Update Geothermie: Beschleunigungsgesetz für die Wärmewende vorgestellt
(Teil 3 der Beitragsreihe Geothermie)
In den letzten Monaten ist bei der Dekarbonisierung der Wirtschaft die Wärmeversorgung verstärkt in den Fokus der politischen Debatte gerückt. Während der Stromsektor infolge der intensiv vorangetriebenen Energiewende beachtliche Erfolge vorweisen kann, ist die Wegstrecke zur Erreichung der Klimaneutralität im Wärmebereich noch deutlich länger. Neben der Sanierung von privaten Heizungsanlagen, die auf Grundlage des viel diskutierten Gebäudeenergiegesetzes perspektivisch zu einem Großteil mit erneuerbaren Energien betrieben werden sollen, sollen auch Geothermie-Anlagen einen relevanten Beitrag zur Wärmewende leisten.
In den ersten beiden Teilen dieser Beitragsreihe wurden die derzeit bestehenden genehmigungsrechtlichen Voraussetzungen sowie Förderprogramme für Geothermie auf Bundes- und Landesebene erläutert. Vor wenigen Tagen hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz den Entwurf eines Gesetzes zur Beschleunigung von Genehmigungsverfahren für Geothermie-Anlagen, Wärmepumpen und Wärmespeichern sowie weiterer rechtlicher Rahmenbedingungen vorgestellt. Dabei handelt es sich um ein klassisches Beschleunigungsgesetz, das durchaus zu einer signifikanten Verkürzung von Genehmigungsverfahren im Zusammenhang mit Geothermie-Anlagen führen dürfte. Nachfolgend werden die wesentlichen Elemente des Gesetzes sowie die zu erwartenden Auswirkungen dargestellt.
I. Gesetz zur Beschleunigung der Genehmigung von Geothermie-Anlagen, Wärmepumpen sowie Wärmespeichern („GeoWG“)
Nach dem Referentenentwurf soll ein neues Gesetz geschaffen werden, das gebündelt die rechtlichen Rahmenbedingungen für einen einfacheren und schnelleren Auf- und Ausbau von Geothermie-Infrastruktur sowie von Wärmepumpen und -speichern schaffen soll.
Anders als etwa die Förderregeln in Nordrhein-Westfalen (siehe hierzu Teil 2 der Beitragsreihe) differenziert der Gesetzentwurf nur zwischen oberflächennaher und Tiefengeothermie. Die mitteltiefe Geothermie wird dabei jedoch nicht etwa ausgeklammert, vielmehr gilt als Anlage zur Gewinnung von oberflächennaher Geothermie eine Anlage mit Bohrungen von einer Teufe von bis zu 400 Metern, während Anlagen mit tieferen Bohrungen pauschal als Anlagen zur Gewinnung von Tiefengeothermie definiert werden.
1. Überragendes öffentliches Interesse
Der Gesetzentwurf sieht vor, dass die Errichtung und der Betrieb einer Geothermie-Anlage, einer Wärmepumpe und eines Wärmespeichers einschließlich der erforderlichen Bohrungen bis zum Erreichen der Netto-Treibhausgasneutralität im Jahr 2045 im überragenden öffentlichen Interesse liegt und der öffentlichen Gesundheit und Sicherheit dient. Damit wird derselbe Ansatz verfolgt wie im Erneuerbare-Energien-Gesetz, welches das überragende öffentliche Interesse bereits seit der letzten Novelle im Jahr 2022 für Anlagen zur Gewinnung von Strom aus erneuerbaren Energien festschreibt. Diese Festlegung hat erheblichen Einfluss auf die Abwägung mit widerstreitenden Interessen im Genehmigungsverfahren, da diese nun gewissermaßen determiniert ist und nur in Ausnahmefällen zu einem anderen Ergebnis führen kann. Die klare Priorisierung von Anlagen zur erneuerbaren Wärmeerzeugung dürfte daher ähnlich wie im Stromsektor dazu führen, dass Entscheidungen schneller und eindeutiger getroffen werden können, da der Abwägungs- und Begründungsaufwand deutlich reduziert wird.
