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Rettungsanker Schiedsverfahren bei Maßnahmen durch die Russische Föderation

06.02.2024

In den vergangenen Monaten häufen sich die Fälle, in denen die Russische Föderation Maßnahmen gegen westliche Unternehmen ergreift. Dazu gehören die unterschiedlichsten Maßnahmen wie Beschlagnahme, Beschränkungen beim Transfer von Gesellschaftsanteilen oder Geldern, Zwangsverwaltung, Begleitung oder Austausch des Managements, (angeordneter) Verkauf von Geschäftsanteilen unter Wert u.a.

Betroffene Unternehmen sind jedoch nicht schutzlos.

Verstoß gegen Investitionsschutzrecht

Russland hat (oft als Rechtsnachfolger der Sowjetunion) mehr als 60 bilaterale Investitionsschutzabkommen (BITs) abgeschlossen, darunter auch eines mit der Bundesrepublik Deutschland. Die BITs bieten betroffenen Unternehmen Rechtsschutz. In der Regel schützen BITs Investitionen aller Art und für alle Sektoren, so auch der Deutsch-Sowjetische Investitionsschutzvertrag. Für energiebezogene Investitionen, die vor dem 19. Oktober 2009 getätigt wurden, besteht außerdem die Möglichkeit eines internationalen Schiedsverfahrens nach dem Vertrag über die Energiecharta (ECT).

Viele russische Maßnahmen dürften Verstöße gegen den Schutz aus den BITs oder dem ECT darstellen, wie z. B. des Grundsatzes des freien Transfers von Investitionen und Investitionserträgen oder des Grundsatzes einer fairen und gerechten Behandlung durch den Staat. Unter letzteres dürfte auch eine ungerechtfertigte Bereicherung fallen. In der Praxis spielt auch die in jedem BIT und dem ECT enthaltene Regelung zu Enteignungen eine große Rolle. Auch nur vorübergehende Maßnahmen können dabei als Enteignung zu qualifizieren sein.

Nach Art. 4 des Deutsch-Sowjetischen Investitionsschutzvertrages dürfen Vermögenswerte von Investoren einer Enteignung oder vergleichbaren Maßnahmen nur gegen Entschädigung unterworfen werden. Die Entschädigung muss dabei dem tatsächlichen Wert des Vermögenswertes zum Zeitpunkt des Bekanntwerdens der tatsächlichen oder drohenden Enteignung entsprechen. Dies ist in der aktuellen Praxis der Russischen Föderation oft nicht der Fall.

Durchsetzung von Schadenersatzansprüchen per Schiedsverfahren

Ansprüche auf Schadenersatz wegen Verstoßes gegen Investitionsschutzrecht können in der Regel im Wege eines Schiedsverfahrens durchgesetzt werden. Von der Möglichkeit eines Schiedsverfahrens gegen russische Staatsunternehmen bzw. die Russische Föderation haben Investoren auch in der Vergangenheit Gebrauch gemacht; die weit überwiegende Mehrzahl wurde dabei im Sinne des Investors entschieden. Auch aktuell sind mehrere Schiedsverfahren gegen russische Staatsunternehmen bzw. die Russische Föderation anhängig.

Ein solches Schiedsverfahren ist auch dann möglich, wenn die Russische Föderation unter Umgehung der Schiedsklausel bereits ein Gerichtsverfahren vor den staatlichen russischen Gerichten eingeleitet hat.

Vollstreckung eines Schiedsspruchs über einen langen Zeitraum möglich

Wird gegen die Russische Föderation ein Schiedsspruch erlassen, ist dieser nach dem auch für die Russische Föderation geltenden New Yorker Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche grundsätzlich verbindlich und vollstreckbar. Durch die große Akzeptanz dieses Übereinkommens kann ein Schiedsspruch praktisch überall auf der Welt und damit auch außerhalb Russlands vollstreckt werden.

Eine Vollstreckung ist dabei je nach anwendbarem nationalen Verjährungsrecht auch noch viele Jahre nach Erlass des Schiedsspruchs möglich. Wie lange der Gläubiger eines Schiedsspruchs im Einzelfall die Vollstreckung aufschieben kann, bevor Verjährung eintritt, ist in den einzelnen Vollstreckungsjurisdiktionen höchst unterschiedlich geregelt. Das deutsche Recht lässt Verjährung nach 30 Jahren eintreten.