Entschädigungen für Betriebsschließungen nach aktueller Rechtslage unwahrscheinlich
*****Update vom 09.06.2020: Erfolgsaussichten für Entschädigungsansprüche wegen Corona-bedingter Betriebsschließungen weiterhin offen *****
Zahlreiche Branchen leiden unter den finanziellen Auswirkungen der zur Bekämpfung der Corona-Krise erlassenen behördlichen Betriebsschließungen. Obwohl die Bundesländer nun eine schrittweise Wiederaufnahme des Geschäftsbetriebs unter Einhaltung besonderer Schutzmaßnahmen ermöglichen, kämpfen viele Geschäftsinhaber, Geschäftsleute und Einzelhändler mit den infolge der Beschränkungen entstandenen wirtschaftlichen Folgen. Zunehmend werden in Branchenkreisen Rufe nach Entschädigungen für erlittene Umsatzeinbußen laut und entsprechende Ansprüche gerichtlich geltend gemacht. Gerichtsentscheidungen zu Entschädigungen sind bislang aber rar gesät und wenig aussagekräftig. Für besonders betroffene Branchen erscheinen Entschädigungsansprüche aber weiterhin möglich.
LG Heilbronn: Kein Anspruch auf Entschädigung wegen Corona-Betriebsschließungen im Eilrechtsschutz
Erstmals verneinte mit dem LG Heilbronn ein Gericht im Eilrechtsschutz das Bestehen gesetzlicher wie verfassungsrechtlicher Entschädigungsansprüche zugunsten einer Betriebsinhaberin, die Entschädigungsforderungen in Form von Betriebsausgaben und Verdienstausfall geltend gemacht hatte (LG Heilbronn, Beschluss vom 29.04.2020, Az. I 4 O 82/20).
Das Gericht verneinte einen auf § 56 Abs. 1, Abs. 4 IfSG gestützten Entschädigungsanspruch – insoweit zutreffend – mit der Begründung, dass die Betriebsinhaberin dem Adressatenkreis der Norm mangels einer Corona-Infektion oder eines drohenden Ansteckungsverdachts nicht angehörte. Für eine analoge Anwendung von § 56 IfSG mangele es aufgrund der auf Bundes- und Landesebene auf den Weg gebrachten Rettungspakete an einer Regelungslücke. Auch ein Entschädigungsanspruch aus dem allgemeinen Polizeirecht scheide aufgrund der Stellung des IfSG als lex specialis aus. Die verfassungsrechtlichen Entschädigungsansprüche des enteignenden bzw. enteignungsgleichen Eingriffs und des Aufopferungsanspruchs verneinte das Landgericht mit dem – rechtlich zweifelhaften – Argument, dass entgangene Erwerbs- und Betriebsaussichten keine verfestigte Eigentumsposition darstellten. Unabhängig von der jahrzehntelangen Rechtsprechung zur Eigentumsfreiheit als Ausprägung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb äußerte sich das Gericht auch nicht zum Vorliegen eines möglichen Sonderopfers infolge der Corona-bedingten Betriebsschließungen, die manche Branchen deutlich stärker trafen als andere.
Demgegenüber hat das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht im Rahmen eines verwaltungsgerichtlichen Normenkontrollverfahrens gegen eine Corona-Rechtsverordnung in einem obiter dictum festgehalten, dass für Nichtstörer ein Ausgleichsanspruch nach allgemeinen polizei- und ordnungsrechtlichen Grundsätzen in Betracht käme (OVG Lüneburg, Beschluss vom 23.04.2020, 13 MN 96/20).
Entschädigungsansprüche wegen Sonderopfers grundsätzlich denkbar
Die gesetzlichen Entschädigungsansprüche aus §§ 56, 65 IfSG sind auf die vorliegende Konstellation nicht unmittelbar anwendbar (siehe unten). Auch eine analoge Anwendung dieser Ansprüche erscheint trotz einiger guter Argumente zumindest zweifelhaft.
