Vergaberechtliche Regelungen in der neuen EU-Verordnung zur Kontrolle drittstaatlicher Subventionen
Am 12. Januar 2023 ist die EU-Verordnung 2022/2560 zur Kontrolle drittstaatlicher Subventionen (Foreign Subsidies Regulation – „FSR“) in Kraft getreten.
Was es mit dieser Verordnung auf sich hat und mit welche Vorbereitungen die Unternehmen jetzt treffen müssen, hatten wir in unserem ersten Artikel zur FSR berichtet.
Entsprechend ihrer Zielsetzung, einen starken, offener und wettbewerbsorientierten Binnenmarkt sicherzustellen, in dem europäische und drittstaatliche Unternehmen miteinander in einen (fairen) Leistungswettbewerb treten können, widmen sich die FSR in ihrem Kapitel 4 auch den öffentlichen Vergabeverfahren.
Die EU sieht im Bereich der öffentlichen Auftragsvergabe sogar einen hervorgehobenen Handlungsbedarf: Die Notwendigkeit, marktverzerrenden drittstaatlichen Subventionen entgegenzuwirken, sei hier „besonders ausgeprägt“, weil öffentliche Aufträge aus Steuergeldern finanziert werden (Erwägungsgrund Nr. 40).
Damit werden erstmals weitreichende Instrumente der Subventionskontrolle im Vergaberecht eingeführt. Der europäische Rechtsrahmen kannte bisher lediglich eine Kontrolle, ob unrechtmäßige mitgliedstaatliche Beihilfen vereinnahmt wurden, im Rahmen der Prüfung ungewöhnlich niedrig erscheinender Angebote (Art. 69 Abs. 4 der Vergaberichtlinie 2014/24/EU).
In institutioneller Hinsicht beschreitet die FSR mit den vergaberechtlichen Instrumenten wahres Neuland: Zum ersten Mal erhält die Europäische Kommission unmittelbare Einwirkungs- und Entscheidungskompetenzen im Rahmen mitgliedstaatlicher Vergabeverfahren.
Details zu den vergaberechtliche Anforderungen
Kapitel 4 der FSR sieht Regelungen für öffentliche Vergabeverfahren vor. Die Regelungen erfassen Verfahren für die Vergabe von Bau-, Liefer- und Dienstleistungsaufträgen sowie Bau- und Dienstleistungskonzessionen mit Ausnahme von verteidigungs- und sicherheitsrelevanten Aufträgen (vgl. Art. 28 Abs. 1 und 3 FSR).
Von einer (drohenden) Verzerrung des Binnenmarkts wird demnach grundsätzlich ausgegangen, wenn ausländische Subventionen einem Wirtschaftsteilnehmer ermöglichen, ein in Bezug auf die Bauleistungen, Lieferungen oder Dienstleistungen ungerechtfertigt günstiges Angebot abzugeben (Art. 27 FSR).
Um zu beurteilen, wann eine Verzerrung des Binnenmarkts durch unangemessen günstige Angebote drohen kann, sieht die FSR bestimmte Schwellenwerte vor. Sind diese erreicht, so müssen Unternehmen dem Auftraggeber bei der Einreichung ihres Angebots oder Teilnahmeantrags alle in den letzten drei Jahren erhaltenen drittstaatlichen Subventionen melden. Werden diese nicht überschritten, so gilt dennoch die Pflicht, drittstaatliche Zuwendungen anzuzeigen und zu bestätigen, dass sie die Schwellenwerte nicht erreichen (Art. 29 Abs. 1 FSR).
Der meldepflichtige Schwellenwert ist gegeben,
- wenn der geschätzte Wert des betreffenden Vergabeverfahrens über 250 Mio. EUR liegt und
- gleichzeitig die drittstaatliche Zuwendung mehr als 4 Mio. EUR pro Drittland beträgt.
Sofern die Aufträge in verschiedene Lose unterteilt werden, gilt ein zusätzlicher Schwellenwert von 125 Mio. EUR für den aggregierten Wert aller Lose, auf die sich das Unternehmen bewirbt (Art. 28 Abs. 2 FSR). Diese Pflicht gilt auch für die wichtigsten Unterauftragnehmer und Lieferanten, wenn der wirtschaftliche Anteil ihres Beitrags 20 % des geschätzten Auftragswerts übersteigt (Art. 28 Abs. 1 lit. b) in Verbindung mit Art. 29 Abs. 5 FSR).
Die Meldung über die Zuwendungen hat der Auftraggeber wiederum unverzüglich zur Prüfung an die Kommission weiterzuleiten (Art. 29 Abs. 2 FSR).
