Strengere Nachweispflichten im Arbeitsverhältnis
Bereits vor knapp 2 Jahren, am 31. Juli 2019, trat die europäische Richtlinie (EU) 2019/1152 über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen in der Europäischen Union in Kraft, die bis zum 31. Juli 2022 in nationales Recht umzusetzen ist. Ziel dieser Richtlinie ist es im Kern, eine „transparentere und vorhersehbarere Beschäftigung“ zu fördern und zugleich die Anpassungsfähigkeit des Arbeitsmarktes zu gewährleisten. Gerade noch rechtzeitig hat der Bundestag am 23. Juni 2022 ein Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/1152 in nationales Recht beschlossen (weitere Informationen finden Sie hier), das bereits zum 1. August 2022 in Kraft tritt. Betroffen von der Beschlussfassung des Bundestags ist vor allem das in der Praxis bislang nicht besonders relevante Nachweisgesetz. Für die Gestaltung von Arbeitsverträgen hat dies weitreichende Folgen, zumal ein Verstoß gegen das Nachweisgesetz zukünftig sogar eine bußgeldbewehrte Ordnungswidrigkeit darstellt. Es besteht daher Handlungsbedarf.
I. Bisherige Rechtslage
Das Nachweisgesetz sieht in seiner derzeitigen Fassung bereits einige Nachweispflichten des Arbeitgebers vor, die in der arbeitsrechtlichen Praxis bislang allerdings wenig präsent sind. So war der Arbeitgeber bislang verpflichtet, spätestens einen Monat nach dem vereinbarten Beginn des Arbeitsverhältnisses die wesentlichen Vertragsbedingungen schriftlich festzuhalten, die Niederschrift zu unterzeichnen und dem Arbeitnehmer auszuhändigen.
- Hierzu gehörten unter anderem solche Punkte, die sich üblicherweise in schriftlichen Arbeitsverträgen finden: die Bezeichnung und Anschrift der Vertragsparteien, der Beginn des Arbeitsverhältnisses, bei befristeten Arbeitsverhältnissen die vorhersehbare Dauer des Arbeitsverhältnisses, Arbeitsort und -zeit, eine kurze Charakterisierung oder Beschreibung der Tätigkeit sowie Zusammensetzung und Höhe des Arbeitsentgelts, Urlaubsdauer und die Kündigungsfrist.
- Zudem galten bereits besondere Nachweispflichten bei Auslandseinsätzen des Arbeitnehmers: Vor Abreise des Arbeitnehmers mussten ihm zusätzlich zu den allgemeinen Nachweispflichten auch die Dauer der im Ausland auszuübenden Tätigkeit, die Währung, in der das Arbeitsentgelt ausgezahlt wird, mit dem Auslandsaufenthalt verbundenes zusätzliches Arbeitsentgelt und Sachleistungen sowie die Bedingungen seiner Rückkehr schriftlich mitgeteilt werden.
Bezweckt wird mit den Nachweispflichten, dem Arbeitnehmer eine sichere Auskunft zum Inhalt seines Arbeitsvertrags zu geben.
Die Nachweispflichten nach dem Nachweisgesetz sind jedoch nicht konstitutiv, das Arbeitsverhältnis kommt – zum Schutz des Arbeitnehmers – also auch dann wirksam zustande, wenn der Nachweis durch den Arbeitgeber nicht rechtzeitig erbracht wird.
Kam der Arbeitgeber seinen Pflichten nach dem Nachweisgesetz nicht nach, konnte der Arbeitnehmer allerdings einen Erfüllungsanspruch gegenüber dem Arbeitgeber geltend machen, also von diesem eine den Anforderungen des Nachweisgesetzes genügende Niederschrift der wesentlichen Vertragsbedingungen verlangen. Darüber hinaus kam im Einzelfall ein Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers dann in Betracht, wenn dem Arbeitnehmer gerade aus dem Verstoß des Arbeitgebers gegen die Pflichten aus dem Nachweisgesetz ein finanzieller Schaden entstand, was in der Praxis allerdings äußerst selten vorkam. Bußgeldbewehrt war ein Verstoß des Arbeitgebers gegen das Nachweisgesetz bislang nicht.