Die gewohnheitsrechtlich anerkannten und verfassungsrechtlich verwurzelten Ansprüche auf Entschädigung für rechtmäßiges hoheitliches Handeln (Ansprüche aus enteignendem Eingriff sowie Aufopferungsansprüche) sehen sich zwar ebenfalls gewissen Bedenken ausgesetzt. Allerdings erscheinen sie gerade mit Blick auf die lange Dauer und die empfindliche Wirkung Corona-bedingter Betriebsschließungen jedenfalls für Betriebe besonders betroffener Branchen – insbesondere des Gastgewerbes, der Gastronomie, der Reisebranche und des Veranstaltungs- und Kultursektors – einschlägig und gut begründbar zu sein. Betriebsschließungen greifen auch in den Zuweisungsgehalt des eigentumsrechtlich geschützten Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb ein. Wenn ursprünglich rechtmäßige Maßnahmen für Betriebsinhaber eine existenzvernichtende Wirkung entfalten und zugleich andere Unternehmen von den Maßnahmen ausgenommen sind, könnte die Schwelle zur Unzumutbarkeit und damit zu einem Sonderopfer überschritten sein. Schwierigkeiten bereiten diese Ansprüche unter anderem mit Blick darauf, dass es an vergleichbaren Präzedenzfällen und entsprechender höchstrichterlicher Rechtsprechung fehlt. Von vornherein ablehnen lassen sie sich allerdings nicht.
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***** Update vom 09.04.2020: Gerichte bestätigen Corona-Betriebsschließungen in Eilverfahren, aber die Maßnahmen drohen auf Dauer rechtswidrig zu werden. Zudem: Neue Entschädigungsregelung für Eltern zu betreuender Kinder *****
Zahlreiche Gerichte haben Eilrechtsschutzanträge gegen die zur Bekämpfung der Corona-Krise erlassenen behördlichen Betriebsschließungen abgewiesen. Ausschlaggebend ist dabei stets der überragende Wert der durch die Maßnahmen zu schützenden Rechtsgüter der Gesundheit und des Lebens. Zugleich stellen die Betriebsschließungen tiefste Eingriffe in die Rechte der Geschäftsinhaber und Einzelhändler dar, die sich nicht auf Dauer rechtfertigen lassen und deren Rechtmäßigkeit zunehmenden Zweifeln unterliegt. Über eine neue Entschädigungsregelung können sich Eltern freuen, die wegen der eigenständigen Kinderbetreuung infolge der Schließung von Kitas und Schulen Verdienstausfälle erleiden. Entschädigungen für Betriebe sind bislang nicht ersichtlich.
Eilrechtsschutz gegen Corona-Betriebsschließungen abgewiesen
In den vergangenen Wochen wurden zahlreiche Eilrechtsschutzanträge von Geschäftsinhabern, Geschäftsleuten und Einzelhändlern gegen Corona-bedingte Betriebsschließungen in vielen Bundesländern abgewiesen (z.B. Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 30.03.2020, Az. 20 CS 20.611; Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 06.04.2020, Az. 13 B 398/20.NE; Verwaltungsgericht Hamburg, Beschluss vom 20.03.2020, Az. 10 E 1380/20).
Maßgebend hierfür ist insbesondere das gerichtliche Prüfprogramm der Eilrechtsschutzverfahren: Dieses ist auf eine summarische Prüfung beschränkt, bei der es auf eine Abwägung ankommt, die die Folgen der Aufhebung der angegriffenen Regelung gegen die Folgen ihrer Aufrechterhaltung jeweils für alle betroffenen Rechtsgüter in den Blick nimmt. Diese Folgenabwägungen fallen hier angesichts des überragend hohen Werts der betroffenen Schutzgüter Gesundheit und Leben (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) und des weiten behördlichen Ermessens beim Ergreifen effektiver Corona-Schutzmaßnahmen zulasten von Geschäftsinhabern und Einzelhändlern aus, die die Betriebsschließungen aufheben wollten. Auch das Bundesverfassungsgericht hat mit entsprechender Begründung die bayerischen Corona-Allgemeinverfügungen im Eilrechtsschutz aufrechterhalten (Beschluss vom 07.04.2020, Az. 1 BvR 755/20).
Andere behördliche Anordnungen, die wegen der Bekämpfung des Corona-Virus erhebliche Einschränkungen des öffentlichen Lebens herbeigeführt haben – etwa Ausgangsbeschränkungen oder Veranstaltungsverbote –, wurden in gerichtlichen Eilentscheidungen ebenfalls ganz überwiegend bestätigt (z.B.: Oberverwaltungsgericht Schleswig-Holstein, Beschluss vom 02.04.2020, Az. 3 MB 11/20, zur Untersagung der Nutzung von Nebenwohnungen; Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 09.04.2020, Az. 20 NE 20.704, zum Gottesdienstverbot an Ostern). Allerdings existieren auch Entscheidungen, die einzelne hoheitliche Manahmen im Kampf gegen Corona außer Vollzug setzen (zuletzt Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern, Beschlüsse vom 08.04.2020, Az. 2 KM 268/20 OVG u.a., zu einem Ausflugsverbot für den Zeitraum der Osterfeiertage).
