Mehr Transaktionssicherheit? Bundestag beschließt wichtige Änderung der Fristenregelung in der Investitionskontrolle
Am Freitag, den 17.07.2020, ist das „Erste Gesetz zur Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes und anderer Gesetze“ in Kraft getreten (eine Übersicht zu Gesetzgebungsverfahren und -materialien finden Sie hier). Das Gesetz beinhaltet bedeutende Änderungen der in Außenwirtschaftsgesetz und Außenwirtschaftsverordnung geregelten Investitionskontrolle.
Das Gesetz baut auf einem Referentenentwurf des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) vom Januar diesen Jahres auf (wir berichteten). Am 02.04.2020 legte die Bundesregierung sodann einen Gesetzentwurf für das Gesetz vor, der im Vergleich zum Referentenentwurf eine weitere Verschärfung der Kontrolle von Investitionen vorsah (auch dazu berichteten wir). Dieser Entwurf ist durch die Regierungsfraktionen in den Gesetzgebungsprozess eingebracht worden.
Die bedeutendste Änderung, die der Gesetzentwurf im parlamentarischen Verfahren erfahren hat, betreffen die Prüffristen. Der Bundestag hat sich im Anschluss an eine Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft und Energie dazu entschlossen, die unterschiedlichen Fristenregime der sektorübergreifenden und der sektorspezifischen Investitionskontrolle zu vereinheitlichen und auf eine gesetzliche Grundlage zu stellen. Die bisher in der Außenwirtschaftsverordnung enthaltene dreimonatige Vorprüffrist bei einem Tätigwerden des BMWi von Amts wegen wird hierdurch auf zwei Monate zu verkürzt. Die Länge der sogenannten Hauptprüffrist, innerhalb deren Beschränkungen oder Handlungspflichten angeordnet werden können, beträgt nun einheitlich vier Monate ab dem Eingang vollständiger Unterlagen.
Neu ist, dass die derzeitige Praxis des BMWi unterbunden wird, diese Frist durch nachträgliches Anfordern von Unterlagen beliebig häufig zu verlängern. Als Kompromiss sieht das Gesetz vor, dass die Hauptprüffrist während der Zeit, in der die Beteiligten nachträglich angeforderte Auskünfte oder Unterlagen beschaffen, gehemmt wird. Darüber hinaus kann das BMWi die Hauptprüffrist einseitig um bis zu drei Monate verlängern, wenn es sich im Einzelfall um einen besonders komplexen Fall handelt, und um einen weiteren Monat (als um insgesamt vier Monate), wenn der Erwerb Verteidigungsinteressen in besonderem Maße berührt. Mit Zustimmung des unmittelbaren Erwerbers und des Veräußerers kann die Prüffrist überdies beliebig oft und häufig verlängert werden.
Teile der juristischen Literatur waren schon bisher der Auffassung, dass mit dem Begriff der vollständigen Unterlagen nur solche verstanden werden können, die das BMWi mit der Einleitung des formalen Prüfverfahrens angefordert hat. Mit diesen Stimmen lässt sehr gut vertreten, dass die Gesetzesänderung in diesem Punkt nur klarstellungshalber erfolgt. Inhaltlich ist die klare Regelung jedenfalls zu begrüßen. Ob das Verfahren der Investitionskontrolle hierdurch – in der Praxis – tatsächlich zeitlich stärker beschränkt wird, bleibt angesichts der neu eingefügten Hemmungs- und Verlängerungsmöglichkeiten allerdings abzuwarten. Hinzu kommt, dass diese Frist im Falle der Aufnahme von Verhandlungen über einen öffentlich-rechtlichen Vertrag gehemmt wird. Immerhin stellt das Gesetz in seiner Neufassung nunmehr gegenüber der bisherigen Rechtslage klar, dass die Fristhemmung mit der Beendigung der Verhandlungen endet.
Ein weiteres Anliegen des Gesetzes, das auch der Anpassung der nationalen Investitionsprüfung an die Vorgaben der EU-Screening-Verordnung mit dem BMWi als Nationaler Kontaktstelle dient, ist die Herabsetzung des erforderlichen Gefährdungsgrades für Investitionsbeschränkungen. Die Novelle des Außenwirtschaftsgesetzes sieht vor, dass statt der bisher erforderlichen tatsächlichen Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung der Bundesrepublik Deutschland eine voraussichtliche Beeinträchtigung genügt.
Darüber hinaus hat das Änderungsgesetz eine Neuinterpretation des Begriffs der öffentlichen Ordnung und Sicherheit zur Folge. Über die schon bisher bekannten Aspekte der Sicherheit, der öffentlichen Versorgung und der kritischen Infrastrukturen hinausgehend werden künftig kritische Technologien wie künstliche Intelligenz, Robotik, Halbleiter, Cybersicherheit, Luft- und Raumfahrt, Verteidigung, Energiespeicherung, Quanten- und Nukleartechnologien, sowie Nano- und Biotechnologien stärker in den Fokus rücken.
Für die Transaktionspraxis besonders relevant ist das in dem Gesetz enthaltene umfassende Vollzugsverbot für meldepflichtige Transaktionen. Die Vollzugsbeschränkung wird strafbewehrt sein. Die Strafandrohung ist empfindlich: Vorgesehen ist eine Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder eine Geldstrafe.
Weitere Änderungen und wohl auch weitere Verschärfungen werden mit Erlass der 16. AWV-Novelle erwartet, deren Inkrafttreten für Herbst dieses Jahres geplant ist. Hiermit könnten weitere Meldepflichten als auch weitere Herabsenkungen des maßgeblichen Schwellenwertes von 25% auf 10% eingeführt werden. Wir halten Sie auf dem Laufenden.