EU verabschiedet weiteres Sanktionspaket gegen Russland zur „Aufrechterhaltung und Anpassung“
Einleitung
Am 21. Juli 2022 hat der Rat der Europäischen Union neuen Maßnahmen der EU als Antwort auf die anhaltende Aggression der Russischen Föderation gegen die Ukraine zugestimmt. Zugleich werden bestehende Sanktionen nachjustiert, um ihre Wirksamkeit zu erhöhen, auch wird die Liste sanktionierter Personen und Institutionen erweitert.
Mit dem als „Aufrechterhaltungs- und Anpassungspaket“ bezeichneten weiteren Sanktionen werden die Verordnung (EU) Nr. 833/2014 über restriktive Maßnahmen angesichts der Handlungen Russlands, die die Lage in der Ukraine destabilisieren (sektorale Sanktionen) und die Verordnung (EU) Nr. 269/2014 über restriktive Maßnahmen angesichts von Handlungen, die die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine untergraben oder bedrohen (Finanzsanktionen) geändert. Neue Sanktionen richten sich gegen den Handel mit Gold als wichtigem Exportgut Russlands. Auch wird die Ausfuhr von bestimmten Gütern und Hochtechnologien weiter beschränkt, um Russlands Verteidigungs- und Sicherheitssektor zu schwächen. Zudem werden Maßnahmen ergriffen, die eine Umgehung bestehender Sanktionen verhindern sollen. In bestimmten Bereichen werden die Sanktionen dagegen gelockert, so werden die Ausnahmen für Transaktionen in Bezug auf landwirtschaftliche Produkte erweitert, um globalen Ernährungskrisen entgegenzusteuern. Entsprechend betont die EU auch, dass keine der beschlossenen Maßnahmen auf die Nahrungsmittelversorgung abzielt. Eine weitere Lockerung betrifft Transaktionen, die der Wahrnehmung von Rechtsschutz dienen.
Mit den Durchführungsverordnungen (EU) 2022/1270 und (EU) 2022/1274 zur Verordnung (EU) Nr. 269/2014 hat die EU zudem weitere hochrangige Politiker, Militärs und juristische Personen aus Wirtschaft, Forschung und Politik auf die Sanktionsliste gesetzt. Dies betrifft unter anderem Firmen aus dem Verteidigungssektor und die Sberbank als großes russisches Finanzinstitut. Letztere unterliegt in den USA und im Vereinigten Königreich bereits seit längerer Zeit Finanzsanktionen – insoweit hat die EU nun die europäischen Sanktionen nachgezogen.
A. Goldhandel
Eine wesentliche Neuerung des Aufrechterhaltungs- und Anpassungspakets der EU betrifft den Goldhandel und damit nach Energie das zweitwichtigste Exportgut Russlands, Erwägungsgrund (4) der Verordnung (EU) 2022/1269. Mit den nun beschlossenen Einschränkungen wird die Finanzierung des Ukrainekrieges für die Russische Föderation weiter erschwert. So sieht die neue Regelung das Verbot vor, näher bezeichnetes Gold und Goldschmiede- und -schmuckwaren mit Ursprung in Russland zu kaufen, einzuführen oder zu verbringen. Gleiches gilt für Produkte aus Drittländern, in denen russisches Gold verarbeitet wurde, Art. 3o i.V.m. Anhang XXVI und Anhang XXVII der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 n.F.
B. Ausfuhr von Gütern und Technologien
Die Liste der Gegenstände, die zur technologischen Stärkung Russlands im Bereich der Sicherheit und Verteidigung beitragen können und die daher nicht nach Russland verkauft, verbracht, geliefert oder ausgeführt werden dürfen, wird erweitert. Anhang VII der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 führt daher mit dem neuen Aufrechterhaltungs- und Anpassungspaket u.a. Wasserwerfersysteme und weitere Polizeiausstattung, bestimmte Chemikalien und Werkzeugmaschinen auf. Daneben wurde die Liste nach Anhang XXIII der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 angepasst. Die Anpassung beinhaltet Güter, die zur Stärkung der industriellen Kapazität Russlands beitragen. Die erweiterten Verbote finden sich in Art. 2a i.V.m. Anhang VII n.F. und Art. 3k i.V.m. Anhang XXIII n.F. der Verordnung (EU) Nr. 833/2014.
C. Verhinderung der Umgehung von Sanktionen
Eine weitere Änderung soll die Umgehung von bestehenden Sanktionen verhindern. Bisher war Schiffen unter russischer Flagge lediglich der Zugang zu Häfen in der Union verwehrt. Mit der Neufassung wird dieses Verbot nach dem 29. Juli 2022 auf die Nutzung von Schleusen ausgeweitet und so der Bewegungsradius von in Russland registrierten Schiffen weiter eingeschränkt, Art. 3ea Abs. 1 Verordnung (EU) Nr. 833/2014 n.F.
