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Non-Fungible Tokens (NFTs) und das Urheberrecht

15.10.2021

NFTs: Disruption oder Spekulation? Spätestens seit im ersten Halbjahr 2021 NFTs im Wert von insgesamt mehr als USD 2,5 Mrd. gehandelt wurden und zahlreiche Teilnehmer – einschließlich Startups, Großunternehmen, Künstler sowie Sportteams und -ligen – den sich äußerst dynamisch entwickelnden Markt betreten haben, stellen sich Fragen zur rechtlichen Einordnung von NFTs. Daher soll dieser Überblick in das Thema einführen und rechtliche Grundlagen mit einem besonderen Fokus auf urheberrechtliche Fragen erläutern.

Hintergrund

Tokenisierung von Vermögenswerten auf einer Blockchain

Ganz konkret sind NFTs Zeichenfolgen, die auf einer Blockchain gespeichert werden. Eine Blockchain ist eine kontinuierlich erweiterbare Liste von kryptographisch miteinander verbundenen Datensätzen, die als ein dezentrales Register fungiert – etwa wie ein dezentrales und für jedermann einsehbares Grundbuch. Ein Mehrwert von NFTs liegt dabei in der transparenten und fälschungssicheren Kennzeichnung eines insbesondere digitalen Gegenstands (des Referenzobjekts) als spezifisches Einzelstück sowie der Zuordnung dieses Referenzobjekts zu einem Inhaber.

Dies basiert zum einen auf der Eigenschaft vieler Blockchains, Datensätze dezentral und nahezu manipulationssicher zu speichern. Zum anderen ermöglichen bestimmte Blockchains wie etwa Ethereum und Cardano die Programmierung sog. Smart Contracts (auf der Blockchain ausgeführter Code), mit denen etwa NFTs erzeugt werden können (sog. Minting oder auch Prägung). Dafür wird eine bestimmte Software (in der Regel auf einer Handelsplattform wie OpenSea, die mit einem Wallet des Nutzers verbunden ist) verwendet und eine Gebühr für die Erzeugung eines NFTs gezahlt. Nach erfolgter Prägung und Verknüpfung von Referenzobjekt und NFT repräsentiert die spezifische Zeichenfolge auf einer Blockchain – also das NFT – eindeutig einen bestimmten Vermögenswert, etwa ein digitales Kunstwerk. Dieser Prozess wird auch als „Tokenisierung“ (des Vermögenswerts) bezeichnet.

Vorteile und kommerzielle Anwendungen

Mit dem NFT lassen sich die Inhaberschaft oder sonstige Rechte an einem Referenzobjekt zertifizieren. Ansonsten nahezu kostenfrei kopierbare digitale Güter werden dadurch künstlich verknappt. Ein kommerzieller und urheberrechtlich besonders relevanter Anwendungsfall liegt dabei auf den Märkten für digitale Kunst, Sammlerobjekte und sonstige digitale Güter, die insbesondere seit Anfang 2021 stark gewachsen sind. Beispiele sind der Handel digitaler Kunstwerke wie etwa der sog. CryptoPunks sowie musikalischer Samples und die Veräußerung sog. Collectibles im Rahmen von Computerspielen (z.B. virtuelle Rennwagen der Formel 1). Ferner hat etwa auch der FC Bayern digitale Sammelkarten seiner Spieler herausgegeben und die NBA kurze Videoclips veräußert (sog. Moments). In diesem Zusammenhang sind zuletzt auch Großunternehmen wie TikTok, Twitter und Visa in den Markt eingestiegen, während andere – wie Facebook – dies erwägen.

NFTs und die Tokenisierung von Vermögenswerten bieten aber noch viele weitere kommerzielle Anwendungsmöglichkeiten. Neben digitalen können auch analoge Gegenstände mit Hilfe von NFTs referenziert werden. So hat Noerr etwa bereits die 360X AG (deren Hauptaktionäre die Deutsche Börse und die Commerzbank sind) beraten, die neue Marktplätze und Ökosysteme für analoge, aber wenig liquide Vermögenswerte wie zum Beispiel analoge Kunstgegenstände und Immobilien auf Blockchain-Basis entwickelt (Noerr berät 360X Art AG bei Partnerschaft mit der Weng Fine Art AG, Rüdiger K. Weng und Johann König - Noerr). Zudem können im Wege der Fraktionalisierung auch lediglich Anteile solcher Vermögenswerte gehandelt werden, was deren Liquidität erhöht und die jeweiligen Märkte der breiten Öffentlichkeit zugänglich macht.

