Das Gesetz zur Änderung des COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetzes wurde beschlossen
Das Gesetz zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht und zur Begrenzung der Organhaftung bei einer durch die COVID-19-Pandemie bedingten materiellen Insolvenz (COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetz – „COVInsAG“) wurde am 27. März 2020 vom Bundestag beschlossen und trat rückwirkend zum 1. März 2020 in Kraft. Am 17. September 2020 ist nun der Gesetzesentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD (Regierungsentwurf, BT-Drs. 19/22178 vom 8. September 2020) zur Änderung des COVInsAG in nahezu unveränderter Fassung vom Bundestag mehrheitlich angenommen und als Gesetz beschlossen worden (BT Drs. 0542/20). Der Bundesrat hat zu diesem (laut Regierungsentwurf nicht zustimmungsbedürftigen Gesetz) auch bereits mitgeteilt, dass er den Vermittlungsausschuss nicht anrufen wird (BR Drs. 0542/20). Damit steht fest, dass das Gesetz am Tag nach seiner Verkündung (im Bundesgesetzblatt) in Kraft tritt. Es steht zu erwarten, dass die Verkündung im Bundesgesetzblatt unmittelbar bevorsteht, das heißt zum Ende des Monats September 2020 erfolgen wird.
Im Vergleich zum ursprünglichen Gesetzesentwurf der Bundesregierung wurde auf Beschlussempfehlung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz (6. Ausschuss) lediglich der von der Bundesregierung geplante Absatz 4 in § 2 CoVInsAG umformuliert (die Beschlussempfehlung und der Bericht des Rechtsausschusses sind als BT-Drs. 19/22593 vom 16. September 2020 hier abrufbar). Klarstellend bestimmt § 2 Abs. 4 COVInsAG nun, dass § 2 Abs. 1 COVInsAG anwendbar ist, soweit nach § 1 Abs. 2 COVInsAG n.F. die Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrags ausgesetzt ist und keine Zahlungsunfähigkeit vorliegt, sowie dass in diesem Fall § 2 Abs. 2 COVInsAG entsprechende Anwendung findet und § 2 Abs. 3 COVInsAG unberührt bleibt (BT Drs. 0542/20, hier abrufbar). Mit dieser Änderung im Vergleich zum Regierungsentwurf soll vermieden werden, dass der in § 2 Abs. 4 COVInsAG enthaltene Hinweis auf die Anwendbarkeit der Absätze 1 bis 3 dahingehend missverstanden wird, dass die Rechtsfolgen der Absätze 2 und 3 des § 2 COVInsAG künftig nicht mehr zum Tragen kommen sollen. Dem Gesetzgeber war es jedoch wichtig klarzustellen, dass die Erleichterungen des § 2 Abs. 2 COVInsAG auch weiterhin für Unternehmen gelten, die nicht (bereits) insolvenzreif sind oder die keiner Insolvenzantragspflicht unterliegen (wie etwa Einzelkaufleute oder Kommanditgesellschaften mit einer natürlichen Person als Komplementär). Ferner sollen auch weiterhin für Kredite, die von der Kreditanstalt für Wideraufbau, ihren Finanzierungspartnern sowie anderen Institutionen im Rahmen staatlicher Hilfsprogramme gewährt werden, die in § 2 Abs. 3 angelegten Erleichterungen gelten. § 2 Abs. 3 gilt daher unabhängig davon, ob die Antragspflicht besteht und/oder ausgesetzt ist. Das bedeutet, dass beispielsweise KfW-Finanzierungen auch weiterhin nach Ablauf des Aussetzungszeitraums privilegiert werden (d.h. keine Sittenwidrigkeit, Anfechtungsschutz), und zwar unabhängig davon, ob der Kreditnehmer vor Auszahlung der Finanzierung zahlungsunfähig war.
Nachfolgend geben wir einen Überblick zu den zentralen Regelungen des COVInsAG sowie zu den Neuerungen des nunmehr beschlossenen Änderungsgesetzes.
I. Regelungen des COVInsAG
Bereits am 27. März 2020 berichteten wir über das Gesetz zur Abmilderung der Folgen der Covid-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht (BT-Drs. 19/18110), welches unter anderem das COVInsAG beinhaltet.
Wesentlicher Inhalt des COVInsAG war und ist es, die Insolvenzantragspflicht gemäß § 15a InsO und § 42 Abs. 2 BGB wegen Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO) und Überschuldung (§ 19 InsO) bis zum 30. September 2020 („Aussetzungszeitraum“) in Fällen auszusetzen, in denen die Krise eines Unternehmens auf der COVID-19-Pandemie beruht und in denen es nicht aussichtlos erscheint, eine bestehende Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen. Diese Voraussetzungen werden vom COVInsAG (widerlegbar) vermutet, sofern der Schuldner nicht zum 31. Dezember 2019 zahlungsunfähig war.
