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Unzulässige Presse­mit­teilung der BNetzA wegen namentlicher Nennung bei der Buß­geld­ver­hängung

VG Köln, Urt. v. 17.11.2023

01.03.2024

I. Einleitung

Die Bundesnetzagentur (BNetzA) darf keine Pressemitteilung veröffentlichen, in der sie unter namentlicher Nennung des betroffenen Unternehmens über den Erlass eines Bußgeldbescheides unterrichtet. Es fehle hierbei an einer dem Kartellrecht kongruenten Ermächtigungsgrundlage zur Veröffentlichung von Bußgeldverhängungen. Die Entscheidung ist höchst praxisrelevant, auch für andere Rechts- und Regulierungsbereiche, in denen die Aufsichtsbehörden – wie im Datenschutz – sehr aktiv in ihrer Öffentlichkeitsarbeit sind.

II. Hintergrund

Die Klägerin ist im Telemarketing tätig und betreibt mehrere Call-Center. Die Beklagte ist die Bundesnetzagentur (BNetzA). Die Beklagte leitete gegen die Klägerin ein Ordnungswidrigkeitenverfahren wegen des Verdachts unerlaubter Telefonwerbung ein und erließ in der Folge einen Bußgeldbescheid, gestützt auf § 130 Abs. 1 OWiG, § 20 Abs. 1 Nr. 1, § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG a.F. § 7 Abs. 1, 2 Nr. 2 UWG verbietet geschäftliche Handlungen, durch die ein Marktteilnehmer in unzumutbarer Weise belästigt wird, was insbesondere bei unerwünschter Werbung anzunehmen ist.

Die Beklagte beabsichtigte im Zusammenhang mit der Verhängung des Bußgeldbescheides gegen die Klägerin die Veröffentlichung einer Pressemitteilung unter Nennung des Namens und begründete dies damit, dass „das verhängte Bußgeld nicht nur einen repressiven und tadelnden, sondern auch einen general- und spezialpräventiven Charakter entfalten solle“ (VG Köln, GRUR-RS 2023, 34957, Rn. 5). Gestützt hatte sich die Beklagte neben § 130 Abs. 1 OWiG i.V.m. §§ 20 Abs. 1 Nr. 1, 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG, § 45n Abs. 8 TKG (§ 52 Abs. 7 S. 1 TKG n.F.) und § 67 Abs. 1 S. 1 TKG (§ 123 Abs. 1 TKG n.F.) auf einen kartellrechtlichen Beschluss des OLG Düsseldorf aus dem Jahr 2014, das entschied, dass eine Pressemitteilung unter Namensnennung dann möglich ist, wenn das Informationsrecht der Presse dem Geheimhaltungsinteresse, begründet durch das Unternehmenspersönlichkeitsrecht, überwiegt (OLG Düsseldorf, NZKart 2015, 57, 58).

Die Veröffentlichung unter Namensnennung erfolgte auf der Internetseite der BNetzA, über Twitter und innerhalb eines Mailverteilers an Journalisten.

Die Klägerin forderte die Beklagte anschließend vergebens auf, die Pressemitteilung zu löschen und eine Unterlassungserklärung abzugeben. Ein Anspruch auf Unterlassung erbebe sich nach Auffassung der Klägerin aus §§ 1004 Abs. 1 S. 2 BGB analog, 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1, Art. 5 GG und Art. 12 GG i.V.m. Art. 19 Abs. 3 GG. Die Klägerin beantragte daraufhin einstweiligen Rechtsschutz beim VG Köln, das den Antrag der Klägerin ablehnte (VG Köln – 1 L 166/21). Auf die Beschwerde der Klägerin beim OVG Nordrhein-Westfalen untersagte dieses der Beklagten vorläufig, die Pressemitteilung über deren Internetseite zu verbreiten (OVG NRW – 13 B 331/21). Die Pressemitteilung habe bei der Klägerin zur immensen Rufschädigung geführt, wodurch Umsatzeinbußen in Millionenhöhe drohen. In der Folge erhob die Klägerin Klage beim VG Köln.

III. Rechtliche Einordnung durch das VG Köln

Das VG Köln entschied, dass der von der Klägerin geltend gemachte Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte aufgrund der rechtswidrigen Veröffentlichung auf deren Internetseite besteht. Die von § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB geforderte Wiederholungsgefahr könne bereits aufgrund der rechtswidrigen Veröffentlichung angenommen werden (VG Köln, GRUR-RS 2023, 34957, Rn. 33).