II. Was sich jetzt ändert
Mit den beschlossenen und zum 1. August 2022 in Kraft tretenden Änderungen im Nachweisgesetz werden nun einerseits die bereits bestehenden Nachweispflichten erweitert und ergänzt, andererseits weitere Mindestanforderungen an bestimmte Arbeitsbedingungen festgelegt. Die bislang geltenden Fristen zur Erbringung des Nachweises werden verkürzt. Werden die Fristen nicht eingehalten oder wird der Nachweis seitens des Arbeitgebers nicht richtig erbracht, drohen nun empfindliche Sanktionen für Arbeitgeber. Bei Verstößen gegen die Nachweispflichten kann ein Bußgeld von bis zu EUR 2.000 pro Verstoß drohen.
Im Einzelnen:
1. Erweiterung der Nachweispflichten
Neben den bereits bislang geltenden Nachweispflichten zu den wesentlichen Arbeitsbedingungen erweitert sich der Katalog nunmehr um weitere Punkte.
- So müssen neben den bislang im Nachweisgesetz vorgesehenen wesentlichen Arbeitsbedingungen beispielsweise entweder das Enddatum oder die vorhersehbare Dauer eines befristeten Arbeitsverhältnisses und – sofern eine solche vereinbart ist – die Dauer der Probezeit festgehalten werden.
- Ebenso müssen – jeweils getrennt – die Zusammensetzung und die Höhe des Arbeitsentgelts inklusive der Überstundenvergütung, Zuschläge, Zulagen und Prämien sowie etwaiger Sonderzahlungen angegeben werden. Dies umfasst auch Art und Fälligkeit der Auszahlung.
- Ruhepausen und Ruhezeiten sowie ein etwaiges Schichtsystem, der Schichtrhythmus und die Voraussetzungen für Schichtänderungen sind ebenfalls Gegenstand der Nachweispflicht.
Eine wesentliche Neuerung ist ferner, dass hinsichtlich der Angaben zur Kündigung zusätzlich zur bereits bislang anzugebenden Kündigungsfrist nunmehr auch das (für Arbeitgeber und Arbeitnehmer) beim Ausspruch einer Kündigung einzuhaltende Verfahren festzuhalten ist.
- Die Niederschrift der wesentlichen Vertragsbedingungen hat daher künftig mindestens die Information über das Schriftformerfordernis der Kündigung sowie die für die Parteien geltenden gesetzlichen, tarif- oder einzelvertraglichen Kündigungsfristen zu umfassen. Im Falle einer Probezeit ist zudem die Länge der verkürzten Kündigungsfrist festzuhalten.
- Damit nicht genug: Der Arbeitnehmer ist zudem vom Arbeitgeber darauf hinzuweisen, dass er im Falle einer Kündigung die dreiwöchige Frist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage gemäß § 4 KSchG einzuhalten hat. Richtigerweise stellt der Gesetzgeber in der Gesetzesbegründung jedoch klar, dass ein falscher oder fehlender Hinweis zur Klagefrist nicht zur Unwirksamkeit einer arbeitgeberseitigen Kündigung führt. Die Präklusionswirkung des § 7 KSchG soll vielmehr auch bei unterbliebenem oder falschem Nachweis gelten, sodass auch die 3-Wochen-Frist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage weiterhin gilt.
Darüber hinaus bestehen nun auch Nachweispflichten
- zum Umfang des Anspruchs auf Teilnahme an von dem Arbeitgeber bereitgestellten Fortbildungen,
- die Möglichkeit zur Anordnung von Überstunden und
- der Identität des Versorgungsträgers im Rahmen einer Zusage der betrieblichen Altersversorgung.
Im Falle einer länger als vier aufeinanderfolgende Wochen dauernden Auslandstätigkeit des Arbeitnehmers werden auch die Unterrichtungspflichten in diesem Zusammenhang erweitert und detailliert:
- Der Arbeitgeber muss zusätzlich das Land oder die Länder, in dem oder in denen die Arbeit im Ausland geleistet werden soll,
- die geplante Dauer der Arbeit,
- sofern vereinbart auch mit dem Auslandsaufenthalt verbundene Geld- oder Sachleistungen, insbesondere Entsendezulagen und zu erstattende Reise-, Verpflegungs- und Unterbringungskosten,
- die Angabe, ob eine Rückkehr des Arbeitnehmers vorgesehen ist, und
- gegebenenfalls die Bedingungen der Rückkehr schriftlich festhalten.