Für die Dauer der ausgesetzten Antragspflicht wurden zudem die Zahlungsverbote gemäß § 64 S. 1 GmbHG (und Parallelvorschriften) gelockert, um der Geschäftsleitung die Aufrechterhaltung des ordnungsgemäßen Geschäftsbetriebs zu erleichtern, ohne erhebliche Haftungsrisiken in dieser Zeit befürchten zu müssen. Weiter werden Insolvenzanfechtungsrechte eines Insolvenzverwalters/Sachwalters zur Rückgewähr eines im Aussetzungszeitraum gewährten neuen Kredites (auch Gesellschafterdarlehen) sowie die im Aussetzungszeitraum erfolgte Bestellung von Sicherheiten für solche Kredite (aber nicht für Sicherheiten für Gesellschafterdarlehen) eingeschränkt. Daneben werden Insolvenzanfechtungsrechte eines Insolvenzverwalters/Sachwalters wegen kongruenter Deckungshandlungen allgemein und wegen bestimmter inkongruenter Deckungshandlungen eingeschränkt. Darüber hinaus wurde klargestellt, dass Kreditgewährungen und Besicherungen im Aussetzungszeitraum nicht als sittenwidriger Beitrag zur Insolvenzverschleppung anzusehen sind, was insbesondere für die Gewährung von Krediten durch Banken eine wichtige Klarstellung war. Kredite im Rahmen staatlicher Hilfsprogramme anlässlich der COVID-19-Pandemie sind überdies auch über den Aussetzungszeitraum hinaus besonders privilegiert.
§ 4 COVInsAG ermächtigt das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) dazu, durch Rechtsverordnung den Aussetzungszeitraum bis maximal zum 31. März 2021 zu verlängern.
II. Im Änderungsgesetz beschlossene Neuerungen
Das Änderungsgesetz sieht vor, dass nicht von der Verordnungsermächtigung gemäß § 4 COVInsAG für das BMJV Gebrauch gemacht wird. Grund für die stattdessen umgesetzte Gesetzesänderung per Änderungsgesetz ist das gesetzgeberische Ziel, nur noch die Insolvenzantragspflicht aufgrund des Insolvenzgrundes der Überschuldung (§ 19 InsO), nicht aber mehr aufgrund der Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO) zu verlängern und bis zum 31. Dezember 2020 auszusetzen. Ob § 4 COVInsAG eine hinreichende Ermächtigungsgrundlage per Verordnung für eine solche nur eingeschränkte Verlängerung des Aussetzungszeitraums ermöglicht, war aus Sicht der Fraktionen der CDU/CSU ungewiss.
Ab dem 1. Oktober 2020 müssen daher diejenigen Unternehmen, die zahlungsunfähig sind, gemäß § 15a InsO wieder unverzüglich, das heißt ohne schuldhaftes Zögern, Insolvenzantrag stellen, spätestens aber binnen drei Wochen. Die dreiwöchige Frist darf dann jedoch nur ausgeschöpft werden, wenn nicht nur vage Hoffnungen auf eine Beseitigung der Zahlungsunfähigkeit bestehen, sondern konkrete, greifbare Aussichten auf eine Beseitigung der Zahlungsunfähigkeit. Die gesetzliche Vermutung gemäß § 1 S. 3 COVInsAG, dass Aussichten auf eine Beseitigung der Zahlungsunfähigkeit bestehen, entfällt mit Ablauf des 30. September 2020, sodass die volle Darlegungs- und Beweislast für konkrete Aussichten auf eine Beseitigung der Zahlungsunfähigkeit insofern wieder bei der Geschäftsführung des in Krise geratenen Unternehmens liegt.
Für „lediglich“ überschuldete Unternehmen im Sinne des § 19 InsO ändert sich die Rechtslage hingegen nicht. Insofern bleibt die Insolvenzantragspflicht bis zum 31. Dezember 2020 weiter ausgesetzt, sofern die Voraussetzungen gemäß § 1 COVInsAG (Überschuldung beruht auf der Pandemie; Sanierung ist nicht aussichtslos) weiterhin vorliegen. Diese Unterscheidung zwischen Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit wird damit begründet, dass die Krise bei einer Zahlungsunfähigkeit in der Regel bereits weiter fortgeschritten ist und das Unternehmen laufende Kosten und Verbindlichkeiten nicht mehr decken kann. Eine weitere Verschonung von zahlungsunfähigen Unternehmen sei nunmehr, anders als noch zur Zeit der Verabschiedung des COVInsAG im März 2020, aus Sicht des Gesetzgebers heute nicht mehr verhältnismäßig. Zudem beruhe die Überschuldungsprüfung auch auf einer Fortführungsprognose, die im Wesentlichen eine Liquiditätsprognose ist und sich auf einen Zeitraum von bis zu zwei Jahren bezieht. Gegenwärtig könne dieser Prognosezeitraum jedoch aufgrund der Unwägbarkeiten der COVID-19-Pandemie kaum zuverlässig beurteilt werden, da mit einer nachhaltigen Erholung erst ab Verfügbarkeit eines Impfstoffs zu rechnen ist und ein solcher frühestens in einigen Monaten greifbar sein wird.
