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Vorsicht beim Forderungsverzicht durch Gesellschafter

03.05.2024

Hintergrund

Der Forderungsverzicht durch Gesellschafter von Kapital- und Personengesellschaften ist ein verbreitetes Gestaltungsinstrument zur Stärkung von Unternehmen in wirtschaftlicher Schieflage. In der Vorbereitung von Unternehmensnachfolgen haben Gesellschafterverzichte – vor allem gegenüber Personengesellschaften – ebenfalls einen festen Platz, etwa zur Reduzierung des schädlichen Verwaltungsvermögens im Rahmen der Verschonung von Betriebsvermögen von der Erb- bzw. Schenkungsteuer. Zu prüfen sind jedoch stets auch die ertragsteuerlichen Folgen eines Gesellschafterverzichts, wie die jüngste Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 16.12.2023 (Az. IV R 28/20) erneut vor Augen führt.

Ertragsteuerliche Behandlung eines Gesellschafterverzichts bei Kapitalgesellschaften

Die ertragsteuerliche Behandlung eines Forderungsverzichts durch Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft ist aufgrund zahlreicher Entscheidungen des BFH weitgehend geklärt. Zunächst ist festzustellen ob der Forderungsverzicht betrieblich oder durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist. Von einer Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis wird regelmäßig ausgegangen, wenn ein Nichtgesellschafter bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns den Forderungsverzicht nicht erklärt hätte (sog. Fremdvergleich). Ist der Forderungsverzicht durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst, ist in Höhe des werthaltigen Teils der Forderung eine verdeckte Einlage in die Kapitalgesellschaft und in Höhe des nicht werthaltigen Teils der Forderung ein grundsätzlich steuerpflichtiger Ertrag der Kapitalgesellschaft infolge der Ausbuchung der korrespondierenden Verbindlichkeit (der BFH spricht von einem „Wegfallgewinn“) anzunehmen. Zudem erhöht sich der Bestand des steuerlichen Einlagekontos der Kapitalgesellschaft um den werthaltigen Teil der Forderung. Ist der Forderungsverzicht betrieblich veranlasst (etwa weil wesentliche Fremdgläubiger gleichermaßen verzichten), ist die korrespondierende Verbindlichkeit der Kapitalgesellschaft auszubuchen und es entsteht – vorbehaltlich einer Steuerbefreiung für Sanierungserträge – in Höhe des vollen Nennbetrags der Verbindlichkeit ein steuerpflichtiger Wegfallgewinn auf Ebene der Kapitalgesellschaft.

Ertragsteuerliche Behandlung eines Gesellschafterverzichts bei Personengesellschaften

Bis zur Entscheidung vom 16.12.2023 waren die steuerlichen Folgen eines Gesellschafterverzichts gegenüber Personengesellschaften noch nicht Gegenstand der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Die Rechtslage ist daher deutlich weniger gesichert als beim Gesellschafterverzicht gegenüber Kapitalgesellschaften. Im Schrifttum werden hierzu verschiedene Auffassungen vertreten, unter anderem auch dahingehend, dass im Kontext des Gesellschafterverzichts gegenüber Kapitalgesellschaften relevante Kriterien wie die Art der Veranlassung des Verzichts (betrieblich bzw. durch das Gesellschaftsverhältnis) und die Werthaltigkeit der Forderung aufgrund der ertragsteuerlichen Transparenz von Personengesellschaften weit weniger bedeutsam seien und selbst beim Verzicht auf eine wertgeminderte Forderung ein steuerpflichtiger Wegfallgewinn auf Ebene der Personengesellschaft gar nicht oder erst in der Zukunft (beim Ausscheiden des verzichtenden Gesellschafters bzw. bei Auflösung der Gesellschaft) effektiv realisiert werde.

Entscheidung des BFH vom 16.12.2023

Der BFH hatte nunmehr erstmals über die steuerlichen Folgen eines Gesellschafterverzichts bei Personengesellschaften zu entscheiden. Es ging um die Frage, ob ein steuerpflichtiger Wegfallgewinn entsteht, wenn ein Gesellschafter eine Forderung gegenüber „seiner“ Personengesellschaft unter dem Nennwert erwirbt und anschließend auf den über den Kaufpreis hinausgehenden (wertlosen) Teil der Forderung verzichtet. Die Vorinstanz vertrat die Ansicht, dass bei der Personengesellschaft ein steuerpflichtiger Ertrag entstehe, dieser aber in einen steuerlichen Ausgleichsposten einzustellen und erst beim Ausscheiden des Gesellschafters oder bei der Vollbeendigung der Personengesellschaft zu versteuern sei. Abweichend hiervon entschied der BFH, dass der entstehende Ertrag nicht durch Bildung eines steuerlichen Ausgleichspostens neutralisiert werden könne. Im Ergebnis realisiert die Personengesellschaft aus Sicht des BFH einen sofort steuerpflichtigen Wegfallgewinn. Die ertragsteuerliche Transparenz von Personengesellschaften stehe dem nicht entgegen. Die Finanzverwaltung hat beschlossen, die Entscheidung des BFH allgemein anzuwenden.

Einordnung und Praxisfolgen

Auch beim Forderungsverzicht durch Gesellschafter einer Personengesellschaft ist Vorsicht geboten. Oftmals ist zu hören, dass ein Gesellschafterverzicht unabhängig von der Veranlassung des Verzichts und der Werthaltigkeit der Forderung jedenfalls aufgrund des Transparenzprinzips keine ertragsteuerlichen Nachteile habe oder diese erst zu einem späteren Zeitpunkt effektiv realisiert würden. Wie die Entscheidung des BFH zeigt, ist dies für jeden Einzelfall zu prüfen und kann es zu einem sofort steuerpflichtigen Wegfallgewinn kommen, wenn der Wertansatz der Forderung in der steuerlichen Sonderbilanz des Gesellschafters – aus welchem Grund auch immer – vom Wertansatz der korrespondierenden Verbindlichkeit auf Ebene der Personengesellschaft abweicht. In der Praxis sind diese Fälle nicht immer unmittelbar offensichtlich. Neben den Handelsbilanzen sind zwingend auch die steuerlichen Sonderbilanzen zu prüfen.

Korrespondieren die Wertansätze in der steuerlichen Sonderbilanz des Gesellschafters und in der Gesamthandsbilanz der Personengesellschaft, sollte ein Gesellschafterverzicht (selbst bei eingeschränkter oder fehlender Werthaltigkeit der Forderung) weiterhin nicht zu einem ertragsteuerlichen Wegfallgewinn auf Ebene der Personengesellschaft führen, weil ein etwaiger Ertrag aus der Ausbuchung der Verbindlichkeit der Personengesellschaft einem wertgleichen Aufwand in der steuerlichen Sonderbilanz des Gesellschafters gegenübersteht. Zwar hatte der BFH diese Frage im Urteilsfall nicht zu entscheiden. Dafür spricht jedoch die vom BFH zugrunde gelegte strikte „buchhalterische“ Betrachtung.

Durch die BFH-Entscheidung überholt sein dürfte die in der Literatur vorgeschlagene Gestaltung, anstelle eines Forderungsverzichts durch einen Nichtgesellschafter die fragliche Forderung unter ihrem Nennwert an einen Gesellschafter zu veräußern, der anschließend einen Gesellschafterverzicht erklärt.

Neben den ertragsteuerlichen Folgen eines Forderungsverzichts dürfen etwaige schenkungsteuerliche Implikationen nicht vernachlässigt werden.