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Pflichten zur menschenrechtlichen Supply Chain in den USA

21.09.2021

Sorgfaltspflichten in der Lieferkette – US Behörden können auch deutsche Unternehmen in die Pflicht nehmen.

Deutsche Unternehmen, die Geschäftsbeziehungen in den USA oder in die USA unterhalten, sollten ihre Supply Chain im Hinblick auf potentielle Menschenrechtsverletzungen insbesondere bei Produkten/Unternehmen aus China genauer überprüfen.

Hintergrund

Am 13. Juli 2021 haben insgesamt sechs (6) US-Behörden gemeinsam die „Xinjiang Supply Chain Business Advisory“ veröffentlicht, die Richtlinien bzw. Informationen zum Umgang mit Menschenrechtsverletzungen in der chinesischen Provinz Xinjiang enthalten.

Beteiligt sind das U.S. Department of State, das U.S. Department of the Treasury, sowie das U.S. Department of Commerce, das U.S. Department of Homeland Security (DHS), das Office of the U.S. Trade Representative sowie das U.S. Department of Labor.

Diese Behörden können rechtsverbindliche Maßnahmen erlassen bzw. setzen diese um. Unter diese Maßnahmen fallen etwa Withhold Release Orders (WROs) der U.S. Customs and Border Protection (CBP), Einträge von Firmen oder Personen in die U.S. Department of Commerce „Entity List” oder die “List of Goods Produced by Child Labor or Forced Labor”, Visa-Restriktionen und andere Sanktionen des Department of the Treasury.

Betroffene Warengruppen

Besonders betroffen sind Roh- und verarbeitete Stoffe, Kommoditäten, Zwischen- und Beiprodukte sowie Recyclingmaterialien, die in Verbindung mit Zwangsarbeit und anderen Menschenrechtsverletzungen in der chinesischen Provinz Xinjiang stehen, unabhängig vom Endprodukt oder der Herkunfts- oder Exportregion. Für diese Produkte sind besondere Risikoabwägungen zu treffen; dies gilt auch bezüglich der Zusammenarbeit mit Firmen aus der Region Xinjiang oder mit Firmen, die in Verbindung zur Region stehen oder Arbeiter der Region einsetzen.

Worauf müssen deutsche Exporteure achten?

Wollen deutsche Exporteure Waren in die USA importieren oder von dort (re-) exportieren ist daher eine Due Diligence-Prüfung in Form einer Supply Chain-Kontrolle auch hinsichtlich von Menschenrechtsverletzungen notwendig. Dies betrifft Waren und Rohstoffe aus China, aber auch anderen Ländern, die in den oben genannten Richtlinien nicht näher thematisiert werden.

Bezogen auf die chinesische Provinz Xianjing werden von den US-Behörden vier Hauptmerkmale genannt, die Risiken von Menschenrechtsverletzungen in der Supply Chain bergen:

  • Die Entwicklung von oder Investition in Überwachungssoftware oder -technik, die die chinesische Regierung in Xinjiang einsetzt (inkl. Methoden zur Sammlung und Analyse genetischer oder biometrischer Daten),
  • die Beschaffung von Waren oder Arbeitskräften aus Xinjiang, direkt oder indirekt, wenn ein Zusammenhang zu Zwangsarbeit besteht oder möglich ist,
  • die Lieferung von Kommoditäten, Software und Technologie aus den USA an Unternehmen, die die beschriebenen Überwachungsmethoden und Zwangsarbeit einsetzen, und
  • Kooperation beim Bau oder Betrieb von Umerziehungslagern („internment facilites“) für Uyghuren und Mitglieder anderer muslimischer Minderheiten oder Betriebsstätten in unmittelbarer Nähe zu diesen Lagern, die in Verdacht stehen, Zwangsarbeiter einzusetzen; dies umfasst auch die Lieferung von Baumaterialien.

Branchen- und Unternehmenslisten

Zudem hat die US-Regierung eine Liste mit Branchen veröffentlicht, die – spezifisch im Zusammenhang mit der Provinz Xinjiang – dem Risiko des Einsatzes von Zwangsarbeit ausgesetzt sind. Die Liste ist dabei nicht abschließend und soll vielmehr als zusätzlicher Risikofaktor einer umfassenden Due Diligence-Prüfung hinsichtlich von Menschenrechtsverletzungen verstanden werden.

