Update zur EU-Verordnung über Subventionen aus Drittstaaten: Bedingte Genehmigung in der ersten eingehenden Prüfung („Phase 2“) einer M&A-Transaktion
Am Dienstag, den 24. September 2024, hat die Europäische Kommission der Emirates Telecommunications Group Company PJSC („e&“) eine bedingte Genehmigung für den Erwerb der alleinigen Kontrolle über die PPF Telecom Group B.V. („PPF“, mit Ausnahme der tschechischen Geschäftsaktivitäten) im Rahmen der Verordnung über den Binnenmarkt verzerrende drittstaatliche Subventionen (Foreign Subsidies Regulation - „FSR“) erteilt. Diese Genehmigung ist an die Bedingung geknüpft, dass die von den Parteien angebotenen Verpflichtungszusagen vollständig eingehalten werden.
Hintergrund: (Teil-)Übernahme eines europäischen Telekommunikationsanbieters durch ein staatlich kontrolliertes Unternehmen aus den Vereinigten Arabischen Emiraten
Die Erwerberin, e&, ist ein staatlich kontrollierter Telekommunikationsanbieter aus den Vereinigten Arabischen Emiraten („VAE“), der u.a. Mobilfunk-Dienstleistungen anbietet und von einem staatlichen Vermögensfonds, der Emirates Investment Authority („EIA“), kontrolliert wird. PPF ist ein europäischer Telekommunikationsanbieter mit Sitz in den Niederlanden, der in der Tschechischen Republik, Bulgarien, Ungarn, Serbien und der Slowakei tätig ist. Die Geschäftsbereiche von PPF umfassen Telekommunikationsdienstleistungen und die zugrunde liegende Infrastruktur. PPF verfügt im Telekommunikationssektor über 10 Millionen Kunden.
Die M&A-Transaktion wurde bei der Europäischen Kommission am 26. April 2024 angemeldet. Die Europäische Kommission begann daraufhin mit der Vorprüfung („Phase 1-Prüfung“) im Rahmen des M&A-Notifizierungsverfahrens.
Während der Phase 1-Prüfung kamen Bedenken auf, da es hinreichende Anhaltspunkte für drittstaatliche (d.h. Nicht-EU-) Subventionen gab, die den EU-Binnenmarkt verzerren könnten (siehe unsere Übersicht vom 11. Juni 2024). Bei den fraglichen drittstaatlichen Subventionen handelte es sich vor allem um (i) eine unbegrenzte Garantie der VAE und (ii) ein Darlehen zugunsten der Erwerberin durch von den VAE kontrollierte Banken, mit denen die Transaktion unmittelbar erleichtert würde. Die Europäische Kommission hatte daher zum einen die Befürchtung, dass e& den Erwerb aufgrund von Subventionen leichter durchführen konnte. Zum anderen hätte das aus dem Zusammenschluss hervorgehende Unternehmen infolge der Subventionen von einer verbesserten Wettbewerbsposition im EU-Binnenmarkt profitieren können, insbesondere durch Vorzugsbedingungen für die Finanzierung seiner Tätigkeiten in der EU.
Aufgrund dieser Bedenken leitete die Europäische Kommission am 10. Juni 2024 erstmals eine eingehende Prüfung („Phase 2-Prüfung“) einer M&A-Transaktion ein. Die Europäische Kommission schloss ihre Phase 2-Prüfung mit der Erteilung einer bedingten Genehmigung für die Transaktion ab, vorbehaltlich der Einhaltung der Verpflichtungszusagen.
In der Pressemitteilung (die Entscheidung ist noch nicht veröffentlicht) gab die Europäische Kommission die folgenden Ergebnisse ihrer Phase 2-Prüfung bekannt:
- Die Phase 2-Prüfung habe ergeben, dass e& und die EIA in der Tat drittstaatliche Subventionen von den VAE erhalten haben, etwa eine unbegrenzte staatliche Garantie für e& – eine drittstaatliche Subvention, bei der nach der FSR mit größter Wahrscheinlichkeit eine Verzerrung des EU-Binnenmarkts stattfindet – sowie weitere Finanzhilfen wie Zuschüsse und Darlehen zugunsten der EIA.
- Diese drittstaatlichen Subventionen hätten den Wettbewerb während des Übernahmeprozesses nicht – nicht einmal potenziell – beeinflusst. e& sei nicht nur der einzige Bieter gewesen, sondern habe zudem über ausreichende Mittel für den Erwerb von PPF verfügt, sodass die drittstaatlichen Subventionen den Erwerbsprozess nicht beeinflusst hätten.