Zweifel an Rechtmäßigkeit einzelner Betriebsschließungen: Unbestimmt und ungleich
Dabei sehen sich die Anordnungen durchaus – in Teilen erheblichen – Zweifeln mit Blick auf ihre Rechtmäßigkeit ausgesetzt. Viele Anordnungen von Betriebsschließungen unterschreiten das gesetzlich geforderte Maß an Bestimmtheit. Soweit die Anordnungen von Betriebsschließungen Ausnahmen für bestimmte Geschäftsgruppen vorsehen, beinhalten sie Ungleichbehandlungen in Bezug auf andere Geschäfte, deren Rechtfertigung in vielen Fällen zweifelhaft erscheint. Entsprechende Zweifel wurden auch vereinzelt von Gerichten geäußert. Angesichts des gerichtlichen Prüfprogramms im Eilrechtsschutz führt allerdings auch eine mögliche Rechtswidrigkeit nicht zur Aufhebung der Regelung. Hier raten wir deshalb im Einzelfall zu Rechtsschutz in der Hauptsache, um mögliche Schadensersatzansprüche vorzubereiten.
Dauerschließungen unzulässig: Aufrechterhaltung rechtmäßiger Betriebsschließungen wird von Tag zu Tag zweifelhafter, Ausgleichsmaßnahmen erscheinen geboten
Selbst diejenigen Anordnungen von Betriebsschließungen, die bei ihrem Erlass rechtmäßig waren, können mit zunehmender Dauer rechtswidrig werden. Zwar wiegen die Rechtsgüter Gesundheit und Leben, die durch die Betriebsschließungen geschützt werden sollen, schwerer als die Rechtsgüter der Wirtschaftsteilnehmer, die durch die Betriebsschließungen beeinträchtigt werden (Art. 12 Abs. 1 GG, u.U. Art. 14 Abs. 1 GG). Gleichwohl handelt sich um schwerste Eingriffe in die letztgenannten Rechtsgüter, die in vielen Fällen die wirtschaftliche Existenz gefährden und auch deshalb nicht ohne weiteres dauerhaft aufrechterhalten werden dürfen.
Entsprechend haben Gerichte einschließlich des Bundesverfassungsgerichts die Befristung der Maßnahmen als wesentlichen Grund für ihre Aufrechterhaltung angeführt. Das bedeutet zugleich: Mit jedem Tag, den ursprünglich rechtmäßige Betriebsschließungen fortgelten, bewegen sie sich auf ihre Rechtswidrigkeit zu. Wann sie in die Rechtswidrigkeit „umschlagen“, ist schwer zu bestimmen und kaum vorherzusehen. Allerdings wird maßgeblich sein, ob die handelnden Hoheitsträger wirksame Ausgleichsmaßnahmen ergreifen, um die Schwere des Eingriffs, insbesondere die existenzgefährdenden Folgen der Betriebsschließungen, abzufedern.
Neue Entschädigungsregelung für Verdienstausfälle von Eltern wegen Schließung von Kitas und Schulen, aber bislang keine weitergehende Entschädigung für Betriebe
Seit dem 28.03.2020 gilt zudem ein neuer Entschädigungsanspruch für Verdienstausfälle von Eltern wegen Schließung von Kitas und Schulen (§ 56 Abs. 1a IfSG). Danach haben erwerbstätige Sorgeberechtigte von Kindern, die das zwölfte Lebensjahr noch nicht vollendet haben oder behindert und auf Hilfe angewiesen sind, einen Anspruch auf Entschädigung in Geld, solange sie die Kinder infolge der infektionsschutzbedingten Schließung von Einrichtungen zur Betreuung von Kindern oder Schulen selbst betreuen, weil sie keine anderweitige zumutbare Betreuungsmöglichkeit sicherstellen können, und sie dadurch einen Verdienstausfall erleiden.
Darüber hinaus wurden keine neuen Entschädigungsansprüche geschaffen – insbesondere keine eigenständigen Entschädigungsansprüche für die von den Betriebsschließungen betroffenen Geschäftsinhaber und Einzelhändler. Sie bleiben bislang auf die Corona-Hilfsmaßnahmen des Bundes und der Länder verwiesen, namentlich Zuschüsse, Darlehen und Bürgschaften (vgl. unsere News vom 07.04.2020). Der gesetzliche Entschädigungsanspruch aus § 65 IfSG ist auf die vorliegende Konstellation nicht anwendbar (siehe unten). Auch die gewohnheitsrechtlich anerkannten Ansprüche auf Entschädigung für rechtmäßiges hoheitliches Handeln (Ansprüche aus enteignendem Eingriff sowie Aufopferungsansprüche) scheinen vorliegend nicht durchzugreifen (siehe unten), allerdings ist ihre Anwendung in einer Situation wie der vorliegenden ungeklärt. Es bleibt abzuwarten, ob der Gesetzgeber weitergehende Entschädigungsmaßnahmen ergreifen wird.
