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Neuer EU-Zertifizierungs­rahmen für Tätigkeiten zur CO2 Neutralisierung in Kraft getreten

15.01.2025

Am 26. Dezember 2024 ist die Verordnung (EU) 2024/3012 zur Schaffung eines Unionsrahmens für die Zertifizierung von dauerhaften CO2-Entnahmen, kohlenstoffspeichernder Landbewirtschaftung und der CO2-Speicherung in Produkten in Kraft getreten („EU-Zertifizierungsrahmen“). Dieser EU-Zertifizierungsrahmen betrifft die Marktordnung zur Ausgabe von Zertifikaten über die Neutralisierung bzw. den Ausgleich von CO2 -Emissionen, welche mit Blick auf das Ziel einer CO2-neutralen Wirtschaft eine zunehmende Bedeutung erlangen. Dieser freiwillige Zertifikatehandel steht als ergänzende Maßnahme neben den verpflichtenden Emissionszertifikaten im Rahmen des EU-Emissionshandelssystems („EU-ETS“) und gilt sektorübergreifend bzw. unabhängig von bestimmten Emissionsquellen. Das politische Ziel hinter dem neuen EU-Zertifizierungsrahmen ist es, einen einheitlichen und transparenten Markt für die freiwillige Zertifizierung zu schaffen und dadurch die Schaffung von Anreizen zu Investitionen in nachhaltige Technologien zu lenken bzw. Verbrauchern ein Instrument zur Orientierung an die Hand zu geben. Insbesondere soll durch die Einführung von Qualitätsstandards eine Überprüfbarkeit und Transparenz des Zertifizierungswesens gewährleistet werden und der rein ökonomisch motivierten Ausweisung von ökologisch nicht gesichert nachhaltigen Aktivitäten im Sinne eines „Greenwashing“ vorgebeugt werden.

Der neue EU-Zertifizierungsrahmen beschreibt klare Vorgaben für die Einrichtung und den Betrieb von Zertifizierungssystemen und für ihre nunmehr notwendige Anerkennung durch die Europäische Kommission. Der EU-Zertifizierungsrahmen beruht dabei im Wesentlichen auf folgenden Erwägungen:

I   Begrenzte Reichweite des Zertifikatehandels nach dem EU-ETS

Das bestehende Emissionshandelssystem des EU-ETS gilt nach der maßgeblichen Richtlinie 2003/87/EG nur für bestimmte, abschließend aufgelistete Sektoren der Industrie und der Energiewirtschaft, in denen die Unternehmen verpflichtet sind, Emissionszertifikate vorzuhalten oder zu kaufen, um zur Freisetzung von CO2-Emissionen berechtigt zu sein. Der Markt für diese Zertifikate basiert auf einer Deckelung der Gesamtmenge der zulässigen Emissionen, wobei die dafür ausgegebenen Zertifikate zwischen den Marktteilnehmern gehandelt werden können (Cap-and-Trade).

Neben dem EU-ETS, in dessen Rahmen die Berechtigung für die Freisetzung von Emissionen in bestimmten Wirtschaftssektoren erworben und gehandelt wird, basieren die freiwilligen CO2-Zertifikate auf dem Prinzip der Vermeidung von Emissionen bzw. der Schaffung von Ausgleichsfaktoren für bereits erfolgte Emissionen. Die freiwilligen Zertifikate betreffen damit alle Sektoren, in denen CO2 emittiert wird, da nicht die Emission aus bestimmten Quellen sondern ihre Vermeidung bzw. Neutralisierung reguliert wird, also insbesondere auch die aus dem EU-ETS ausgeklammerten Bereiche der Land- und Forstwirtschaft oder die emissionssignifikanten Industriebereiche mit schwer vermeidbaren Grundemissionen. Die Notwendigkeit der flächendeckenden Einrichtung von Ausgleichs- und Vermeidungsmaßnahmen als Zusatz zum Emissionshandel ist im Hinblick auf die ambitionierten nationalen und EU-weiten Klimaschutzziele politisch stark in den Vordergrund gerückt, zuletzt etwa im Rahmen der jüngsten Ausarbeitung von sog. „Carbon Management Strategien“ durch die Europäische Kommission oder die deutsche Bundesregierung. Im Rahmen dieser Strategien soll der Ausbau von Technologie und Infrastruktur zur dauerhaften geologischen Speicherung von CO2 (sog. Carbon Capture and Storage bzw. „CCS“) und zur industriellen Wiederverwendung von CO2 (Carbon Capture and Utilization bzw. CCU) unterstützt werden. Damit soll mittel- bzw. langfristig der Weg für sog. „Negativemissionen“ geebnet werden, die erreicht werden können, wenn die CO2-Speicherung bzw. Wiederverwendung mit der Nutzung von Verfahren zur Entnahme von CO2 aus der Atmosphäre kombiniert wird (sog. Carbon Dioxide Removal bzw. „CDR“).

