Neues EU-Typgenehmigungsregime für mobile Maschinen
Mobile Maschinen und Geräte mit eigenem Antrieb, die speziell für die Ausführung von Arbeiten konstruiert oder gebaut wurden, müssen gelegentlich oder regelmäßig auf öffentlichen Straßen bewegt werden, um beispielsweise von einem Einsatzort zum nächsten zu gelangen. Diese Maschinen sind jedoch primär nicht für den Straßenverkehr ausgelegt, sondern für spezifische Arbeitsaufgaben, etwa auf Baustellen.
Sie unterliegen bislang als solches nicht dem EU-Typgenehmigungsregime, das auf Fahrzeuge zugeschnitten ist, die bestimmungsgemäß auf öffentlichen Straßen gefahren werden, insbesondere nach der Typgenehmigungsrahmenverordnung (EU) 2018/858 für Fahrzeuge der Klassen M und N. Lediglich für einen ihrer Bestandteile, nämlich für Verbrennungsmotoren, sieht die Verordnung (EU) 2016/1628 eine Typgenehmigungspflicht und insbesondere Emissionsgrenzwerte vor. Spezifische Anforderungen an die Verkehrssicherheit solcher Maschinen sind darin aber genauso wenig enthalten wie in sonstigen punktuellen Regelungen wie der Richtlinie 2000/14/EG oder, allgemein, dem EU-Maschinenrecht (aktuell in Gestalt der Maschinenrichtlinie 2006/42/EG und künftig der Maschinenverordnung (EU) 2023/123).
Vor diesem Hintergrund unterliegen die Vorgaben zur Straßenverkehrssicherheit für solche Maschinen bislang weitestgehend dem nationalen Recht der EU-Mitgliedstaaten. Zur Vereinheitlichung der Anforderungen an solche Maschinen und um Risiken im Straßenverkehr zu minimieren, wurde Ende 2024 die Verordnung (EU) 2025/14 verabschiedet und am 07.01.2025 im Amtsblatt veröffentlicht.
Die Verordnung folgt in ihrem Ansatz und ihrer Struktur dem bekannten EU-Typgenehmigungsregime (insb. Verordnungen (EU) 2018/858, 167/2013 und 168/2013). Fahrzeuge bzw. Maschinen dürfen künftig in der EU nur dann in Verkehr gebracht werden dürfen, wenn sie über eine EU-Typgenehmigung verfügen. Die Erteilung der Typgenehmigung setzt dabei die Einhaltung spezifischer Regelungen voraus, deren Fokus auf der Verkehrssicherheit liegt.
Im Folgenden soll ein Überblick über Anwendungsbereich, Inhalt und Geltungsbeginn der Neuregelung gegeben werden:
Anwendungsbereich der Verordnung
Im Grundsatz findet die Verordnung Anwendung auf mobile Maschinen und Geräte, die nicht primär für den Straßenverkehr bestimmt sind, jedoch gelegentlich oder regelmäßig, mit oder ohne Fahrzeugführer, auf öffentlichen Straßen genutzt werden. Sie umfasst dabei Fahrzeuge in einem Geschwindigkeitsbereich von 6 bis 40 km/h sowie Fahrzeuge mit weniger als drei Sitzplätzen. In einer Ausnahmevorschrift, die voraussichtlich gewisse Auslegungsschwierigkeiten bereiten wird, werden Maschinen vom Anwendungsbereich ausgenommen, die in erster Linie für die Beförderung einer oder mehrerer Personen, Tiere oder Güter bestimmt sind – mittels einer Rückausnahme wird aber der Transport einiger Instrumente und Materialien wieder in den Anwendungsbereich aufgenommen, insbesondere Material, welches auf Baustellen transportiert wird. Das wird klassische Baumaschinen einschließen, lässt aber auch einige Fragen offen, etwa zur Anwendbarkeit auf Gabelstapler.
Für einige spezielle Kategorien von Maschinen und Geräten hat der Hersteller die Wahl, eine EU-Typgenehmigung oder eine EU-Einzelgenehmigung zu beantragen oder die entsprechenden nationalen Vorschriften einzuhalten. Diese Kategorien umfassen beispielsweise Maschinen in geringer Stückzahl sowie Prototypen.
Nicht in den Anwendungsbereich der Verordnung fallen gezogene Maschinen, die aber von der Verordnung (EU) 2018/858 erfasst sein können (als Klasse O).
Anforderungen an Maschinen und Geräte sowie Typgenehmigungsverfahren nach der neuen Verordnung
Mit der Verordnung werden technische Anforderungen an alle neuen nicht für den Straßenverkehr bestimmten mobilen Maschinen und Geräte festgelegt. Die konkreten materiellen Anforderungen werden aber zunächst durch die EU-Kommission mittels delegierter Rechtsakte zu konkretisieren sein: So wird der Kommission – wie aus einer Vielzahl an produktbezogenen Rechtsakten jüngerer Zeit bekannt – in Art. 16 Abs. 2 die Befugnis übertragen, eine ganze Reihe technischer Vorgaben zu regeln, etwa zur Höchstgeschwindigkeit, den Bremseinrichtungen, der Lenkung etc. Gegenwärtig enthält die Verordnung lediglich die allgemeine Maßgabe, dass die Maschinen und Geräte so zu konstruieren sind, „dass die Gefahr von Verletzungen der Insassen und anderer Personen sowie die Gefahr von Beschädigungen der Straßeninfrastruktur in der Nähe der Maschinen und Geräte so gering wie möglich gehalten wird“ (Art. 16 Abs. 1).