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***** Update vom 20.03.2020: Bundesregierung arbeitet an umfangreichem Corona-Rettungsfonds *****
Die Bundesregierung arbeitet an einem Rettungsprogramm für weite Teile der von der Corona-Krise in Mitleidenschaft gezogenen deutschen Wirtschaft. Das Programm, dessen Rahmenbedingungen noch nicht genau feststehen, soll auf die ungekannten wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Krise und der durch sie herausgeforderten staatlichen Schutzmaßnahmen reagieren. Dabei sollen über die bislang angekündigten Liquiditätshilfen hinaus offenbar weitreichende Rettungsmaßnahmen ergriffen werden, die von Garantien für privatwirtschaftliche Verbindlichkeiten über direkte finanzielle Zuschüsse und faktische Teilverstaatlichungen reichen, um Unternehmen und Betriebe vor der Insolvenz zu retten. Auch Klein- und Kleinstunternehmer sollen davon profitieren. Aktuell wird ein Volumen von rund EUR 500 Milliarden diskutiert. Die Bundesregierung erscheint entschieden, mit einem ähnlich umfassenden Rettungspakt wie in der Finanzkrise die verheerenden Wirkungen der Corona-Krise eindämmen zu wollen.
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***** News vom 13.03.2020 *****
Bund und Länder ergreifen aktuell zahlreiche Maßnahmen zur Einschränkung der Auswirkungen und Verbreitung des neuartigen Coronavirus. Mittlerweile haben mehrere Bundesländer angeordnet, dass sämtliche Einzelhandelsgeschäfte schließen müssen, die für die Versorgung der Bevölkerung mit lebenswichtigen Gütern nicht erforderlich sind. Es steht zu erwarten, dass die übrigen Bundesländer entsprechende Regelungen erlassen werden.
Vor diesem Hintergrund tritt für Unternehmen, Betriebe und gewerbliche Vermieter die Frage in den Vordergrund, ob sie gesetzlich Entschädigungen für angeordnete Betriebsschließungen erlangen können. Die Antwort des geltenden Rechts auf diese rechtlich komplexe Frage muss die Betroffenen aktuell enttäuschen. Es ist der Gesetzgeber gefragt.
Entschädigungen für rechtmäßiges Verwaltungshandeln in Deutschland unüblich
Das deutsche Verwaltungsrecht kennt für rechtmäßiges Handeln der öffentlichen Verwaltung nur äußerst rudimentär ausgestaltete Entschädigungsansprüche – insbesondere den Anspruch aus enteignendem Eingriff und den sog. Aufopferungsanspruch –, die auf außergewöhnliche Einzelbelastungen beschränkt sind. Der Betroffene ist danach nur deshalb zu einer Entschädigung berechtigt, weil ihm durch den rechtmäßigen hoheitlichen Eingriff ein sog. „Sonderopfer“ abverlangt wird. Ein Sonderopfer ist dann anzunehmen, wenn der Betroffene im Vergleich zu anderen ungleich behandelt wird, wenn er also eine anderen nicht zugemutete, die allgemeine Opfergrenze überschreitende besondere Belastung hinnehmen muss. Obschon die staatlichen Maßnahmen, insbesondere Betriebsschließungen, für viele Unternehmen schwerste, zum Teil existenzbedrohende Folgen haben werden, dürfte ein Sonderopfer im rechtlichen Sinne nicht vorliegen, da die Maßnahmen sämtliche Unternehmen der betroffenen Branchen treffen. Auch im sonstigen öffentlichen Ausgleichsrecht sind Entschädigungsansprüche selten und bei rechtmäßigem Handeln regelmäßig ausgeschlossen.
Einfachgesetzlicher Entschädigungsanspruch nach § 65 IfSG greift nicht
Darüber hinaus sind solche eng begrenzten Erstattungsansprüche jedenfalls dann ausgeschlossen, wenn es gesetzliche Spezialregelungen gibt und diese wiederum abschließend sind. Dies dürfte vorliegend der Fall sein: Es gibt in § 65 Abs. 1 Infektionsschutzgesetz („IfSG“) eine Entschädigungsregelung u.a. für nicht nur unwesentliche Vermögensnachteile, die durch Maßnahmen zur Verhütung übertragbarer Krankheiten verursacht werden (Maßnahmen nach den §§ 16, 17 IfSG).