Auch der Anwendungsbereich des Nachweisgesetzes wird nun erweitert. Die bislang vorgesehene Ausnahme für Aushilfen, die für maximal einen Monat eingestellt werden, gilt nicht mehr – erfasst sind künftig alle Arbeitnehmer.
2. Verkürzte Fristen
Auch die bisherige Frist zur Abfassung der wesentlichen Arbeitsbedingungen von einem Monat nach Aufnahme der Tätigkeit wird nunmehr deutlich verkürzt.
- Bereits spätestens am ersten Tag der Arbeitsleistung müssen die Angaben zu Name und Anschrift der Vertragsparteien, Zusammensetzung und Höhe des Arbeitsentgelts sowie vereinbarter Arbeitszeit verschriftlicht sein.
- Spätestens sieben Tage nach Arbeitsbeginn müssen unter anderem der Beginn des Arbeitsverhältnisses, die Dauer der Probezeit und die der vereinbarten Befristung sowie Arbeitsort, Leistungsbeschreibung und die Überstundenanordnung festgehalten sein.
- Für die übrigen Bedingungen bleibt es bei der Monatsfrist. Aus Gründen der Prozessvereinfachung empfiehlt es sich allerdings, sämtliche nach dem Nachweisgesetz erforderlichen Angaben bereits in den schriftlichen Arbeitsvertrag aufzunehmen und diesen – wie üblich – vor Beginn der Arbeitsleistung beiderseits handschriftlich zu unterschreiben und dem Arbeitnehmer eine Ausfertigung des schriftlichen Arbeitsvertrags auszuhändigen.
Ändern sich im bestehenden Arbeitsverhältnis die wesentlichen Vertragsbedingungen, reicht es künftig nicht mehr, diese spätestens einen Monat nach Änderung mitzuteilen (§ 3 NachwG a.F.). Künftig müssen die Änderungen dem Arbeitnehmer an dem Tag, an dem sie wirksam werden, schriftlich mitgeteilt werden.
3. Neu: Die Sanktionierung von Verstößen
Die auffälligste Neuerung im Nachweisgesetz ist nunmehr im neuen § 4 geregelt: Demnach stellt ein Verstoß des Arbeitgebers gegen seine Pflichten aus dem Nachweisgesetz künftig eine Ordnungswidrigkeit dar. Pro Verstoß droht ein Bußgeld von bis zu EUR 2.000, wenn der Arbeitgeber seiner Nachweispflicht entweder
- überhaupt nicht,
- nicht richtig,
- in der falschen Form,
- unvollständig
- oder nicht rechtzeitig nachkommt.
Gerade mit Blick auf die neu eingeführten Sanktionen empfiehlt es sich, für den Nachweis der wesentlichen Arbeitsbedingungen, die kürzeste der oben genannten Fristen zu beachten und dem Arbeitnehmer die verschriftlichten wesentlichen Arbeitsbedingungen spätestens am ersten Tag der Arbeitsleistung auszuhändigen.
Wie auch bislang bleibt es allerdings dabei, dass die Nachweispflichten nicht konstitutiv sind und ein Verstoß gegen die Nachweispflichten die Wirksamkeit des Arbeitsverhältnisses als solches nicht berührt.
4. Digitalisierung weiterhin nicht in Sicht
Obwohl die europäische Richtlinie über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen in der Europäischen Union ausdrücklich ermöglicht, die Arbeitsbedingungen in elektronischer Form abzufassen und dem Arbeitnehmer zur Verfügung zu stellen, sieht der Gesetzgeber im neuen Gesetz hiervon ab. Es gilt also wie bislang, dass die wesentlichen Arbeitsbedingungen nach dem Nachweisgesetz in Schriftform ausgehändigt werden müssen. Arbeitgeber kommen also auch künftig zur Erfüllung der Pflichten aus dem Nachweisgesetz nicht umhin, die Arbeitsbedingungen auf Papier festzuhalten, handschriftlich zu unterzeichnen und dem Arbeitnehmer das Schriftstück auszuhändigen. Nicht ausreichend ist es dagegen, dem Arbeitnehmer die unterzeichneten Bedingungen als Scan zur Verfügung zu stellen oder diese lediglich digital zu unterzeichnen.
