Barrierefreiheit im E-Commerce: Neue Pflichten für Online-Shop-Betreiber ab Juni 2025
Am 28. Juni 2025 tritt das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) in Kraft, das EU-Vorgaben zur Barrierefreiheit im digitalen Raum umsetzt. Das Gesetz hat weitreichende Auswirkungen für Betreiber von Online-Shops und andere Erbringer von Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr. In ihrem aktuellen Beitrag beleuchten Dr. Tom Billing und Dr. Fernanda Bremenkamp die neuen Anforderungen und die praktische Umsetzung der Bestimmungen genauer.
Warum Barrierefreiheit?
Der Fokus des BFSG liegt darauf, Menschen mit Behinderungen einen besseren Zugang zum digitalen Raum zu ermöglichen. Es zielt darauf ab, Barrieren abzubauen, um eine inklusivere Gesellschaft zu fördern. Unternehmen, die diese Anforderungen nicht umsetzen, riskieren nicht nur rechtliche Konsequenzen, sondern verpassen auch die Chance, eine größere Zielgruppe zu erreichen.
Wer ist betroffen?
In den Anwendungsbereich des BFSG fallen grundsätzlich alle privaten Marktakteure, die Produkte mit digitalem Bezug oder bestimmte Dienstleistungen gegenüber Verbrauchern anbieten. Ausgenommen sind lediglich Kleinstunternehmen mit weniger als zehn Beschäftigten und einem Umsatz oder einer Bilanzsumme von höchstens zwei Millionen Euro. Auf Ebene der Dienstleistungen werden Bankdienstleistungen für Verbraucher, Telekommunikationsdienstleistungen, Personenbeförderungsdienste, E-Books und hierfür bestimmte Software ausdrücklich erfasst. In den Anwendungsbereich fallen zudem Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr. Hierzu zählen insbesondere Betreiber von Online-Shops und Online-Vermittlungsdiensten.
Pflichten und Anforderungen
Das Herzstück der neuen Regelungen liegt in den umfassenden Anforderungen an die Barrierefreiheit, die für Informationen und Dienstleistungserbringung sowohl in materieller als auch in formeller Hinsicht (in Gestaltung der Barrierefreiheitserklärung) gelten. Unternehmen müssen sicherstellen, dass ihre digitalen Angebote barrierefrei sind: Sie müssen für Menschen mit Behinderungen in üblicher Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe nutzbar sein. Dazu gehören bei Webseiten Maßnahmen wie die Bereitstellung von Alternativen für visuelle Inhalte, um auch blinden Nutzern den Zugang zu ermöglichen, und die Einrichtung von Schnittstellen für Assistenzsysteme. Die Anforderungen gelten auch für begleitende Dienstleistungen wie etwa Bezahl- und Sicherheitsfunktionen.
Technische Standards
Die praktische Umsetzung dieser Anforderungen kann in Anlehnung an die harmonisierte Europäische Norm EN 301 549 erfolgen, die einen detaillierten technischen Rahmen für die Barrierefreiheit von Informations- und Kommunikationstechnologien festlegt. Soweit die Anforderungen erfüllt werden, greift die Vermutung der Konformität mit den Barrierefreiheits-Anforderungen gemäß § 4 BFSG. Für Webinhalte stehen die Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) als Orientierung zur Verfügung, die von der EN 301 549 referenziert werden und eine Reihe an Erfolgskriterien für die Barrierefreiheit von Webseiten festsetzen. Die Norm wird aktuell überarbeitet und soll 2025 in einer aktualisierten Fassung veröffentlicht werden.
Ausblick
Barrierefreie Angebote verbessern nicht nur das Nutzererlebnis für Menschen mit Behinderungen, sondern auch für ältere und andere Nutzer, die von einer benutzerfreundlichen Gestaltung profitieren.
Um die neuen Anforderungen einzuhalten, ist eine sorgfältige Auseinandersetzung mit den Anforderungen an die Barrierefreiheit erforderlich und auch der technische Umsetzungsaufwand sollte nicht unterschätzt werden. Die Nichteinhaltung kann zu Sanktionen führen, die von Aufforderungen zur Nachbesserung bis zu Geldstrafen von bis zu 100.000 Euro je Verstoß reichen.
Dr. Tom Billing und Dr. Fernanda Bremenkamp stehen mit ihrer Expertise im Bereich Digital Business für eine umfassende Beratung und spezifische Umsetzungsfragen zur Verfügung. Eine ausführliche Auseinandersetzung mit diesen Fragestellungen finden Sie auch in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift für Vertriebsrecht, Heft 1 2015, S. 9-15. Zum BFSG allgemein sei verwiesen auf den Aufsatz unserer Kollegen Arun Kapoor und Thomas Klindt, NJW 2024, 3545.