Die haftungs- und anfechtungsrechtlichen Erleichterungen gemäß § 2 COVInsAG gelten nach der Gesetzesänderung dementsprechend nur noch für überschuldete Unternehmen über den 30. September 2020 hinaus bis zum 31. Dezember 2020 fort. Für zahlungsunfähige Unternehmen entfällt diese Privilegierung zum 1. Oktober 2020 mit der Folge, dass Kreditgeber und Vertragspartner dann den gewöhnlichen Insolvenzanfechtungs- und Haftungsrisiken wieder ausgesetzt sind.
III. Ausblick
Aufgrund der besonderen Eilbedürftigkeit des Gesetzes wird das Änderungsgesetz am Tag nach seiner Verkündung in Kraft treten. Es ist davon auszugehen, dass die Verkündung des Änderungsgesetzes im Bundesgesetzblatt unmittelbar bevorsteht, das heißt zum Monatsende September 2020 erfolgen wird.
Geschäftsleiter sind daher gehalten, zeitnah die wirtschaftliche Lage ihrer Gesellschaft auf eine mögliche Zahlungsunfähigkeit (und Überschuldung) hin zu überprüfen. Wird eine Zahlungsunfähigkeit (oder Überschuldung) festgestellt, so ist weiter zu prüfen, welche Sanierungschancen für die Gesellschaft bestehen. Erscheint eine Sanierung aussichtslos, ist bereits jetzt unverzüglich Insolvenzantrag zu stellen und sind Zahlungen aus dem Gesellschaftsvermögen nur noch eingeschränkt zulässig. Denn der Aussetzungszeitraum bis zum 30. September 2020 darf nur ausgeschöpft werden und die weiteren haftungs- und anfechtungsrechtlichen Privilegierungen gelten nur, wenn die Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit (im Ergebnis also eine Sanierung) nicht aussichtslos erscheint. Sofern eine Sanierung nicht aussichtslos erscheint, sind alle bestehenden Sanierungschancen umgehend von den Geschäftsleitern (parallel) zu verfolgen. Denn spätestens ab dem 1. Oktober 2020 läuft die Drei-Wochen-Frist für einen Insolvenzantrag wegen Zahlungsunfähigkeit gemäß §§ 15a InsO, 42 Abs. 2 BGB und entfallen vorgenannte insolvenzrechtliche Privilegierungen.
Aus dem Wegfall der haftungs- und anfechtungsrechtlichen Erleichterungen bei Zahlungsunfähigkeit ergeben sich ab dem 1. Oktober 2020 für Vertragspartner dann auch wieder Risiken.
Banken und sonstige Kreditgeber werden verstärkt darauf achten müssen, sich nicht einem Haftungsrisiko wegen Mitwirkung an einer Insolvenzverschleppung oder aus § 826 BGB durch Kreditvergabe an zahlungsunfähige Unternehmen auszusetzen. Bei Kreditgewährungen ab dem 1. Oktober 2020 werden aus Sicht der finanzierenden Banken als Mindestvoraussetzung daher Nachweise erforderlich, aus denen sich ergibt, dass die kreditnehmende Gesellschaft nicht zahlungsunfähig ist oder dass eine bereits eingetretene Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft durch die Kreditaufnahme zumindest wieder vollständig und nachhaltig beseitigt werden kann. Insbesondere mit Blick auf die ab dem 31. Dezember 2020 auch bei Überschuldung wieder eintretende Insolvenzantragspflicht werden Kreditgeber sich erwartungsgemäß zudem einen Liquiditätsplan vorlegen lassen, aus dem sich ergibt, dass die Gesellschaft aus heutiger Sicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit im laufenden und kommenden Geschäftsjahr durchfinanziert ist, sodass auch eine drohende Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft fernliegend ist und eine positive Fortbestehensprognose der Gesellschaft mit überwiegender Wahrscheinlichkeit bejaht werden kann.
Gläubigern ist insgesamt anzuraten, bei Anzeichen wirtschaftlicher Probleme ihrer Vertragspartner Vorsicht walten zu lassen und entsprechende Vorkehrungen zu treffen, um Forderungsausfälle zu vermeiden, etwa durch eine (vertragliche) Anpassung der Zahlungsmodalitäten (Verkürzung der Zahlungsziele auf unter 30 Tage; Lieferung von Ware nur noch gegen Vorkasse oder dergleichen). Zudem sollte sichergestellt werden, dass die Entgegennahme inkongruenter Gegenleistungen, also andere als die vom Vertragspartner geschuldeten Leistungen (z.B. Forderungsabtretung statt Barzahlung) vermieden werden.