Rechtliche Grundlagen

Im Rahmen von NFTs stellen sich viele neue rechtliche Fragen, die nach innovativen Antworten verlangen. Zivilrechtlich könnten NFTs zumindest deliktischen Schutz als „sonstiges Recht“ gem. § 823 Abs. 1 BGB genießen, allerdings stellen sie – jedenfalls nach ganz überwiegender Auffassung – keine absoluten Rechte dar und sind mangels Körperlichkeit auch keine Sachen im Sinne der §§ 90, 903 BGB. Die konkrete rechtliche Bedeutung einzelner NFTs bleibt daher vor allem der vertraglichen Gestaltung durch die Beteiligten überlassen.

Für die rechtlichen Beziehungen zwischen Erwerber und Veräußerer eines NFTs sowie die mit dem NFT verbundenen und auf das Referenzobjekt bezogenen Rechte kommt es mithin vor allem darauf an, (i) welche absoluten Rechte nach der jeweiligen Rechtsordnung an dem Referenzobjekt bestehen und (ii) was die Parteien hinsichtlich der Rechteübertragung vereinbaren. Im Rahmen des momentan besonders aktiven (digitalen) Kunstmarktes handelt es sich bei den absoluten Rechten vor allem um Urheberrechte und bei den übertragenen Rechten um urheberrechtliche Nutzungsrechte (Lizenzen). Dies bedarf allerdings im Einzelfall weiterer Klärung.

Urheberrechtliche Fragen

Damit lassen sich die Rechtsbeziehungen der Beteiligten zwar (urheber-)rechtlich abbilden, allerdings werfen NFTs auch neue praxisrelevante urheberrechtliche Fragen auf. Im Folgenden sollen die wichtigsten dieser Fragen vorgestellt werden.

Urheberrechtliche Relevanz der Prägung

Zunächst ist noch ungeklärt, ob bereits die Prägung selbst urheberrechtlich relevant ist und etwa in ein Nutzungsrecht eines Rechteinhabers eingreifen kann. Dabei gilt es zu berücksichtigen, dass die Prägung eines NFTs nicht den digitalen Vermögenswert selbst abbildet, sondern ein Token auf der Blockchain erzeugt wird, der mit Metadaten des Werks verknüpft ist. Dazu gehören Informationen, die zur Bestimmung des Tokens, des Kunstwerks und des Token-Besitzers erforderlich sind – einschließlich eines Links zum Werk. Für die Praxis stellen sich Fragen vor allem an zwei Punkten: Zum einen könnte das Prägungsrecht als unbekannte Nutzungsform bereits damit Gegenstand von bestehenden Lizenzvereinbarungen sein (vgl. § 31a UrhG). Insbesondere bei der umfassenden Einräumung von Nutzungsrechten stünde das Recht auf Prägung dann nicht mehr dem Urheber, sondern dem Erwerber zu. In der Folge wäre nur der Erwerber berechtigt, einen NFT zu prägen und zum Verkauf anzubieten. Zum anderen würde die widerrechtliche Prägung eines NFTs dem Rechtsinhaber ermöglichen, Unterlassung und ggf. Schadensersatz geltend zu machen (§ 97 Abs. 2 UrhG). Die Frage ist damit besonders praxisrelevant und bedarf zügiger Klärung durch die Rechtsprechung.

