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Potenziale der Energie­wende für Investoren in Deutschland – Noerr-Insight No.2: Onshore Wind

02.10.2024

In unserem Briefing „Deutsche Energiewende: Potenziale für Investorenhaben wir einen umfassenden Überblick über die Chancen und Risiken der Energiewende in Deutschland für in- und ausländische Investoren gegeben. Nachdem wir uns in der letzten Woche in Teil 1 unserer Themenreihe ausführlich mit den Möglichkeiten und Herausforderungen im Bereich Offshore Wind beschäftigt haben, beleuchten wir in Teil 2. On-Shore Wind genauer.

Windkraft On-Shore

1. Status Quo und Herausforderungen

Ganz anders als für Off-Shore Wind sieht das Investorenumfeld in Deutschland für den Bereich On-Shore aus. In den letzten Jahrzehnten waren On-Shore Windenergieanlagen das Rückgrat der deutschen Energiewende. Für keinen anderen Bereich der erneuerbaren Energien wurden in vergleichbarer Weise Ausbauziele erreicht und übertroffen. Die große Anreizwirkung der gesetzlich garantierten Mindesteinspeise-Tarife führten aber nicht nur zum Durchbruch dieser Technologie, sondern auch zu einem so großen Anstieg der EEG-Umlage, dass diese mit dem Osterpaket 2022 abgeschafft wurde.

Bereits vor Sommer 2022 kehrten Investoren allerdings vom Ausbau neuer Flächen für Windenergie in Deutschland ab. Die verfügbaren Flächen für neue On-Shore Windenergieanlagen waren limitiert, wodurch die Kosten für die vorhandenen Flächen exponentiell stiegen. Andere Belange (Abstand zu Wohnbevölkerung, Wechselwirkungen mit Wetter- und Flugradar, Artenschutz und Umweltverträglichkeit) nahmen einen großen Stellenwert ein und verzögerten oder verhinderten reibungslose Genehmigungsverfahren.

Investoren und auch Projektentwickler, die traditionell in On-Shore-Windenergie in Deutschland investiert hatten, orientierten sich um in Nachbarländer. Namentlich Frankreich und Polen versprachen deutlich attraktive Margen bei ähnlichem Länderrisiken.

Allein Repowering (der Neubau größerer und modernerer Windenergieanlagen auf den Gebieten alter Windparks) erschien weiterhin attraktiv, obwohl auch hier die Kosten für die Flächensicherung explodierten.

2. Besondere Anreizregulierung

Um diesem Trend entgegenzuwirken, gab es auch für On-Shore Windenergiegewinnung zuletzt zahlreiche Gesetzesänderungen. Insbesondere die Öffnung von neuen Flächen für Windkraftanlagen steht im Fokus. Dies soll etwa dadurch geschehen, dass die Länder individuell für die Schaffung von Flächen herangezogen werden. Im Falle des Nichterreichens von Flächenzielen treten landesspezifische Abstandsregeln außer Kraft. Umweltbelange treten zukünftig zunehmend hinter dem besonderen öffentlichen Interesse am Ausbau erneuerbarer Energie zurück. Zuletzt sollte die Windenergieerzeugung On-Shore insbesondere mit dem Planungsbeschleunigungspaket II (sog. „Sommerpaket“) vorangetrieben werden.

a) Wind-an-Land Gesetz

Teil der beschriebenen Gesetzesinitiativen ist das bereits am 01. Februar 2023 in Kraft getretene Wind-an-Land-Gesetz. Kern des Gesetzes ist, Planungs- und Genehmigungsverfahren zu beschleunigen und günstige Voraussetzungen zu schaffen, dass die notwendigen Flächen für Energieerzeugung an Land bereitgestellt werden.

b) Gesetz zur Festlegung von Flächenbedarfen für Windenergieanlagen an Land (Windenergieflächenbedarfsgesetz – WindBG)

Art. 1 des Wind-an-Land-Gesetzes führt das WindBG ein. Nach diesem werden den Ländern verbindliche Flächenziele (sog. Flächenbeitragswerte) für den Ausbau der Windenergie vorgegeben – zum Inkrafttreten des Gesetzes waren bundesweit 0,8 Prozent der Landesfläche für Windenergie an Land ausgewiesen, allerdings nur 0,5 Prozent tatsächlich verfügbar. Bis Ende 2032 müssen die Länder 2 Prozent der Bundesfläche für die Windenergie ausweisen, bereits Ende 2027 sollen 1,4 Prozent der Flächen für Windenergie bereitstehen.

c) BauGB

Um es den Ländern zu ermöglichen, die für den Windenergieausbau in jedem Fall erforderlichen Flächen zur Verfügung zu stellen, ergänzt § 2 des Wind-an-Land-Gesetzes die Einführung des WindBG durch Veränderungen im BauGB. Gemäß § 249 Abs. 1 BauGB ist § 35 III S. 3 BauGB auf Vorhaben nach § 35 I Nr. 5 BauGB, die der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Windenergie dienen, nicht anzuwenden. Solange ein Land ihren Flächenbeitragswert nicht erreicht, ist der Ausbau von Windenergieanlagen auch außerhalb von speziell dafür ausgewiesenen Windenergiegebieten möglich. Erst bei Erreichen des Flächenziels gem. § 5 WindBG entfällt diese Privilegierung außerhalb der ausgewiesenen Flächen. Bis zur Zielerreichung kann die privilegierte Zulässigkeit von Windenergieanlagen nicht auf bestimmte Bereiche beschränkt werden.

