News

Allgemeine Vertrags­gestaltung inkl. inter­nationale Verträge

Vertragsrecht im Fokus: Ein Blick auf aktuelle Entscheidungen und Gesetzesreformen

12.02.2025

Die diesjährige Übersicht behandelt die wichtigsten Entwicklungen im allgemeinen Vertragsrecht. Beleuchtet werden Gerichtsentscheidungen zu WhatsApp-Nachrichten zur Wahrung der Schriftform, zu Preisanpassungsklauseln in AGB, zum individuellen Aushandeln von Vertragsbedingungen, zu Gewährleistungsausschlüssen und dem Abbedingen der Fristsetzung beim Vertragsrücktritt. Zudem werden kommende Gesetzesänderungen, wie der Data Act und die neue EU-Produkthaftungsrichtlinie, vorgestellt.

„Ups 😬“: WhatsApp-Chat und Emoji als Einhaltung der Schriftform

Das Oberlandesgericht München (Urt. v. 11.11.2024, 19 U 200/24 e) hat die Anforderungen an die Einhaltung der Schriftform und die Rolle digitaler Kommunikation im Rahmen einer Vertragsänderung beleuchtet. Der Fall betraf die Rückabwicklung eines Kaufvertrags über einen Sportwagen aufgrund einer verzögerten Lieferung. In der Entscheidung stand die Kommunikation über WhatsApp wegen einer (vermeintlich) einvernehmlichen Verlängerung der Lieferfrist im Fokus, da der Kläger auf die Mitteilung eines späteren Liefertermins in einer WhatsApp-Nachricht mit „Ups 😬“ reagierte.

Im vorliegenden Fall hatten die Parteien für Änderungen und Ergänzungen des Vertrages die Schriftform vereinbart. Das Oberlandesgericht stellte fest, dass digitale Mitteilungen per WhatsApp grundsätzlich geeignet seien, die Anforderungen einer telekommunikativen Übermittlung (§ 127 Abs. 2 BGB) und damit eine vereinbarte Schriftform zu erfüllen, sofern sie als (Schrift-)Zeichen vorliegen und reproduzierbar sind. Damit sind nicht alle Arten von WhatsApp-Nachrichten gleichermaßen geeignet (nicht z.B. Sprachnachrichten). Weiter stellte das Oberlandesgericht klar, dass Emojis – wie jedes andere Kommunikationsmittel – auslegungsbedürftig sind. Ihre Bedeutung ist abhängig vom Kontext und kann nicht per se als Zustimmung oder Ablehnung interpretiert werden. In diesem Fall wurden das „Grimassen schneidende Gesicht“-Emoji (😬) zusammen mit dem Ausdruck „Ups“ nicht als Zustimmung zu einer Lieferzeitverlängerung gewertet. Anders sah es das Oberlandesgericht für das „Daumen hoch“-Emoji (👍), welches regelmäßig als Zustimmung interpretiert werden könne.

Das Urteil verdeutlicht die weite und entwicklungsoffene Auslegungsmöglichkeit des Gesetzesbegriffs der „telekommunikativen Übermittlung“ bei einer vereinbarten Schriftform, die eine Abgrenzung zur einfachen Textform erschwert. Unternehmen sollten daher darauf achten, die vereinbarte Schriftform konkret zu definieren, um insbesondere vertragsändernde Vereinbarungen auf hierfür vorgesehene Dokumente zu begrenzen und Missverständnisse zu vermeiden, sofern der Ausschluss bestimmter Kommunikationsmittel gewollt ist.

Anforderungen an die Wirksamkeit von Preisanpassungsklauseln

Das Kammergericht Berlin (Urt. v. 15.11.2023, Az. 23 U 15/22; Revision unter Az. III ZR 407/23 anhängig) hat die Anforderungen an Preisanpassungsklauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen („AGB“) präzisiert. Der Fall betraf eine Video-Streaming-Plattform, deren AGB eine Klausel zur einseitigen Preisanpassung auf Grundlage veränderter Kosten vorsah. Eine ausdrückliche Pflicht zur Weitergabe von Preissenkungen bei gesunkenen Kosten sah die Klausel nicht vor.