 

Industry

Agriculture (including such products as raw cotton, hami melons, korla pears, tomato products, and garlic)

Cell Phones

Cleaning Supplies

Construction

Cotton, Cotton Yarn, Cotton Fabric, Ginning, Spinning Mills, and Cotton Products

Electronics Assembly

Extractives (including coal, copper, hydrocarbons, oil, uranium, and zinc)

Fake hair and human hair wigs, hair accessories

Food processing factories

Footwear

Gloves

Hospitality Services

Metallurgical grade silicon

Noodles

Printing Products

Renewable Energy (polysilicon, ingots, wafers, crystalline silicon solar cells, crystalline silicon solar photovoltaic modules)

Stevia

Sugar

Textiles (including such products as apparel, bedding, carpets, wool, viscose)

Toys

 

Weitere Anzeichen bzw. Warnhinweise für Zwangsarbeit in der Region sind

  • fehlende Transparenz hinsichtlich der Produktherkunft oder Herstellungsmethoden,
  • eine im Vergleich zum Umsatz geringe Anzahl an Mitarbeitern des Unternehmens selbst,
  • der Hinweis auf (Um-) Erziehungs- oder Trainingscenter zur Förderung ethnischer Minderheiten,
  • die Unterstützung durch die chinesische Regierung oder der Einsatz von Personalvermittlern der Regierung
  • sowie sämtliche Verbindungen zum Xinjiang Production and Construction Corps (XPCC).

Ebenfalls zu beachten ist die Liste des U.S. Department of Labor für „Goods Produced by Child Labor or Forced Labor sowie die Entity List” des U.S. Department of Commerce, die Unternehmen und Personen führt, deren Tätigkeiten ein potentielles Risiko für die nationale Sicherheit darstellen. Zudem bestehen Withhold Release Orders (WROs) des CBP, die im Zusammenhang mit China v.a. Baumwoll- und Tomatenprodukte betreffen.

Auch im Finanzsektor hat die Due Diligence-Prüfung die Einhaltung von Menschenrechten zu beachten, da der Bank Secrecy Act nicht nur Regelungen zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismus vorsieht, sondern auch eine Berichtspflicht hinsichtlich anderer Straftaten wie dem Einsatz von Zwangsarbeit.

Wann ist eine Genehmigung erforderlich? Welche Dokumentation ist dafür notwendig?

Grundsätzliche ist die U.S. Customs and Border Protection (CBP) die zuständige Behörde für die Kontrolle von Importen und Exporten in die USA. Sie kontrolliert auch, ob die Güter in Übereinstimmung mit dem anwendbaren US-Recht stehen und vollzieht Ausfuhrlizenzen für andere Behörden. Die konkreten Zuständigkeiten für Exportlizenzen richten sich dabei nach den jeweiligen Gütern. Die Informationen zur Ausfuhr können jedoch zentral über das ‘Automated Export System (AES)‘ eingereicht werden. Die CBP am Exporthafen ist auch erste Anlaufstelle für individuelle Fragen zu einzelnen Lizenzen.

Exportlizenzen

Eine Lizenz für die Ausfuhr von Waren ist nach den ‚Export Administration Regulations (EAR)‘ für bestimmte Warengruppen der Commerce Control Liste (CCL) notwendig bzw. schränkt den (Re-) Export oder Transfer amerikanischer und ausländischer Waren ein, die in bestimmte Zielländer oder zu einem bestimmten Endverbrauchszweck ausgeführt werden sollen. Insbesondere geht es bei den EAR um Abnehmer und Vertragspartner, deren Tätigkeiten die nationale Sicherheit oder außenpolitischen Interessen der USA beeinträchtigen können.

Spezifische Unternehmen finden sich in der „Entity List“ (Supplement No. 4 to Part 744 EAR). Sind diese Unternehmen an der Transaktion beteiligt, so ist eine Exportlizenz notwendig. Diese ist neben ggf. weiteren notwendigen Lizenzen bezüglich des Ziellandes oder von Gebrauchsrestriktion beim Bureau of Industry and Security (BIS) des U.S. Department of Commerce zu beantragen (Vgl. die Informationen des BIS). Bei der Entscheidung über die Lizenz beachtet das BIS bzw. das Department of Commerce jedoch auch Menschenrechtserwägungen. Darunter kann ein möglicher Einsatz der Waren zur Zensur, Überwachung, oder übermäßigem Zwangseinsatz gehören.

Vor dem (Re-) Export von Waren aus den USA ist daher zu fragen, ob die Waren unter spezielle Restriktionen der CCL fallen, wohin sie ausgeführt werden sollen, wer Endnutzer ist und zu welchem Zweck die Waren genutzt werden sollen. Ein Abgleich der Vertragsparteien mit der Entity List wird vom BIS als Teil der due diligence-Prüfung vor der Transaktion empfohlen.