2. Vorzeitiger Beginn
Weitere Beschleunigung soll dadurch erreicht werden, dass der vorzeitige Beginn bei einem nach Wasserrecht oder Bergrecht genehmigungsbedürftigen Vorhaben erleichtert wird. Sowohl nach dem Wasserhaushaltsgesetz als auch nach dem Bundesberggesetz kann bereits vor Genehmigungserteilung mit der Gewässerbenutzung bzw. der Ausführung des Vorhabens begonnen werden, wenn (unter anderem) ein öffentliches Interesse oder ein berechtigtes Interesse des Unternehmers an dem vorzeitigen Beginn besteht. Das GeoWG bestimmt nun, dass bei entsprechend genehmigungsbedürftigen Anlagen zur erneuerbaren Wärmeerzeugung stets ein solches öffentliches Interesse vorliegt. Durch diese Regelung dürfte sich die praktische Umsetzung deutlich beschleunigen, da das Interesse nicht mehr aufwendig nachgewiesen und geprüft werden muss, sondern nur noch, ob die übrigen Voraussetzungen wie die positive Entscheidungsprognose und die Unwahrscheinlichkeit von nicht wiedergutzumachenden Beeinträchtigungen vorliegen.
3. Zivilrechtliche Änderungen
In zivilrechtlicher Hinsicht wird die Möglichkeit eingeschränkt, gegen benachbarte Geothermie-Vorhaben aufgrund von Auswirkungen auf das eigene Grundstück vorzugehen. So gilt nach dem GeoWG eine Beeinträchtigung als unwesentlich und damit duldungspflichtig i.S.d. § 906 Abs. 1 Satz 1 BGB, wenn die zugeführte oder entzogene Wärme nicht die Untergrundtemperatur um mehr als sechs Kelvin ändert und eine bestehende oder konkret geplante Nutzung des Grundstücks unmöglich macht oder wesentlich erschwert.
4. Rechtsschutzverkürzung
Auf Rechtsschutzebene wird eine Beschleunigung dadurch erreicht, dass Widerspruch und Anfechtungsklage gegen eine Zulassungsentscheidung für Geothermie-Vorhaben, Wärmepumpen und Wärmespeicher einschließlich der erforderlichen Bohrungen sowie gegen die Entscheidung über den vorzeitigen Beginn einer Maßnahme keine aufschiebende Wirkung haben. Eilrechtsschutz kann nur binnen eines Monats nach Zustellung der Zulassungsentscheidung beantragt und begründet werden. Zudem wird der Instanzenzug dahingehend verkürzt, dass sämtliche Streitigkeiten über Geothermie-Anlagen und Großwärmepumpen den Oberverwaltungsgerichten zugewiesen werden.
Insgesamt soll also dadurch eine Beschleunigung erreicht werden, dass gewisse Prüfungspunkte und Abwägungen vorweggenommen werden bzw. weitestgehend determiniert sind und Rechtsschutzmöglichkeiten eingeschränkt werden.
II. Änderung des Bundesberggesetzes
Der zweite große Beschleunigungsansatz findet sich in der Novellierung des Bundesberggesetzes. Unter anderem wird die Beteiligung anderer Behörden dahingehend eingeschränkt, dass nach Ablauf einer Monatsfrist ohne Stellungnahme fingiert wird, dass sich die beteiligte Behörde nicht äußern will. Dies soll Behörden offenkundig dazu anhalten, Anfragen anderer Behörden schneller zu bearbeiten.
Von der grundsätzlich gemäß §§ 51 ff. BBergG bestehenden Betriebsplanpflicht kann die zuständige Behörde künftig Betriebe von geringer Gefährlichkeit ausnehmen. Bislang war dies nur für Betriebe möglich, die zusätzlich zur geringen Gefährlichkeit nur von geringer Bedeutung sind, was nicht zu den gewünschten Dimensionen der Nutzung von Geothermie passt. Soweit Hauptbetriebspläne aufgestellt werden müssen, soll dies für einen längeren Zeitraum erfolgen statt wie bislang nur für zwei Jahre.