Das Typgenehmigungsverfahren entspricht weitestgehend dem bekannten EU-Typgenehmigungsregime: Um eine Typgenehmigung zu erlangen, hat der Hersteller oder sein Bevollmächtigter bei der jeweiligen Genehmigungsbehörde einen Antrag auf eine Typgenehmigung mit Beschreibungsmappe einzureichen. Auf dieser Basis erteilen die nationalen Typgenehmigungsbehörden eine Typgenehmigung. Interessant ist, dass Bauteile und selbstständige technische Einheiten, die nach der Verordnung (EU) 2018/858 (für Fahrzeuge der Klassen M und N) oder der Verordnung (EU) 16/2013 (für land- und forstwirtschaftlichen Fahrzeuge) typgenehmigt wurden, akzeptiert werden, wenn sie ordnungsgemäß in die mobilen Maschinen und Geräte eingebaut und integriert worden sind und die Übereinstimmung dieser Maschinen und Geräte mit den geltenden technischen Anforderungen nicht beeinträchtigen.
Pflichten für Hersteller, Einführer und Händler
Auch die Pflichtenkataloge der Verordnung entsprechend weitgehend dem bekannten EU-Typgenehmigungsregime: Hersteller, Einführer und Händler müssen nach der Verordnung insbesondere sicherstellen, dass die von ihnen in Verkehr gebrachten nicht für den Straßenverkehr bestimmten mobilen Maschinen und Geräte entweder zu einem Typ gehören, für den eine EU-Typgenehmigung erteilt wurde, und dass sie entsprechend diesem Typ entwickelt und hergestellt werden, oder dass für sie eine EU-Einzelgenehmigung erteilt wurde. Wie üblich sieht die Verordnung abgestufte Verantwortlichkeiten vor: Während Hersteller und auch Einführer genau prüfen müssen, ob eine Maschine tatsächlich den Anforderungen der Verordnung entspricht, sieht die Verordnung für Händler lediglich die Einhaltung einer „gebührenden Sorgfalt“ und die Überprüfung von Unterlagen und Kennzeichnungen vor (Art. 12). Auch der „Quasi-Hersteller“ hat in Art. 14 Eingang in die neue Verordnung gefunden
Inkrafttreten und Geltungsbeginn der Regelung
Die Verordnung wird am 28.01.2025 in Kraft treten (Art. 56 Abs. 1). Geltung werden die Regelungen weitestgehend aber erst ab dem 29.01.2028 erlangen (Art. 56 Abs. 4); zuvor in Verkehr gebrachte Maschinen und Geräte sind vom Anwendungsbereich der Verordnung ausgenommen (Art. 2 Abs. 2 lit. f).
Abweichend von dieser Regelung zum Geltungsbeginn können die Mitgliedstaaten jedoch für Fahrzeuge, die bis zum 29.01.2036 in Verkehr gebracht wurden, spezifisches nationales Typgenehmigungsrecht anwenden. Während dieses Zeitraums kann der Hersteller eine EU-Typgenehmigung oder eine EU-Einzelgenehmigung beantragen oder einschlägiges nationales Recht einhalten.
Ausblick
Das neue EU-Typgenehmigungsregime für nicht für den Straßenverkehr bestimmte mobile Maschinen und Geräte wird namentlich deren Hersteller, aber auch deren Einführer und Händler, vor nicht unerhebliche Herausforderungen stellen, ihnen aber gleichzeitig den EU-weiten Markteintritt erleichtern. Die genauen Anforderungen an die erfassten Maschinen und Geräte bleiben indes bis zum Erlass delegierter Rechtsakte durch die EU-Kommission noch skizzenhaft.
Auch wenn der Geltungsbeginn heute noch fern erscheinen mag, sind die relevanten Wirtschaftsakteure aber bereits jetzt dazu angehalten, frühzeitig tätig zu werden und die Vorgaben des neuen Typgenehmigungsregimes zu evaluieren sowie die Ausgestaltungsbestrebungen der Kommission zu verfolgen. Abgesehen von einem Verbot des Inverkehrbringens von Maschinen sollen Verstöße gegen die Verordnung nämlich – wie üblich – bußgeldbewehrt sein. Die Regelung der Sanktionen obliegt den Mitgliedstaaten, die diese wirksam, verhältnismäßig und abschreckend ausgestalten müssen (Art 53 Abs. 1). Mit Blick auf die deutsche Regelung der EU-Typ-BV, die Bußgelder für Verstöße gegen das aktuelle EU-Typgenehmigungsrecht detailliert regelt (wir berichteten), dürfte auch für die neue Verordnung mit Bußgeldern bis zu EUR 500.000 (pro Verstoß) zu rechnen sein – wobei anzumerken ist, dass der deutsche Gesetzgeber für manche Verstöße den § 30 Abs. 2 S. 3 OWiG für anwendbar erklärt, der eine Verzehnfachung des Bußgeldhöchstmaßes vorsieht.