- Es gab jedoch Bedenken für die Zeit nach der Übernahme wegen möglicher Wettbewerbsverzerrungen im EU-Binnenmarkt aufgrund der drittstaatlichen Subventionen, die e& und die EIA erhalten haben.
Insbesondere die unbegrenzte staatliche Garantie hätte dem aus dem Zusammenschluss hervorgehenden Unternehmen einen Vorteil verschaffen können, indem sie es diesem ermöglicht hätte, seine Investitionen und Geschäftstätigkeiten leichter zu finanzieren und im Vergleich zu seinen Wettbewerbern auf dem EU-Binnenmarkt höhere Risiken einzugehen.
Verpflichtungszusagen von e& und EIA
Um diese Bedenken zu zerstreuen, schlugen e& und EIA mehrere Verpflichtungszusagen vor:
- Die Zusage, dass der Gesellschaftsvertrag von e& nicht vom allgemeinen Insolvenzrecht der VAE abweichen wird, wodurch die unbegrenzte staatliche Garantie wegfällt.
- Ein Verbot jeglicher Finanzierung von PPF-Aktivitäten auf dem EU-Binnenmarkt durch EIA und e&, außer in festgelegten Ausnahmefällen wie Nicht-EU-Aktivitäten oder einer „Notfallfinanzierung“, die der Überprüfung durch die Europäische Kommission unterliegen würden. Darüber hinaus müssen Transaktionen zwischen diesen Unternehmen zu Marktbedingungen erfolgen.
- Die Verpflichtung, dass e& die Europäische Kommission über künftige Übernahmen informiert, auch wenn diese nicht der Anmeldepflicht der FSR unterliegen.
Die Europäische Kommission hat die Verpflichtungszusagen von e& und EIA akzeptiert und die Transaktion unter der Maßgabe von deren Einhaltung genehmigt. Diese Verpflichtungszusagen zielen darauf ab, die von der Europäischen Kommission festgestellten Wettbewerbsverzerrungen auf dem EU-Binnenmarkt zu beseitigen. Nach Auffassung der Europäischen Kommission werden die Verpflichtungszusagen (i) die unbegrenzte staatliche Garantie beseitigen, (ii) verhindern, dass e& und EIA drittstaatliche Subventionen an das aus dem Zusammenschluss hervorgehende Unternehmen weitergeben, und (iii) die Europäische Kommission in die Lage versetzen, bestimmte Risikobereiche in geeigneter Weise zu überwachen. Ein unabhängiger Treuhänder wird die Einhaltung der Verpflichtungszusagen unter der Aufsicht der Europäischen Kommission überwachen. Die Verpflichtungszusagen gelten für 10 Jahre, mit einer möglichen Verlängerung um weitere 5 oder mehr Jahre, sofern eine solche Verlängerung zwischen der Europäischen Kommission und e& vereinbart wird.
Ausblick
Diese erste Entscheidung der Europäischen Kommission auf Grundlage der FSR, nach Abschluss einer Phase 2-Prüfung im Rahmen einer M&A-Transaktion, ist ein bedeutender Meilenstein.
Sie ist ein wichtiger Präzedenzfall für künftige Fälle und bietet hilfreiche Anhaltspunkte für künftige Anmeldungen nach der FSR. Bislang hatten die Marktteilnehmer wenig praktische Kenntnis von der Entscheidungspraxis der Europäischen Kommission, da es keine finalen Entscheidungen in einer Phase 2-Prüfung gab.
Darüber hinaus zeigt das beschleunigte Verfahren (die Entscheidung wurde fast zweieinhalb Monate vor der geltenden gesetzlichen Frist erlassen), dass eine eingehende Prüfung innerhalb eines angemessenen Zeitrahmens abgeschlossen werden kann, wenn die Parteien kooperativ mit der Europäischen Kommission zusammenarbeiten.
Die Entscheidung zeigt auch, wie wichtig es für Unternehmen ist, geplante Transaktionen, die nach der FSR angemeldet werden müssen, sorgfältig zu prüfen. So können potenzielle Komplikationen frühzeitig erkannt und Abhilfemaßnahmen entwickelt werden, um ein reibungsloses Anmeldeverfahren bei der Europäischen Kommission zu gewährleisten.
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