Das Gesetz enthält auch eine Neukonzeption der Länderöffnungsklausel für landesrechtliche Mindestabstandsregelungen. Die Länderöffnungsklausel erlaubte es den Ländern bislang, Mindestabstände von Windrädern von bis zu einem Kilometer zu Wohngebieten festzulegen. Zwar bleibt diese Möglichkeit der Länder weiterhin bestehen, die Länder müssen allerdings hierbei sicherstellen, dass sie ihre Flächenziele aus dem Windenergieflächenbedarfsgesetz erreichen. Werden die Flächenbeitragswerte zu den Stichtagen nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr erreicht sind Windenergieanlagen im gesamten, von der Zielverfehlung betroffenen, Planungsraum privilegiert zulässig und landesgesetzliche Mindestabstandsregeln im Sinne des § 249 Abs. 9 BauGB sind nicht mehr anwendbar.

d) ROG

§ 3 des Wind-an-Land-Gesetzes enthält eine Änderung des Raumordnungsgesetzes. Die Berücksichtigung artenschutzrechtlicher Belange soll danach in einer Verordnung des Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz erfasst werden, was ein rechtssicheres und schnelleres Verfahren zur Folge haben soll.

e) BNatSchG

Das überragende öffentliche Interesse des Aufbaus einer nachhaltigen Energieversorgung wird nunmehr auch im BNatSchG explizit festgehalten. Künftig stehen damit auch Landschaftsschutzgebiete dem Windenergieausbau offen. Gesetzliche Standards für die Artenschutzprüfung sollen bundeseinheitlich vorgegeben werden, um Genehmigungsverfahren effektiver zu gestalten. Durch den neuen § 45c BNatschG werden Repowering-Maßnahmen von Windenergieanlagen erleichtert: Das BImSchG schreibt für Repowering-Maßnahmen, bei denen die neue Anlage innerhalb von 24 Monaten nach dem Rückbau der Bestandsanlage errichtet und der Abstand zwischen der Bestandsanlage und der neuen Anlage höchstens das Zweifache der Gesamthöhe der neuen Anlage beträgt, erleichterte BImSchG-Änderungsgenehmigungen vor. § 45c BNatSchG erweitert diese erleichterte Prüfung auf solche Anlagen, deren Errichtungszeitraum 48 Monate beträgt und in deren Fall die neue Anlage höchstens das Fünffache der Gesamthöhe der neuen Anlage beträgt. Auch gilt die artenrechtliche Vorbelastung im Genehmigungsverfahren für die Repowering-WEA zu berücksichtigen, der betroffene Standort gilt für die Errichtung der WEA also als vorgeprägt. Diese Repowering-Erleichterung wird durch Änderungen im BauGB ergänzt, wonach bis zum 31. Dezember 2030 Repowering-Windenergieanlagen im Außenbereich privilegierte Vorhaben im Sinne des § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB sind. Die Ausschlusswirkung des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB gilt für Repowering-Vorhaben selbst dann nicht, wenn für geplante WEA der Planvorbehalt gem. § 245e Abs. 1 BauGB aufgrund eines entsprechenden Flächennutzungs- oder Raumordnungsplanes Wirkung entfalten könnte.

f) FernStrG

Auch im Fernstraßengesetz des Bundes finden sich Neuregelungen für Wind- und Solaranlagen. Es beinhaltet eine Zielbestimmung, wonach bei dem Bau und der Änderung von Bundesautobahnen die Möglichkeiten der Erzeugung erneuerbarer Energien auf nutzbaren Flächen oder Anlagen auszuschöpfen sind. Während bisher Hochbauten jeder Art einen Abstand zu Autobahnen und Bundesstraßen vorsehen mussten und einem besonderen Genehmigungsverfahren bedurften, sieht der neu geschaffene § 9 Abs. 2a FStrG eine Zustimmungsfiktion für Wind-Anlagen innerhalb einer Anbaubeschränkungszone vor, wenn die Zustimmung nicht innerhalb von zwei Monaten verweigert wird. Für Windenergieanlagen wird unter bestimmten Voraussetzungen das Zustimmungserfordernis ganz abgeschafft.

g) Gesetz zur Verbesserung des Klimaschutzes beim Immissionsschutz

Am 06. Juni 2024 hat der Bundestag das Gesetz zur Verbesserung des Klimaschutzes beim Immissionsschutz beschlossen. Das Gesetz führt u.a. zur Aufnahme des Klimas als Schutzgut in das Bundesimmissionsschutzgesetz und der Straffung und Vereinfachung von Genehmigungsverfahren nach BImSchG. Statt bisher unbeschränkt sollen Genehmigungsfristen künftig nur einmal verlängert werden können und durch einen fixen Fristbeginn wird verhindert, dass sich Fristen durch wiederholtes Nachfordern von Informationen oder Unterlagen in die Länge ziehen. Auch sollen Repowering-Vorhaben durch Verfahrenserleichterungen weiteren Auftrieb erfahren.