Zur Verhinderung der Umgehung von Sanktionen wurde zudem Art. 5b der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 angepasst, der bisher die Annahme von Einlagen von russischen Staatsangehörigen oder in Russland niedergelassenen Unternehmen untersagte. Diese erfasst nunmehr auch juristische Personen, Einrichtungen und Organisationen in Drittstaaten, die von russischen Staatsangehörigen oder in Russland ansässigen natürlichen Personen kontrolliert werden. Einlagen solcher Einheiten mit einem Gesamtwert von über 100 000 Euro dürfen nicht entgegengenommen werden, Art. 5b Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 n.F. Zudem wurde der bisher geltende Ausnahmetatbestand in Art. 5b Abs. 4 für Einlagen, die für den nicht verbotenen grenzüberschreitenden Handel mit Gütern und Dienstleistungen zwischen der Union und Russland erforderlich sind, gestrichen. Auch bezüglich solcher Einlagen gilt nun ein Annahmeverbot.
D. Neue Ausnahmetatbestände
Daneben werden in einzelnen Bereichen Ausnahmen geschaffen. So wird das Verbot, Geschäfte mit juristischen Personen unter russischer staatlicher Kontrolle zu tätigen, in bestimmten Teilen aufgehoben. Damit sind nun u.a. Transaktionen zulässig, die dem Kauf und der Einfuhr von medizinischen Produkten, aber auch von Lebensmitteln und landwirtschaftlichen Erzeugnissen dienen, sofern dies im Einklang mit der Verordnung steht. Darüber hinaus sind Transaktionen möglich, die dem Zugang zum Rechtssystem in einem Mitgliedsstaat dienen. Hiermit setzt die EU mit ihrem Aufrechterhaltungs- und Anpassungspaket die Linie des sechsten Sanktionspakets fort, in dem bestimmte juristische Dienstleistungen bereits von den Sanktionen ausgenommen wurden. Die Ausnahmen sind in Art. 5aa Abs. 3 lit. f) und lit. g) der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 n.F. zu finden. Die Ausnahme vom Geschäftsverbot für Transaktionen, die zur Abwicklung von Gemeinschaftsunternehmen unbedingt erforderlich sind, wurde bis zum 31. Dezember 2022 verlängert, Art. 5aa Abs. 3 lit. d) der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 n.F.
E. Finanzsanktionen gegen weitere Personen und Institutionen
Das Einfrierge- und das Bereitstellungsverbot des Art. 2 der Verordnung (EU) Nr. 269/2014 werden auf weitere Personen und Institutionen ausgedehnt und Liste in Anhang I dieser Verordnung entsprechend erweitert. Zu den neu gelisteten Personen gehören insbesondere Militärs und Politiker aus Russland und in den besetzten Gebieten. Zu den nunmehr gelisteten Institutionen gehören die wichtige russische Bank Sberbank, die in der EU bisher lediglich einem Wertpapierhandelsverbot unterlag und von SWIFT ausgeschlossen war, sowie Unternehmen im Schiffsbau- und Verteidigungssektor. Zudem werden Personen und Institutionen aus Syrien aufgeführt, die den russischen Angriffskrieg unterstützen.
Zusammenfassung und Bewertung
Die auffälligste Neuerung des neuen Sanktionspakets in Bezug auf sanktionierte Güter stellt auf den ersten Blick das Verbot des Goldhandels mit Russland dar. Zwar handelt es sich bei Gold um das zweitwichtigste einzelne Exportgut Russlands. Im Vergleich zu Erdöl, Erdölerzeugnissen und verwandten Waren mit 35,67% verzeichnete Gold zu nichtmonetären Zwecken im Jahre 2020 laut Statista einen Anteil von 5,5% am russischen Ausfuhrhandel. Nach diesen Zahlen erscheint das als „Aufrechterhaltungs- und Anpassungspaket“ getaufte Sanktionspaket nicht nur sprachlich weniger ambitioniert als die vorangegangenen sechs Sanktionspakete. Auch die Forderung einiger Mitgliedsstaaten nach einem Gasembargo hat es nicht in das neue Sanktionspaket geschafft. Nicht enthalten ist darüber hinaus eine Beschränkung der Erwerbe russischer Personen von Immobilien in der EU – eine Maßnahme, die es schon nicht in das sechste Sanktionspaket geschafft hatte.
Hervorzuheben ist jedoch das Bemühen der EU, im Hinblick auf globale Nahrungsmittelknappheiten den Handel von Lebensmitteln und landwirtschaftlichen Erzeugnissen weiter zu ermöglichen. In Bezug auf die Listung und das Einfrieren von Vermögen einzelner Institutionen ist vor allem die Sberbank hervorzuheben, deren Mehrheitsaktionärin die russische Zentralbank ist.
Weitere Informationen finden Sie auch in unserem Ukraine-Russia Crisis Center