Weltweiter Trend zur strengeren Überprüfung ausländischer Direktinvestitionen (FDI-Screening) hält an
Viele Industrieländer, darunter auch Deutschland und die Europäische Union, verschärfen ihre Vorschriften zur Überprüfung ausländischer Direktinvestitionen. Dies entspricht nicht nur unserer Erfahrung als Praktiker, sondern wird auch durch einen aktuellen OECD-Bericht bestätigt. Der Bericht befasst sich mit 62 Jurisdiktionen im Zeitraum zwischen dem 16. Oktober 2020 und dem 15. Oktober 2021. Er kommt zu dem Ergebnis, dass die Zahl der Regeländerungen im Bereich der investitionsbezogenen Maßnahmen so hoch ist wie nie zuvor (mit Ausnahme des Jahres 2009, als die Regierungen auf die globale Finanzkrise 2008/2009 reagierten). Die Covid-19-Pandemie wird als ein wichtiger Faktor genannt, der den Anstieg der einschlägigen politischen Entscheidungen Anfang 2020 erklärt.
Schwerpunkt der Politik: Schutz wesentlicher Sicherheitsinteressen
Der Bericht bestätigt eine hohe Sensibilität gegenüber den Risiken ausländischer Direktinvestitionen. Ihm zufolge konzentriert sich die politische Aufmerksamkeit in diesem Bereich auf erwerbs- und eigentumsbezogene Maßnahmen, insbesondere auf Investitionsprüfungsmechanismen zum Schutz wesentlicher Sicherheitsinteressen:
- Zwölf Länder haben neue erwerbs- und eigentumsbezogene Maßnahmen eingeführt (Australien, VR China, Tschechische Republik, Dänemark, Japan, Litauen, Neuseeland, Saudi-Arabien, Slowakei, Südafrika, Schweden, Vereinigtes Königreich);
- Mindestens zehn Länder haben ihre bestehenden Mechanismen reformiert (Kanada, Frankreich, Deutschland, Italien, Japan, Lettland, Litauen, Polen, Russische Föderation, Spanien);
- Mehrere andere Länder erwägen die Einführung solcher Mechanismen (u. a. Belgien, Brasilien, Chile, Estland, Irland, Luxemburg, Rumänien, Slowakei, Schweden, Schweiz, Ukraine).
Die Umstände der COVID-19-Pandemie führten Anfang und Mitte 2020 zu einem sprunghaften Anstieg der Änderungen der einschlägigen Vorschriften. Seit Dezember 2020 verweisen die Regierungen jedoch nicht mehr auf die besonderen Bedingungen der Pandemie, wenn sie neue Mechanismen einführen oder bestehende ändern.
Darüber hinaus finden sich in dem Bericht Anzeichen dafür, dass der Abfluss von Kapital, Technologie oder Know-how in Länder, die nicht als Verbündete angesehen werden, zunehmend in den Fokus der Entscheidungsträger gerät. Ebenso wird den sicherheitspolitischen Auswirkungen der internationalen Forschungszusammenarbeit und der Forschungsfinanzierung mehr Aufmerksamkeit geschenkt.
Zahlreiche Änderungen der maßgeblichen Vorschriften in Deutschland in jüngster Zeit
Deutschland ist ein Beispiel für die mehrfache Änderung der Vorschriften zur Überprüfung von ausländischen Direktinvestitionen innerhalb kurzer Zeit:
- Am 10. Juli 2020 wurde das Außenwirtschaftsgesetz („AWG“) geändert, um die Anforderungen der FDI Screening-Verordnung der Europäischen Union umzusetzen. Eine der wichtigsten Änderungen war die Einführung eines Vollzugsverbot für meldepflichtige Investitionen.
- Am 29. Oktober 2020 ist die Novelle der Außenwirtschaftsverordnung (AWV) in Kraft getreten. Mit dieser Novelle wurden weitere Anforderungen der EU-FDI-Screening-Verordnung umgesetzt.
- Am 1. Mai 2021 trat schließlich die Novelle der Außenwirtschaftsverordnung in Kraft, mit der die Liste der meldepflichtigen Sektoren und Tätigkeiten erheblich erweitert und zusätzliche Meldeschwellen für Übernahmen durch ausländische Investoren in bestimmten Sektoren eingeführt wurden (die niedrigste Meldeschwelle ist der Erwerb einer Beteiligung von 10 % der Stimmrechte an einem inländischen Unternehmen). Insbesondere wurde bestätigt, dass eine zusätzliche Meldung und eine behördliche Genehmigung erforderlich werden, wenn die Beteiligung des ausländischen Investors einen höheren Schwellenwert erreicht oder überschreitet (20 %, 25 %, 40 %, 50 % oder 75 %).
Kommentar von Noerr: Ausländische Investoren müssen besonders achtsam sein
Der OECD-Bericht unterstreicht einmal mehr die Bedeutung von FDI-Screening-Verfahren für grenzüberschreitende M&A-Transaktionen. Ausländische Investoren müssen die geltenden Vorschriften besonders sorgfältig beachten, insbesondere wenn ihre Zielunternehmen Vermögenswerte oder Aktivitäten in mehreren Ländern haben. Bei Fusionen und Übernahmen kommt es immer häufiger zu FDI-Meldungen in mehreren Jurisdiktionen. Daher müssen die Käufer und Verkäufer bei einer solchen Transaktion etwaige Meldepflichten sorgfältig analysieren, in ihren Transaktionsvereinbarungen entsprechende Bestimmungen vorsehen, den erforderlichen Zeitrahmen für die Einholung der behördlichen Genehmigungen berücksichtigen und etwaige Vollzugsverbote beachten. Da sich die Vorschriften in diesem Bereich häufig ändern, ist besondere Vorsicht geboten, um mit den geltenden Gesetzen und Vorschriften in Einklang zu bleiben.