3. Auswirkungen der Regulierung auf Investoren

Ob die Anreizwirkung dieser Regelungen ausreicht, um die zwischenzeitliche Zurückhaltung von Investoren zu brechen und einen stärkeren Ausbau von On-Shore Windenergieanlagen zu erreichen, muss sich noch erweisen.

Das Ziel der Bundesregierung ist es jedenfalls, Onshore-Windenergie von aktuell 61 GW installierten Leistung bis 2030 auf 115 GW und bis 2040 auf insgesamt 160 GW zu steigern. Dies allein wird durch Repowering nicht gelingen.

Wie im Off-Shore Bereich schreibt die Bundesrepublik für On-Shore Windkraft Subventionen für den Zubau von installierter Leistung aus. Das jährliche Gesamtvolumen und die höchste Förderung sind dabei jährlich beschränkt. Der Höchstwert der Förderung unterliegt zudem einer jährlichen Degression. Im Jahr 2023 wurde das angebotene Ausschreibungsvolumen allerdings noch nicht vollständig in Anspruch genommen, so dass die ungenutzten Volumina in den Folgejahren nachgeholt werden müssen, um das gewünschte Gesamtvolumen zu erreichen.

Bis 2023 sind 28.677 Windturbinen mit einer kumulierten installierten Leistung von 61 GW installiert. Nach einer Pressemitteilung der Bundesnetzagentur verstetigen sich die Ausschreibungen für Windenergieanlagen an Land inzwischen. Die Werte der einen Zuschlag erhaltenden Gebote liegen zwischen 7,25 ct/KWh und dem zulässigen Höchstwert von 7,35 ct/KWh. Das Gesamtvolumen der eingereichten Gebote lag bei 6,5 GW, in den Jahren 2018-2022 waren nie mehr als 3,7 GW geboten worden. Das ursprünglich für 2023 geplante Ausschreibungsvolumen von 12.840 MW wird aber weiterhin verfehlt. Die Gebote bleiben weiterhin hinter dem geplanten Ausbau zurück.

Das Ausschreibungsvolumen soll um 10.000 MW jährlich von 2024 bis 2028 erhöht werden. Nachdem aber bei einem zunächst von 6 Cent pro KWh auf 5,88 Cent pro KWh gesunkenen Höchstwert zu den Gebotsterminen im Jahr 2023 die ausgeschriebenen Mengen nicht ausgeschöpft wurden, hob die Bundesnetzagentur am 14. Dezember 2023 zudem das Höchstgebot gem. § 85a Abs. 1, 2 EEG nachträglich auf 7,35 Cent pro KWh an.

4. Ausblick

Es mag sein, dass es bislang einfach zu früh ist, die Effekte aus dem Osterpaket für On-Shore Wind zu sehen. Denn anders als für Off-Shore Anlagen müssen die Vorgaben des Bundesrechts noch in der Regionalplanung umgesetzt und in den Kommunen angewandt werden. Im November 2023 hat die Ministerpräsidentenkonferenz einen „Pakt für Planungs-, Genehmigungs- und Umsetzungsbeschleunigung“ geschlossen. Der Pakt sieht insbesondere die Vereinfachung und Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren, u.a. bzgl. Onshore-Windenergieanlagen vor. Nachdem geplant war, dass bereits im ersten Quartal 2024 erste Ergebnisse vorgelegt werden, seien nach Angaben der DIHK Stand Juni erst mit 18 von 53 Gesetzesänderungen begonnen worden.

Die weitere Entwicklung bleibt hier abzuwarten.

Die Entwicklung der Gebote für On-Shore-Wind zeigt allerdings eines der zentralen Dilemmata: Wenn die geplante Anhebung des Zubaus (Ziel der Vervierfachung des Gesamtvolumens der bezuschlagten Gebote 2023 im Vergleich zu 2018-2022 / weitere Verdoppelung der ausgeschriebenen Leistungen 2024 im Vergleich zu 2023) erreicht werden soll, so wird dies nur gehen mit Zulassung höherer Gebote, also höherer Subventionen im Fall niedriger Energiepreise. Der Zubau ist aber wichtig. Neben Photovoltaik müssen zur Sicherstellung von Netzstabilität Energieträger zur Verfügung stehen, die Energie zu Zeiten ohne Sonne produzieren.