Das Kammergericht betonte, dass einseitige Preisanpassungsklauseln eine Abweichung vom Grundsatz der wechselseitigen Zustimmung darstellen und nur bei Vorliegen eines berechtigten Interesses des Verwenders zulässig sind. Hieran fehle es vorliegend, da die Streaming-Verträge mit kurzer Kündigungsfrist ausgestaltet waren und Preisanpassungen auch durch Zustimmung des Kunden eingeholt werden konnten. Ferner hob das Kammergericht das Gebot der Reziprozität hervor, das verhindert, dass der Verwender allein von Kostenreduzierungen profitiert, ohne diese an den Kunden weitergeben zu müssen. Im Sinne des Ausgleichsprinzips sei zu verhindern, dass der Verwender allein von Kostenreduzierungen profitiere. Schließlich stellte das Gericht fest, dass die Möglichkeit einer Vertragskündigung durch den Kunden diese unangemessene Benachteiligung nicht ausgleiche. Kunden würden entweder mit der Preissteigerung oder dem Aufwand der Vertragsbeendigung belastet, was der Intention des AGB-Rechts widerspreche.

Die Entscheidung, die im B2C-Bereich erging, unterstreicht die Bedeutung der ausgewogenen Gestaltung von Preisanpassungsklauseln in AGB. Unternehmen sollten darauf achten, dass Preisanpassungen nicht zu einseitigen Belastungen beim Geschäftspartner führen und die Möglichkeit zur Senkung von Preisen mitberücksichtigen. Andernfalls laufen sie Gefahr, dass die Klauseln vor Gericht als unwirksam angefochten werden können.

Anforderungen an das individuelle Aushandeln in Abgrenzung zu einseitig gestellten AGB

Das Oberlandesgericht Düsseldorf (Urt. v. 23.11.2023, 2 U 99/22) hat Vertragsstrafenklauseln in anwaltlich vorformulierten Unterlassungserklärungen als AGB eingestuft. Eine echte Individualvereinbarung lag nicht vor, da der Kern der Vertragsstrafenklausel nicht zur Disposition gestellt wurde und Streichungen in anderen Klauseln hierfür nicht ausreichend seien. Im Lichte des AGB-Rechts wurde die Vertragsstrafenklausel als unangemessen benachteiligend eingestuft, da sie jegliche Möglichkeit der Zusammenfassung von Einzelverstößen ausschließe. Der klägerische Versuch, die Klausel durch Streichung des Ausschlusses des Fortsetzungszusammenhangs zu retten („Blue-Pencil-Test“), wurde als unzulässige geltungserhaltende Reduktion bewertet.

Die Entscheidung des Oberlandesgerichts verdeutlicht, dass vor allem anwaltlich vorformulierte Bestimmungen einer AGB-Kontrolle unterliegen können. Daher ist sicherzustellen, dass ernsthafte Verhandlungen über wesentliche Vertragsbedingungen nachweisbar sind – insbesondere da die Rechtsprechung jede Klausel einzeln auf ihren Charakter als AGB prüft. Weiter mahnt die strenge Anwendung des Blue-Pencil-Tests zur Vorsicht bei der Formulierung von Standardklauseln.

Kein wirksamer Gewährleistungsausschluss bei Beschaffenheitsvereinbarung

Der Bundesgerichtshof (Urt. v. 10.04.2024, VIII ZR 161/23) hat die Abgrenzung zwischen Beschaffenheitsvereinbarung und Gewährleistungsausschluss bei Kaufverträgen konkretisiert. Im vorliegenden Fall hatte der Käufer von einem privaten Verkäufer ein fast 40 Jahre altes Fahrzeug erworben, dessen Klimaanlage als „einwandfrei funktionierend“ beschrieben wurde. Im Kaufvertrag wurde jedoch ein umfassender Ausschluss der Sachmängelhaftung vereinbart. Nach der Übernahme des Fahrzeuges zeigte sich, dass die Klimaanlage defekt war.

Der Bundesgerichtshof stellte klar, dass eine Beschaffenheitsvereinbarung über das Vorhandensein bestimmter Eigenschaften nicht durch einen allgemeinen Gewährleistungsausschluss negiert werden könne. Sie gilt damit unabhängig vom allgemeinen Gewährleistungsausschluss. Auch das hohe Alter des Fahrzeugs und typische Verschleißanfälligkeit waren für den Bundesgerichtshof nicht hinreichende Gründe, um von diesem Grundsatz abzuweichen, da andernfalls die Beschaffenheitsvereinbarung für den Käufer wertlos wäre.

Das Urteil bestätigt die bisherige Rechtsprechungslinie. Verkäufer sollten sich auch abseits von Garantieerklärungen der rechtlichen Bedeutung ihrer Zusicherungen bewusst sein, da allgemeine Gewährleistungsausschlüsse die Haftung für ausdrücklich zugesicherte Beschaffenheitsmerkmale nicht einschränken. Umgekehrt sollten Käufer klar die Eigenschaften fixieren lassen, auf die sie besonderen Wert legen.