Nach Eingang der Meldung überprüft die Kommission zunächst die Vollständigkeit und führt dann zunächst eine Vorprüfung durch, für die grundsätzlich eine Frist von 20 Arbeitstagen nach Eingang der vollständigen Meldung vorgesehen ist (Art. 30 Abs. 2 FSR). Während dieser Frist darf das Vergabeverfahren zwar fortgesetzt, der Auftrag darf aber noch nicht vergeben werden (Art. 32 Abs. 1 FSR). Hält die Kommission schließlich eine eingehende Prüfung für erforderlich, so ist diese im Regelfall innerhalb von 110 Arbeitstagen nach Eingang der Meldung abzuschließen (Art. 30 Abs. 5 FSR). Solange die Prüfung andauert, darf der Auftrag nicht an ein Unternehmen vergeben werden, das drittstaatliche Subventionen erhalten hat (Art. 32 Abs. 2 FSR).
Daneben können Auftraggeber auch Informationen über wettbewerbsverzerrende ausländische Subventionen an die Kommission melden oder den Verdacht mitteilen, dass ein Unternehmen eine falsche Erklärung abgegeben hat (Art. 29 Abs. 7 FSR). Zudem kann die Kommission auch von Amts wegen tätig werden und eine Prüfung einleiten (Art. 29 Abs. 8 FSR).
Wenn die Kommission feststellt, dass ein Unternehmen von einer drittstaatlichen Subvention profitiert, die den Binnenmarkt verzerrt, gibt es zwei Möglichkeiten (Art. 30 FSR):
- Sofern das Unternehmen ausreichende Verpflichtungen zur Beseitigung anbietet, erklärt die Kommission diese durch Beschluss für verpflichtend.
- Bleiben ausreichende Verpflichtungen aus, untersagt die Kommission die Vergabe des Auftrags an das betreffende Unternehmen.
Die materiellen Maßstäbe, anhand derer die Kommission eine Verzerrung des Binnenmarkts prüft, sind dieselben wie für die gesamte Drittstaatensubventionskontrolle (Art. 4–6 FSR).
Werden die vergaberechtlichen Vorschriften nicht eingehalten, so kann die Kommission Geldbußen und Zwangsgelder gegen das Unternehmen verhängen (Art. 33 Abs. 1 i.V.m. Art. 17 FSR). Unrichtige oder irreführende Angaben in der Meldung von finanziellen Zuwendungen können mit Geldbußen von bis zu 1% des erzielten Gesamtumsatzes des Vorjahres bzw. die fehlende Meldung einer Subvention oder Umgehungskonstellationen mit Geldbußen von bis zu 10% des Gesamtumsatzes geahndet werden (Art. 33 Abs. 2 und 3 FSR).
Vorbereitung von Vergabeverfahren im Hinblick auf die FSR
Die FSR gilt für Vergabeverfahren, die ab dem 12.07.2023 eingeleitet werden (Art. 53 Abs. 4 FSR).
Mit Blick auf die Erfassung bereits gewährter Subventionen und finanzieller Zuwendungen und die geplante Anwendung ab Mitte dieses Jahres sollten sich Auftraggeber und Unternehmen bereits jetzt mit den vergaberechtlichen Auswirkungen der FSR über den Binnenmarkt verzerrende drittstaatliche Subventionen auseinandersetzen:
- Auftraggeber sollten auf die korrekte Ausgestaltung ihres Vergabeverfahrens und insbesondere ordnungsgemäße Meldung etwaiger drittstaatlicher finanzieller Zuwendungen an die Kommission achten.
- Unternehmen, die von drittstaatlichen finanziellen Zuwendungen profitieren, sollten ihre Finanzierung überprüfen und die ordnungsgemäße Anzeige der Zuwendungen in Vergabeverfahren im Blick behalten – insbesondere in Anbetracht der erheblichen finanziellen Risiken im Fall der fehlenden oder unrichtigen Anzeige.
- Auch Unternehmen, die selbst keine drittstaatlichen finanziellen Zuwendungen erhalten, sollten die FSR im Blick behalten, um etwaige Verstöße durch Mitbewerber ggf. zu rügen.
Die Kommission hat angekündigt, die Kontrolle konsequent durchzusetzen. Gerne unterstützen wir Sie insoweit bei den erforderlichen Überprüfungen und Vorbereitung der Verfahren bzw. Meldungen.
Mehr über die FSR
Dieser News Alert ist der dritte in einer Reihe von Artikeln über die FSR. Vorangegangene Artikel finden Sie hier:
Die EU-Verordnung zur Kontrolle drittstaatlicher Subventionen ist da: Was hat es damit auf sich?
What does the Foreign Subsidy Regulation mean for M&A transactions?
Wir werden in den weiteren News Alerts die FSR detaillierter erörtern und insbesondere ihre Auswirkungen auf die Fusionskontrolle, das öffentliche Beschaffungswesen, das Außenhandelsrecht und Weiteres mehr beleuchten. Melden Sie sich hier an, um alle unsere News Alerts zur FSR zu erhalten.