5. Weitere Änderungen
a) Arbeitnehmerüberlassungsgesetz
Der Gesetzgeber sieht zudem Änderungen im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) vor: So werden die in § 11 geregelten Nachweispflichten um die Pflicht zum Nachweis über die Identität des Entleihers erweitert.
- Dem Leiharbeitnehmer müssen jetzt vor jeder Überlassung Firma und Anschrift des Entleihers in Textform mitgeteilt werden.
- Zusätzlich wird der Entleiher verpflichtet, Leiharbeitnehmern, die ihm mindestens sechs Monate überlassen sind und die in Textform ihren Wunsch nach Abschluss eines Arbeitsvertrags äußern, eine begründete Antwort in Textform innerhalb eines Monats zu übermitteln. Welchen Inhalt und Umfang die begründete Antwort haben soll, lässt der Gesetzgeber indes offen.
b) Teilzeit- und Befristungsgesetz
Auch das Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) wird zum 1. August 2022 angepasst:
- Eine in einem befristeten Arbeitsverhältnis etwaig vereinbarte Probezeit muss nun in einem angemessen Verhältnis zur Dauer des befristeten Arbeitsverhältnisses und zur Art der Tätigkeit stehen. Hiervon werden voraussichtlich insbesondere kurze Befristungen betroffen sein, bei denen eine bislang zulässige Probezeit von 6 Monaten unter Umständen künftig nicht mehr zulässig sein wird, diese stattdessen nur wenige Wochen oder Monate dauern darf.
- Ist ein befristet eingestellter Arbeitnehmer bereits länger als sechs Monate für den Arbeitgeber tätig, kann er dem Arbeitgeber den Wunsch nach Begründung eines unbefristeten Arbeitsverhältnis anzeigen. Der Arbeitgeber ist dann wiederum verpflichtet, dem Arbeitnehmer innerhalb eines Monats eine begründete Antwort in Textform zu geben. Aus welchem Inhalt und Umfang die begründete Antwort bestehen soll, lässt der Gesetzgeber auch hier offen.
c) Gewerbeordnung
Zudem erfährt auch die Gewerbeordnung (GewO) eine Änderung: Gemäß § 111 GewO dürfen Arbeitnehmern die Kosten für eine Fortbildung nicht auferlegt werden, wenn der Arbeitgeber durch oder aufgrund eines Gesetzes, durch Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung verpflichtet ist, die Fortbildung anzubieten. Solche Fortbildungen sollen während der Arbeitszeit stattfinden. Soweit sie außerhalb der Arbeitszeit durchgeführt werden müssen, gelten sie als Arbeitszeit.
6. Verweis auf Kollektivvereinbarungen weiterhin möglich
Der Nachweis der wesentlichen Arbeitsbedingungen kann auch weiterhin durch einen Verweis auf die im Arbeitsverhältnis anwendbaren Kollektivvereinbarungen wie Tarifverträge, Betriebs- und Dienstvereinbarungen ersetzt werden. Voraussetzung hierfür ist indes, dass die jeweilige Kollektivvereinbarung die entsprechende Regelung zu den wesentlichen Arbeitsbedingungen enthält.
Arbeitgeber sollten nun handeln
Für Arbeitgeber, die sich bisher ihrer Vertragsmuster bedient haben, besteht nun dringender Anpassungsbedarf. Bei der Überarbeitung der Vorlagen sollte jetzt – angesichts drohender Bußgelder noch mehr als zuvor – darauf geachtet werden, dass sämtliche durch das Nachweisgesetz geforderte Angaben enthalten sind.
Was gilt für Altverträge?
Die gute Nachricht ist zwar, dass Altverträge, die vor dem 1. August 2022 geschlossen wurden, nicht angepasst werden müssen. Es besteht jedoch die Pflicht des Arbeitgebers, dem Arbeitnehmer auf sein Verlangen innerhalb von sieben Tagen die wesentlichen Arbeitsbedingungen schriftlich auszuhändigen. Angesichts dieser sehr kurzen Frist ist es ratsam, für einen solchen Fall eine entsprechende Vorlage der wesentlichen Vertragsbedingungen zur Hand zu haben, die den Anforderungen des geänderten Nachweisgesetzes genügt.