Formulierung von Lizenzbedingungen

Erwerber und Veräußerer können vereinbaren, dass bei der Transaktion eines NFTs bestimmte Nutzungsrechte an dem Referenzobjekt übergehen (z.B. an einem urheberrechtlich geschützten Kunstwerk wie einem Bild). Dabei ist dem Wording der Lizenzbedingungen besonderes Augenmerk zu widmen. Schließlich lassen sich Lizenzen im Urhebervertragsrecht höchst individuell ausgestalten (§ 31 UrhG). Möglich sind insbesondere etwa örtliche und zeitliche Einschränkungen des Nutzungsrechts oder die Beschränkungen auf bestimmte Nutzungsarten. Von besonderer Bedeutung ist dabei die Unterscheidung zwischen lediglich einfachen oder den weitreichenden ausschließlichen Nutzungsrechten, die ihrem Erwerber Exklusivität vermitteln (§ 31 Abs. 2, 3 UrhG). Auch die Vergütung bedarf spezifischer Regelung (siehe § 32 UrhG).

Monitoring und Missbrauch

Zwar bietet die Blockchain-Technologie die Möglichkeit lückenloser Nachverfolgung (z.B. mittels On-Chain-Analytics), allerdings müssen sich die Rechteinhaber auch Missbrauchsrisiken stellen. Schließlich können auch Dritte NFTs für ein Referenzobjekt (z.B. ein Kunstwerk) erstellen, obwohl sie hierzu nicht berechtigt sind. Darüber hinaus kann etwa ein Künstler auch mehrere NFTs für ein Referenzobjekt erzeugen. Diesem sollten Erwerber eines NFTs vertraglich entgegenwirken. Um Missbrauch durch Dritten vorzubeugen, bedarf es in der Praxis transparenter Prozesse, aus denen ersichtlich ist, welcher NFT einem Referenzobjekt zuzuordnen ist.

Dazu ergeben sich praktische Schwierigkeiten bei der Rechtsdurchsetzung. Zwar lassen sich Handelsketten von NFTs über die Blockchain nachvollziehen, allerdings lässt sich über die Wallet-Adressen deren Inhaber in der Regel nicht identifizieren. Vereinzelt sehen NFT-Handelsplattformen daher Identifikationsprozesse für die Erstellung von Wallets vor (mittels KYC-Verfahren). Auch die internationale Dimension des NFT-Handels wird für Probleme bei der Rechtsdurchsetzung sorgen.

Automatisierte Lizenzzahlungen

Bestimmte Blockchains ermöglichen es zudem, Künstler als Urheber mittels Smart Contracts auch über die Veräußerung eines NFTs hinaus an deren Kommerzialisierung partizipieren zu lassen. Praktisch ließe sich etwa im Code eines manipulationssicheren Smart Contracts vereinbaren, dass ein Urheber bei einer Weiterveräußerung durch den Erwerber zu einem bestimmten Preis zu einem gewissen Anteil beteiligt wird. Auch besteht die Option zu definieren, dass eine Beteiligung an jeder weiteren Transaktion erfolgt. In diesen Fällen bedarf es keines weiteren menschlichen Umsetzungsakts. Mittels spezieller technischer Schnittstellen können bestimmte automatisierte Entscheidungen auch aufgrund externer Quellen erfolgen (z.B. auf Grundlage vertrauenswürdiger Datenbanken). All dies erfordert eine umsichtige und vorausschauende Vertragsgestaltung.

Ausblick: On-chain-NFTs und Metaverse

Zwar handelt es sich bei den Referenzobjekten (noch) fast ausschließlich um digitale oder analoge Gegenstände, die nicht selbst auf einer Blockchain gespeichert werden. Allerdings kann sich dies künftig durch neue technologische Entwicklungen ändern. Das gilt etwa für sog. On-chain-NFTs, die das Speichern von Daten auf der Blockchain unabhängig von Handelsplattformen ermöglichen. Neben ihrem Nutzen bei der Handelbarkeit herkömmlicher digitaler und analoger Assets könnten NFTs zudem eine Grundlage des sich möglicherweise zu einem Multimilliardenmarkt entwickelnden sog. Metaverse (vgl. etwa jüngste Berichte in den Medien) werden – also dem im Entstehen befindlichen kollektiven virtuellen Raum. Im Metaverse interagieren Nutzer miteinander, tauschen Leistungen aus und transferieren Vermögenswerte wie virtuelle Grundstücke und sonstige Gegenstände. NFTs entwickeln sich zu einer dafür zentralen Infrastruktur, was die Lösung der offenen rechtlichen Fragen umso wichtiger werden lässt.