Die vorliegend relevanten Maßnahmen der Bundesländer und Kommunen werden jedoch auf Grundlage von § 28 Abs. 1 IfSG getroffen, weil es sich angesichts des bundesweiten Ausbruchs der Krankheit um Maßnahmen zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten handelt. Für solche Maßnahmen gilt die Entschädigungsregelung des § 65 Abs. 1 IfSG nach ihrem Wortlaut gerade nicht. Auch eine Ausweitung der Regelung des § 65 Abs. 1 IfSG auf die vorliegenden Maßnahmen ist wegen des eindeutigen Wortlauts sowie aus systematischen und entstehungsgeschichtlichen Gründen nicht möglich.
In der Breite nicht wirklich weiterhelfen dürfte zudem die Entschädigungsregelung des § 56 Abs. 4 IfSG. Sie gilt nach ihrem Wortlaut und ihrem systematischen Zusammenhang nur für die von der Entschädigung nach § 56 Abs. 1 IfSG betroffenen Individuen.
Rechtmäßigkeit im Einzelfall zu prüfen, aber weites behördliches Ermessen
Es ist bei alledem nicht ausgeschlossen, dass die nun zunehmend angeordneten Betriebsschließungen zumindest in Teilen unverhältnismäßig und damit rechtswidrig sind – nicht zuletzt angesichts der damit verbundenen weit reichenden und sehr eingriffsintensiven Maßnahmen, die für viele Betriebe sogar auch existenzgefährdend sein können. In solchen Fällen kämen Entschädigungsansprüche (etwa Amtshaftungsansprüche oder Ansprüche aus enteignungsgleichem Eingriff) in Betracht.
Zu berücksichtigen ist indes, dass den zuständigen Behörden durch das IfSG angesichts der überragend wichtigen Schutzgüter und angesichts der unklaren Sachlage – insbesondere mit Blick auf die Entwicklung der Infektionszahlen und Infektionswege – ein weites Ermessen hinsichtlich der zu ergreifenden Seuchenschutzmaßnahmen eingeräumt wird. Deshalb sprechen nach aktuellem Stand gute Gründe dafür, dass die ergriffenen Maßnahmen überwiegend rechtmäßig sein dürften.
Regelmäßig sehen die Allgemeinverfügungen, durch die Betriebsschließungen angeordnet werden, vor, dass die zuständigen Behörden auf Antrag Ausnahmegenehmigungen für andere für die Versorgung der Bevölkerung unbedingt notwendige Geschäfte erteilen können, soweit dies im Einzelfall aus infektionsschutzrechtlicher Sicht vertretbar ist. Wir empfehlen, solche Ausnahmeregelungen im Einzelfall zu prüfen.
Zu Vorsorgemaßnahmen gegen individuelle Betriebsschließungen sehen Sie bitte unsere News vom 11.03.2020.
Der Gesetzgeber ist gefragt
Zwar dürften die hier maßgeblichen Regelungen des IfSG bei ihrer Schaffung weder eine Pandemie des aktuellen Ausmaßes noch die schweren wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen vor Augen gehabt haben, die die aktuell auf Grundlage des IfSG ergriffenen Maßnahmen in einer solchen Pandemie nach sich ziehen. Auch sind verschiedene Rechtsfragen nicht abschließend geklärt – etwa der Umfang des Anspruchs nach § 56 IfSG oder das Verhältnis der Entschädigungsregelung des § 65 IfSG zu Entschädigungsansprüchen von Nichtstörern nach allgemeinem Landespolizeirecht (etwa § 59 Allgemeines Sicherheits- und Ordnungsgesetz Berlin, § 39 Ordnungsbehördengesetz NRW). Ein umfangreiches Entschädigungsregime, das für die große Zahl der von den Schutzmaßnahmen betroffenen Unternehmen und Betriebe Abhilfe schaffen könnte, lässt sich auf die bestehenden Regeln des IfSG jedoch nicht stützen.
Vor diesem Hintergrund ist es Sache des Gesetzgebers, Entschädigungen für von Betriebsschließungen infolge der Corona-Krise betroffene Unternehmen und Betriebe einzuführen. Offenbar wird in der Bundesregierung die Schaffung eines Entschädigungsfonds diskutiert; der genaue Sachstand ist jedoch unbekannt. Andere EU-Mitgliedstaaten haben solche Maßnahmen offenbar bereits ergriffen, und die EU-Kommission erachtet solche Maßnahme beihilferechtlich grundsätzlich für zulässig.
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