Das Gericht entschied, dass die BNetzA durch ihre Veröffentlichung in rechtswidriger Weise in die Berufsausübungsfreiheit der Klägerin gem. Art. 12 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 19 Abs. 3 GG eingegriffen hat. Eine Verletzung der Unternehmenspersönlichkeit (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) komme daneben nicht mehr in Betracht.

§ 45n Abs. 8 S. 1 TKG als Ermächtigungsgrundlage für die Veröffentlichung sei vorliegend nicht einschlägig, da Voraussetzung für eine Veröffentlichung sei, dass „die bereitgestellten Informationen wie in § 45n Abs. 1 bis 7 TKG sicherstellen, dass die Endnutzer bei der Wahl eines öffentlichen Telekommunikationsnetzes oder eines öffentlich zugänglichen Kommunikationsdienstes über eine volle Sachkenntnis verfügen.“ (VG Köln, GRUR-RS 2023, 34957, Rn. 52). Die Betreiberin eines Call-Centers sei jedoch weder ein öffentliches Telekommunikationsnetz noch ein öffentlicher Kommunikationsdienst im Sinne der Vorschrift. Ferner sehe § 45n TKG vom Sinn und Zweck nicht die Veröffentlichung von bußgeldbewährten Rechtsverstößen vor. Etwas anderes könne sich auch nicht aus der Neufassung des § 45n Abs. 8 S. 1 TKG (§ 52 Abs. 7 S. 1 TKG n.F.) ergeben, da die Normen vom Wortlaut grundlegend übereinstimmen.

Das Anordnungs- und Maßnahmenrecht der Beklagten aus § 67 Abs. 1 S. 1 TKG a.F. (§ 123 Abs. 1 TKG n.F.) reiche für die Pressemitteilung ebenfalls nicht aus. Das Ermessen der Beklagten sei fehlerhaft ausgeübt wurden, weil das verhängte Bußgeld die Erwartung rechtfertige, dass künftiges Fehlverhalten unterlassen werde. Sind Verdachtsmomente gegeben, die zukünftige Verstöße weiterhin vermuten lassen, muss sich die Informationserteilung auch auf dieses Fehlverhalten beziehen oder die BNetzA muss zur Abwendung einer konkreten Gefahr für Verbraucher auf Aufsichtsmaßnahmen zurückgreifen.

Auf § 53 Abs. 5 GWB als Ermächtigungsgrundlage für die Veröffentlichung von kartellrechtlichen Verstößen durch die Kartellbehörden könne aufgrund der Eingriffsqualität der Behörde und der damit verbundenen Pflicht zur ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigung nicht zurückgegriffen werden. Ebenso sei § 20 Abs. 3 UWG a.F. keine taugliche Ermächtigungsgrundlage für die Pressemitteilung über den Verstoß, da die Mitteilung der allgemeinen Öffentlichkeitsarbeit der Behörde zuzuordnen sei und daher eine eigene Ermächtigungsgrundlage bedürfe.

IV. Fazit und Ausblick

Mit der Veröffentlichung verfolgte die BNetzA das Ziel, über das verhängte Bußgeld zu informieren. § 123 Abs. 1 TKG (§ 67 Abs. 1 S. 1 TKG a.F.) ist dem Grunde nach eine taugliche Rechtsgrundlage für öffentliche Warnungen. Die Veröffentlichung des bloßen Verstoßes durch die BNetzA unter Nennung des Unternehmens war jedoch vom Anwendungsbereich nicht mehr umfasst. Eine Ausweitung der Befugnisse konnte aufgrund des Vorbehaltes des Gesetzes bei Eingriffsakten auch nicht auf die kartellrechtliche Ermächtigungsgrundlage in § 53 Abs. 5 GWB gestützt werden. Die Entscheidung zeigt, dass das Vorgehen der Aufsichtsbehörden in der Praxis nicht notwendigerweise rechtmäßig ist (Naming and Shaming). So ist es auch bei datenschutzrechtlichen Verstößen gängig, medienwirksame Bußgelder unter Nennung des Verantwortlichen zu veröffentlichen, obwohl in der DSGVO ebenfalls keine ausdrückliche Ermächtigungsgrundlage existiert (teilweise gestützt auf Art. 58 Abs. 3 lit. b DSGVO). Zu beachten gilt hierbei, dass die Veröffentlichung nicht nur einen rechtfertigungsbedürftigen Grundrechtseingriff darstellt, sondern überdies zu irreparablen Schäden bei den Unternehmen führen kann, weshalb es geboten ist, jede Veröffentlichung dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu unterwerfen. Andernfalls drohen den Aufsichtsbehörden hohe Schadensersatzansprüche.