Die zentrale Neuerung liegt jedoch in der Änderung des § 57e BBergG. Dieser sah bislang vor, dass das Verfahren zur Zulassung von Betriebsplänen für Geothermie-Vorhaben nur auf Antrag des Unternehmers über eine einheitliche Stelle abgewickelt werden soll. Diese einheitliche Abwicklung wird künftig Standard und muss ausschließlich in elektronischer Form erfolgen. Die einheitliche Stelle hat hierbei die Aufgabe, eine vollständige Koordinierung der Zulassungsverfahren sicherzustellen und Stellungnahmen bei weiteren beteiligten Behörden selbständig einzuholen. Die Bearbeitungsfristen werden deutlich verkürzt: Binnen 30 Tagen nach Eingang des Antrags muss die zuständige Behörde die Vollständigkeit der Antragsunterlagen bestätigen oder bei Unvollständigkeit unverzüglich zur Ergänzung auffordern. Über die Zulassung von Geothermie-Vorhaben muss künftig grundsätzlich innerhalb eines Jahres entschieden werden (bislang betrug die Frist bei großen Vorhaben zwei Jahre). Bei Vorhaben zur Gewinnung von Erdwärme mittels Installation von Wärmepumpen mit einer Kapazität von unter 50 Megawatt wird die Frist sogar auf drei Monate verkürzt. Auch die Möglichkeiten zur Fristverlängerung werden deutlich eingeschränkt; im Grundsatz kann nur noch einmalig um bis zu sechs Monate verlängert werden, wenn außergewöhnliche Umstände vorliegen. Bei Vorhaben mit einer Stromerzeugungskapazität von weniger als 150 Kilowatt und Modernisierungsvorhaben ist hingegen nur eine einmalige Verlängerung um bis zu drei Monate möglich. Schließlich werden auch die Fristen für die Prüfung einer angezeigten Bohrung bis zu einer Teufe von 400 Metern, also im Rahmen der oberflächennahen Geothermie, deutlich verkürzt.
III. Änderung des Wasserhaushaltsgesetzes
Auch im Wasserhaushaltsgesetz werden Erleichterungen geschaffen. So entfällt die Genehmigungspflicht für Großwärmepumpen, wenn die zuständige Behörde binnen eines Monats nach Eingang der Anzeige nichts anderes mitteilt.
Zudem werden die erlaubnisfreien Benutzungen des Grundwassers ausgeweitet. Neben dem Entnehmen, Zutagefördern, Zutageleiten oder Ableiten von Grundwasser für den Haushalt bedarf nunmehr auch die Wärmeversorgung über den Entzug von Wärme aus dem Wasser keiner Erlaubnis oder Bewilligung mehr. Dies gilt auch für das Einbringen von Stoffen in das Grundwasser zur Wärmeversorgung mittels oberflächennaher Geothermie, soweit keine signifikanten nachteiligen Auswirkungen auf den Wasserhaushalt zu besorgen sind.
IV. Zusammenfassung und Ausblick
Mit dem geplanten Beschleunigungsgesetz werden zahlreiche verfahrensrechtliche Hürden genommen. Die Kombination aus Priorisierung, Genehmigungsfreistellung, Einschränkung von verzögernden Rechtsschutzmöglichkeiten, verkürzten Genehmigungsfristen und Vereinheitlichung sowie Digitalisierung von Genehmigungsverfahren dürfte eine spürbare Verfahrensbeschleunigung zur Folge haben. Für Unternehmen wird die Planung und Umsetzung von Geothermie-Projekten planbarer und dadurch attraktiver. Nichtsdestotrotz bleibt die Nutzung von Geothermie ein komplexes Unterfangen, das sorgfältiger rechtlicher Vorbereitung bedarf.
Lesen Sie hier die ersten beiden Beiträge aus der Beitragsreihe Geothermie: