Update: Wirksamkeit von Gerichtsstandsvereinbarungen mit Existenzgründern
Mit Urteil vom 31.05.2021, Az. 10 O 107/19 entschied das LG Berlin überraschend, dass Gerichtsstandsvereinbarungen mit sog. Existenzgründern in Franchiseverträgen unwirksam sind. Es stellte sich damit gegen die wohl herrschende Rechtsprechung und Literatur. Wir hatten über das Urteil bereits in unserem Beitrag vom 06.10.2021 berichtet.
Das KG Berlin hob die Entscheidung des LG Berlin nun auf und schloss sich damit der wohl herrschenden Ansicht an. Es stellt damit klar, dass Gerichtsstandsvereinbarungen mit Franchisenehmern, die Existenzgründer sind, wirksam vereinbart werden können.
Das Urteil des KG Berlin
Gegenstand des Urteils des KG Berlin war nachfolgende Gerichtsstandsvereinbarung, welche im Franchisevertrag enthalten war:
„Für alle aus oder im Zusammenhang mit diesem Franchisevertrag entstehenden Auseinandersetzungen vereinbaren die Parteien die ausschließliche Zuständigkeit des Landgerichts am Sitz des Franchisegebers.“
Während das LG Berlin noch meinte, für die Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung nach § 38 ZPO hätte die Kaufmannseigenschaft bereits vor Abschluss des Franchisevertrages vorliegen müssen, begründet das KG Berlin die Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung wie folgt:
- Eine Gerichtsstandsvereinbarung gem. § 38 ZPO kann auch wirksam in dem Vertrag getroffen werden, der die dafür erforderliche Kaufmannseigenschaft erst begründet. Nicht erforderlich ist, dass die Partei bei Abschluss der Gerichtsstandsvereinbarung bereits Kaufmann ist. § 38 ZPO ist auch auf Kaufleute im Existenzgründungsstadium anzuwenden.
- Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Wortlaut der prozessrechtlichen Norm (§ 38 ZPO). Diese spricht von „Kaufleuten“. Da dieser Begriff im Prozessrecht nicht definiert ist, ist auf den Begriff des „Kaufmanns“ im Handelsrecht zurückzugreifen (§ 1 HGB). Beide Begriffe sind einheitlich auszulegen.
- In § 1 Abs. 1 HGB heißt es: „Kaufmann im Sinne dieses Gesetzbuchs ist, wer ein Handelsgewerbe betreibt.“ Als „Betrieb“ eines Handelsgewerbes ist allemal der Abschluss des maßgeblichen, die gewerbliche Tätigkeit begründenden Vertrages – hier des Franchisevertrages – anzusehen. Damit bringt der Franchisenehmer gegenüber einem Dritten im zivilrechtlichen Rechtsverkehr zum Ausdruck, fortan ein Handelsgewerbe zu betreiben. Es wäre unverständlich, wollte man den entscheidenden unternehmerischen Gründungsakt noch als privatrechtlich, jedes sich daran anschließende weitere Handeln jedoch als – dann fraglos – kaufmännisch ansehen.
- Etwas Gegenteiliges folge auch nicht aus dem Gesichtspunkt des Verbraucherschutzes: Wer sich für eine bestimmte gewerbliche oder selbständige berufliche Tätigkeit entscheidet und Geschäfte, die auf die Aufnahme der unternehmerischen Tätigkeit abzielten, abschließt, begibt sich in den „schärferen Wind“ des unternehmerischen Geschäftsverkehrs. Er kann im Verhältnis zu seinen zukünftigen Geschäftspartnern und eventuell auch Konkurrenten nicht noch den „Schutz“ der Verbrauchersphäre in Anspruch nehmen. Vor allem derjenige, der ein Unternehmen erwirbt oder einen Handelsvertreter- oder Franchisevertrag abschließt, um auf dieser Basis in Zukunft unternehmerisch tätig zu werden, kann für dieses „Startgeschäft“ nicht den Verbraucherschutz in Anspruch nehmen.
Es genügt für die Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung daher, dass das Unternehmen, welches nach Abschluss des Franchisevertrages betrieben werden soll, unzweifelhaft auf einen kaufmännischen Geschäftsbetrieb angelegt ist.
Praxisfolgen
Insgesamt schließt sich das KG Berlin mit seinem Urteil der wohl herrschenden Ansicht in Rechtsprechung und Literatur an und stellt klar, dass richtigerweise Gerichtsstandsvereinbarungen auch wirksam mit Franchisenehmern, die Existenzgründer sind, geschlossen werden können. Die gegenteilige Argumentation des LG Berlin überzeugte nicht. Bis dato sieht wohl nahezu jeder Franchisevertrag eine Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten des Sitzes des Franchisegebers vor, auch wenn der Franchisenehmer zum Zeitpunkt der Unterzeichnung des Franchisevertrags bzw. der Gerichtsstandsvereinbarung lediglich Existenzgründer ist. Das KG Berlin schafft nun auch für Gerichtsstandsvereinbarung mit Existenzgründern, welche die örtliche Zuständigkeit des LG Berlin vorsehen, Klarheit. Da jedoch weiterhin eine Entscheidung des BGH aussteht, bleibt Vorsicht bei Gerichtsstandsvereinbarungen mit Franchisenehmern, die Existenzgründer sind, geboten.