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OLG Frankfurt am Main bejaht Drittwirkung von Schiedsvereinbarung in Rahmenliefervertrag

28.01.2025

Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main hat sich in seinem Beschluss vom 02.01.2025 (26 SchH 1/23) erneut mit dem Thema der Drittwirkung von Schiedsvereinbarungen auseinandergesetzt. Im Einklang mit der etablierten Rechtsprechung kam es zu dem Ergebnis, dass eine Schiedsvereinbarung zu Gunsten Dritter, insbesondere in einem echten Vertrag zu Gunsten Dritter, wirksam ist und Drittwirkung entfalten kann. Ausschlaggebend hierfür ist der Wille der Parteien sowie der zugrundliegende Vertrag im Deckungsverhältnis. Hingegen kommt es nicht darauf an, ob dem begünstigten Dritten alternativ der Weg zu den ordentlichen Gerichten offensteht.

Hintergrund der Entscheidung

Die Antragstellerin ist eine Gesellschaft mit Sitz in der Volksrepublik China und Herstellerin pharmazeutischer Produkte. Die Antragsgegnerinnen sind verbundene Unternehmen der X AG (Pharmabranche). Im Jahr 2007 schlossen die X AG und die Antragstellerin einen langfristigen Rahmenliefervertrag zur Belieferung mit aktiven pharmazeutischen Wirkstoffen („active pharmaceutical ingredient“, „API“). Der Rahmenliefervertrag sollte ausweislich der Präambel auch den verbundenen Unternehmen der X AG ermöglichen, Produkte unter den Bedingungen des Rahmenliefervertrages zu beziehen.

Im Laufe der folgenden Jahre kamen zu dem Rahmenliefervertrag mehrfach Zusatzvereinbarung hinzu, welche u.a. Schiedsvereinbarungen enthielten.

Mitte des Jahres 2018 musste die X AG Produkte in insgesamt 23 Ländern zurückrufen, weil Verunreinigungen in dem API der Antragstellerin gefunden wurden. Es folgten Mängelrügen und im April 2020 schließlich die ordentliche Kündigung seitens der X AG mit Wirkung zum 17.05.2021. Über den gesamten Zeitraum des Rahmenliefervertrags hat die X AG, die als einzige der Antragsgegnerinnen unmittelbar am Abschluss des Rahmenliefervertrages beteiligt war, kein einziges Produkt erworben. Am 06.06.2020 erhoben die Antragsgegnerinnen Schiedsklage gegen die Antragstellerin.

Mit Zwischenschiedsspruch vom 21.12.2022 erklärte sich das Schiedsgericht mit Sitz in Frankfurt am Main für zuständig. Mit der Begründung, dass es im Verhältnis zu den Antragsgegnerinnen keine wirksame Schiedsvereinbarung gäbe, wendete sich die Antragstellerin (letztendlich erfolglos) gegen den Zwischenschiedsspruch und beantragte die Feststellung der Unzuständigkeit des Schiedsgerichts. Das OLG Frankfurt am Main wies die Anträge im Ergebnis als unbegründet zurück.

Entscheidung: Anwendung der im Rahmenliefervertrag enthaltenen Schiedsvereinbarung zu Gunsten Dritter

Das OLG Frankfurt am Main bestätigte die Zuständigkeit des ICC-Schiedsgerichts und bejahte die Drittwirkung der im Rahmenliefervertrag enthaltenen Schiedsvereinbarung im Wesentlichen aus den folgenden Gründen:

  • Die im Rahmen der Zusatzvereinbarung getroffene Schiedsvereinbarung sei wirksam und entfalte auch Wirkung zu Gunsten der Antragsgegnerinnen, die nicht unmittelbar Parteien des Rahmenliefervertrags waren. Die Drittwirkung ergäbe sich im Wege der Vertragsauslegung (§§ 133, 157 BGB).
  • Grundsätzlich sei die Reichweite einer Schiedsklausel auf die Vertragsparteien und ihre Rechtsnachfolger beschränkt. Denn die Unterwerfung unter einen Schiedsvertrag gehe mit einem Verzicht auf das grundrechtsgleiche Recht auf den gesetzlichen Richter aus Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG einher, der sich nur durch einen dahingehenden Parteiwillen rechtfertigen lasse.
  • Die Erstreckung einer Schiedsvereinbarung auf Dritte sei eine Ausnahme und komme nicht schon deshalb in Betracht, weil es sich bei den Antragsgegnerinnen um verbundene Unternehmen handelt.
  • Es ist grundsätzlich zulässig, eine Schiedsvereinbarung zu Gunsten Dritter zu treffen; insbesondere in einem echten Vertrag zu Gunsten Dritter im Sinne des § 328 BGB.
  • Der Rahmenvertrag zwischen der Antragstellerin und der Antragsgegnerin stelle einen solchen echten Vertrag zu Gunsten Dritter dar. Wird einem Dritten in einem Rahmenliefervertrag ein Anspruch auf Abschluss späterer Einzelkaufverträge zu den Bedingungen des Rahmenliefervertrages zugewandt, so unterfallen die in Ausübung des Optionsrechts geschlossenen Einzelkaufverträge der Schiedsvereinbarung des Rahmenvertrages, ohne dass hierin eine unzulässige Belastung des Dritten zu sehen sei.
  • Für eine solche Schiedsvereinbarung sei es auch nicht erforderlich, dass der begünstigte Dritte selbst eine eigene, der Form des § 1031 ZPO genügende Schiedsvereinbarung abschließe. Vielmehr entfalte die für sich genommene (formwirksame) Schiedsvereinbarung, die Teil des geschlossenen Vertrages zu Gunsten Dritter ist, unmittelbare Wirkung zu dem Drittbegünstigten.
  • Weder der drittbegünstigende Vertrag noch die im Deckungsverhältnis getroffene, den Dritten bindende Schiedsvereinbarung seien in dieser Konstellation als unzulässige Verträge zu Lasten Dritter anzusehen. Ein solcher liege nicht vor, wenn die belastende Wirkung für den Dritten lediglich in einer Einschränkung der zugewendeten Begünstigung bestehe. Diese Beschränkung wohne der Zuwendung von Beginn an inne und hindere die Schiedsbindung des Dritten nicht. Der Dritte erwerbe den Anspruch gleichsam belastet mit der Einschränkung, den Anspruch vor dem Schiedsgericht geltend zu machen.
  • Ein Wahlrecht des begünstigten Dritten zwischen der ordentlichen Gerichtsbarkeit und der Schiedsgerichtsbarkeit sei ebenfalls keine Voraussetzung für die Zulässigkeit der Drittwirkung. Letztlich stehe es dem Dritten frei, die ihm zugewandte Möglichkeit des Abschlusses von Einzelkaufverträgen wahrzunehmen oder nicht.

Fazit für die Praxis

Mit seiner Entscheidung unterstreicht das OLG Frankfurt am Main die bereits bekannte Möglichkeit der Drittwirkung von Schiedsvereinbarungen in echten Verträgen zu Gunsten Dritter. Die praktischen Anwendungsfälle gehen dabei über die Konstellation im vorliegenden Fall hinaus und beschränkt sich nicht nur auf verbundene Unternehmen des unmittelbar am Vertrag Beteiligten. Vielmehr besteht grundsätzlich die Möglichkeit, mit gezielter Vertragsgestaltung die Einbeziehung begünstigter Dritter in die Reichweite von Schiedsvereinbarungen in Rahmenverträgen zu erreichen.