Kein Abbedingen des Fristsetzungserfordernisses beim Rücktritt vom Vertrag

Das Oberlandesgericht Köln (Urt. v. 21.06.2024, 6 U 112/23) hat entschieden, dass eine Rücktrittserklärung ohne vorherige Fristsetzung unwirksam ist, auch wenn die AGB zu einem Liefervertrag eine Klausel enthalten, die eine verspätete Lieferung als Nichterfüllung des Vertrages definiert (absolutes Fixgeschäft). Hintergrund des Rechtsstreites war eine Rückabwicklung eines Kaufvertrags über Schutzmasken, die in einem „Open-House-Verfahren“ durch das Bundesgesundheitsministerium bezogen wurden.

Das Oberlandesgericht entschied, dass eine vollständige Freistellung von der Fristsetzungspflicht mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung nicht vereinbar sei und eine unangemessene Benachteiligung der Lieferanten darstelle. Dies führt auch im kaufmännischen Verkehr zu einer AGB-rechtlichen Unwirksamkeit der Klausel. Auch eine im Liefervertrag angegebene Lieferfrist („spätestens der 30.4.2020“) allein sei nicht ausreichend, um ein sogenanntes relatives Fixgeschäft zu begründen, bei dem die Einhaltung der Frist wesentlich für die Vertragserfüllung ist. Stattdessen liegt ein Fixgeschäft nur dann vor, wenn die Rechtzeitigkeit der Leistung derart essenziell ist, dass mit ihr das Geschäft steht und fällt.

Das Urteil verdeutlicht die strengen Anforderungen an die Gestaltung von Fixgeschäften – selbst in Ausnahmesituationen wie der Corona-Pandemie. Unternehmen sollten bei der Formulierung von AGB darauf achten, dass das Erfordernis einer Fristsetzung nicht pauschal abbedungen wird.

Ausblick auf Gesetzesreformen

Auf europäischer und nationaler Ebene gibt es die nachfolgenden Entwicklungen, die Einfluss auf die Vertragsgestaltung haben werden:

Der im September 2025 in Kraft tretende Data Act (VO (EU) 2023/2854) zielt darauf ab, klare Regeln für den Zugang zu und die Nutzung von personenbezogenen und anderen Daten, welche durch vernetzte Produkte („Internet der Dinge“ – IoT) und mit diesen verbundenen Diensten generiert werden, im B2B-Bereich festzulegen. Art. 13 des Data Act soll dabei einen Rahmen zur Klauselkontrolle geben, um missbräuchliche Vertragsklauseln zu bekämpfen, die Datenzugangs- und Nutzungsrechte unangemessen einschränken. Ähnlich dem deutschen AGB-Recht soll der Data Act das Entstehen eines unangemessenen Missverhältnisses zwischen den Vertragsparteien im Fall von einseitig gestellten Klauseln verhindern. Da die Regelungen unter bestimmten Umständen auch rückwirkend gelten, müssen Unternehmen nicht nur Neuabschlüsse prüfen, sondern ggfs. auch laufende Verträge überprüfen und anpassen.

Die neue EU-Produkthaftungsrichtlinie (RL (EU) 2024/2853) bringt erhebliche Änderungen und Pflichten für die Industrie mit sich. Sie erweitert den Anwendungsbereich auf Software, einschließlich KI, und digitale Dienste. Die Richtlinie erweitert die Rechte der Geschädigten u.a. durch eine Erweiterung der haftenden Akteure und den Verzicht auf Haftungshöchstgrenzen. Die nationalen Gesetzgeber haben bis Dezember 2026 Zeit, die Richtlinie in direkt anwendbares Recht umzusetzen.

Anknüpfend an das letztjährige Commercial Update tritt zum April 2025 das Justizstandort-Stärkungsgesetz in Kraft, auf dessen Grundlage „Commercial Courts“ eingerichtet werden können, deren Zuständigkeit durch die Parteien ab einem Streitwert von EUR 500.000 vereinbart werden kann. Zudem ermöglicht das Gesetz in allen Zivilverfahren eine Verfahrensführung auf Englisch und Maßnahmen zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen. Ebenfalls umgesetzt wurde die Reform zur erleichterten Möglichkeit von Videoverhandlungen (§ 128a ZPO). Weiterhin im europäischen Gesetzgebungsverfahren befindet sich die Verordnung zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr.

Zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses war noch nicht absehbar, ob der Gesetzesentwurf zur Modernisierung des Schiedsverfahrensrechts, der z.B. formfreie Schiedsabreden vorsieht, noch vor der vorgezogenen Bundestagswahl beschlossen werden wird.

Dieser Artikel ist Teil des "Update Commercial 2025". Alle Beiträge und den gesamten Report als PDF finden Sie hier.