworbene Produkt klimaneutral sein soll. Er darf nicht darauf vertrauen, dass die angesprochenen Verbraucher wissen, dass sich „klimaneutral“ auf die CO2-Reduktion im Produktionsprozess oder aber auf Kompensationsmaßnahmen beziehen kann.

Noch strenger werden die Rahmenbedingungen für Unternehmen voraussichtlich nach den Vorgaben der noch umzusetzenden „EmpCo“-Richtlinie werden. Denn danach darf zukünftig mit der Aussage „klimaneutral“ nur noch geworben werden, wenn die positiven Umweltauswirkungen eben nicht auf Kompensationen von Treibhausgasen beruhen, sondern sich auf solche innerhalb der Wertschöpfungskette des Produkts beziehen.