Import von Waren in die USA

Beim Import von Waren in die USA ist zu beachten, dass nach dem Tariff Act (19 U.S.C. § 1307) die Einfuhr von Gütern verboten ist, die ganz oder teilweise durch Zwangs- oder Kinderarbeit hergestellt wurden. Erhält die CBP (Customs and Border Protection) Kenntnis von Tatsachen, die auf einen Verstoß gegen das Verbot hindeuten, können die Güter durch WROs festgehalten oder sogar eingezogen werden.

Um die Einhaltung dieser Anforderungen zu dokumentieren, ist ein „Certificate of Origin“ des Verkäufers bzw. Herstellers sowie eine Stellungnahme des Importeurs vorzuweisen, das den Anforderungen von 19 C.F.R. § 12.43(a) und (b) genügt. Das Gesetz bietet dabei eine Standardformulierung des Zertifikats, die möglichst einzuhalten ist. Falls eine Warensendung zurückgehalten wird, so sind diese Dokumente an den Einfuhrhafen zu senden, an dem die Waren festgehalten werden.

Zur Risikovorbeugung im Zusammenhang mit Zwangsarbeit empfiehlt die CBP die Nutzung folgender Ressourcen (Vgl. Xinjiang Uyghur Autonomous Region WRO FAQs):

Welche Risiken drohen bei Nichtbeachtung?

Unternehmen oder Personen, die die Vorgaben der Exportbeschränkungen bzw. des EAR nicht einhalten, drohen Bußgelder oder Strafverfahren, die vom Department of Commerce festgesetzt werden. Daneben droht der Erlass von WROs bzw. das Verwehren der Einfuhr von Gütern durch die CBP. Dies kann den Transport von Gütern erheblich verlangsamen und beeinträchtigen. Im Einzelfall können Waren sogar eingezogen und verwertet werden. Es existieren zudem spezifische Strafvorschriften auf Bundesebene zum Verbot von Zwangsarbeit und Menschenhandel (Vgl. etwa Federal Acquisition Regulation, Combating Trafficking in Persons (FAR 52.222-50) bzw. Trafficking Victims Protection Act’s Crime of Forced Labor (18 U.S.C. § 1589).); das Department of Homeland Security kann gegen Unternehmen ermitteln, die von Zwangsarbeit profitieren, auch wenn der Verstoß außerhalb der USA geschieht. Derzeit laufen z.B. Sammelklage gegen Tesla, Apple und weitere bekannte US-Konzerne von Eltern, deren Kinder bei der Arbeit in kongolesischen Kobaltminen ums Leben gekommen sind oder schwer verletzt wurden. Ein Unternehmenssitz in des USA ist indessen nicht erforderlich. Daher ist auch eine Strafverfolgung deutscher Unternehmen für Verstöße entlang der Lieferkette möglich, wenn die Güter in die USA exportiert werden sollen. Hierfür genügt neben der Kenntnis des Einsatzes von Zwangsarbeit auch bereits grob fahrlässige Unkenntnis. Eine umfassende due diligence-Prüfung hinsichtlich der Einhaltung von Menschenrechten entlang der Lieferkette ist daher unerlässlich.

Dem Unternehmen drohen Bußgelder bis zu $ 500.000 und den verantwortlichen Vorstandsmitgliedern oder Angestellten Gefängnisstrafen bis zu 20 Jahren. Zudem können Ausgleichszahlungen an die Opfer verlangt werden. Die Unternehmen sind zudem zivilrechtlichen Schadensersatzforderungen ausgesetzt, wenn sie wissentlich oder leichtfertig aus einem Projekt Gewinn erwirtschaftet haben, bei dem Zwangsarbeit einsetzt wurde.

Rechtslage in Deutschland

Bei den Expertenanhörungen im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zum Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes (LkSG) wurde in ähnlicher Weise verlangt, dass die Behörden entweder Black Lists (Liste verbotener Unternehmen) oder White Lists (Liste zuverlässiger Zulieferer) bereithalten und pflegen, an denen sich die deutschen Unternehmen orientieren können. Der Gesetzgeber hat dies jedoch nicht ausdrücklich in den Gesetzestext aufgenommen. Es bleibt abzuwarten, ob die deutschen Behörden ähnliche Listen veröffentlichen werden. Zuständig wäre in erster Linie das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle in Berlin (BAFA), das nach § 19 LkSG zuständig für die Überwachung der Pflichten aus dem LkSG. Nach § 20 LkSG soll die BAFA branchenübergreifende oder branchenspezifische Informationen, sowie Hilfestellungen und Empfehlungen zur Einhaltung dieses Gesetzes bereitstellen. Mit Spannung wird der erste Entwurf aus dem BAFA erwartet.