In diesem klimapolitischen Kontext setzt sich die EU auch mit dem neuen Zertifizierungsrahmen zum Ziel, „die Einführung dauerhafter CO2-Entnahmen, der kohlenstoffspeichernden Landbewirtschaftung [...] und der CO2-Speicherung in Produkten [...] als Ergänzung zur nachhaltigen Verringerung von Treibhausgasemissionen in allen Branchen [zu] erleichtern und [...] fördern“ (Art. 1 des EU-Zertifizierungsrahmens) und versteht diesen als Erweiterung des EU-Instrumentariums zur Verwirklichung des Pariser Klimaschutzabkommens und der Zielvorgabe einer EU-Klimaneutralität bis 2050 im Sinne des sog. „EU-Klimaschutzgesetzes“ (Verordnung (EU) 2021/1119) (Erwägungsgrund Nr. 3 des EU-Zertifizierungsrahmens).

II   Staatlich überprüfte Qualitätsstandards zur Festigung der Glaubwürdigkeit

Obwohl keine Pflicht zur Teilnahme am Zertifizierungsrahmen besteht, wird dieser erhebliche Vorteile für das System der freiwilligen Zertifizierung bieten. Die rechtliche Festlegung und Überprüfung von Qualitätskriterien führen zu einer höheren Akzeptanz der ausgestellten Zertifikate auf dem Markt, welche sich bisher als Schwachstelle des freiwilligen Zertifizierungswesens herausgestellt hat.

Bis dato beruhen jene Zertifikate, welche sicherstellen sollen, dass bestimmte Tätigkeiten klimafreundliche Ergebnisse erzielen, insoweit nicht auf staatlich regulierten Kriterien, sondern auf Qualitätsstandards privater Zertifizierungsanbieter, deren Ausarbeitung bislang keiner strukturellen rechtlichen Überprüfung unterliegt.

Der EU-Zertifizierungsrahmen soll nun für Transparenz und Rechtssicherheit sorgen, indem insbesondere nachfolgende Regelungen über die zertifizierungsfähigen Tätigkeiten, das Zertifizierungsverfahren bzw. die Zertifizierungsmethoden und die Ausstellung der Zertifikate entweder unmittelbar getroffen oder vorgezeichnet und im Weiteren der Rechtssetzung durch die Europäische Kommission im Rahmen delegierter Rechtsakte überantwortet werden:

1. Zertifizierungsfähigkeit bestimmter Neutralisierungstätigkeiten 

Gemäß Art. 3 des EU-Zertifizierungsrahmens sind grundsätzlich „CO2-Entnahmen“ und „Verringerungen von Bodenemissionen“ zertifizierungsfähig.

Die dort als CO2-Entnahme bezeichnete Extraktion und dauerhafte Speicherung von CO2 aus der Atmosphäre im Sinne eines CDR ermöglicht eine nachhaltige CO2-Neutralisierung, da die entnommenen und gespeicherten CO2-Mengen bei ordnungsgemäßem Verfahrensablauf nicht mehr zum klimaschädlichen Treibhauseffekt beitragen können.

Ebenso kann auch die als Verringerung von Bodenemissionen bezeichnete Minimierung der natürlichen Emissionen aus den in Art. 1 Nr. 2 des EU-Zertifizierungsrahmens in Verbindung mit Anhang I Abschnitt B Buchstaben e und f der Verordnung (EU) 2018/841 genannten biogenen Kohlenstoffspeichern – Mineralböden und organische Böden – einen CO2-Neutralisierungseffekt erzielen, der durch bestimmte Tätigkeiten der nachhaltigen Landbewirtschaftung gelenkt werden kann.

Folglich sollen nach dem EU-Zertifizierungsrahmen diese Tätigkeiten („Neutralisierungstätigkeiten“) durch eine Zertifizierung gefördert werden, wobei für die Zertifizierungsfähigkeit gemäß Art. 3 jeweils konkret vorausgesetzt wird, dass diese:

  • die Qualitätskriterien gem. Artikel 4 bis 7 des EU-Zertifizierungsrahmens erfüllen (hierzu unter 2.)
  • von einer unabhängigen Stelle im Einklang mit den Verfahrensvorschriften des Artikel 9 des EU-Zertifizierungsrahmens überprüft werden (hierzu unter 3.).

In der Praxis kommen insbesondere folgende Neutralisierungstätigkeiten als Gegenstand einer Zertifizierung in Betracht:

a) CDR-Verfahren mit dauerhafter geologischer CO2-Speicherung

Zur dauerhaften geologischen CO2-Speicherung stehen - etwa im Rahmen von CCS - bereits seit Jahren technologische Möglichkeiten zur Verfügung. Zur nachhaltigen CO2-Neutralisierung kann diese geologische Speicherung einem der bestehenden Wege zur CO2-Entnahme aus der Atmosphäre im Sinne des CDR nachgeschaltet werden. Hier kommen die emissionsneutrale Nutzung von Biomasse, welche auf natürliche Weise CO2 aus der Umgebungsluft einspeichert (sog. Bio Energy CCS bzw. BECCS) und die Speicherung von unmittelbar aus der Atmosphäre extrahiertem CO2 in Betracht (sog. Direct Air CCS bzw. DACCS).

b) Natürliche CO2-Speicherung (Carbon Framing)

Neben der anthropogenen CO2-Entnahme und Speicherung ist auch die CO2-neutralisierende Landbewirtschaftung (sog. Carbon Framing) zertifizierbar, mit welcher natürliche Bodenemissionen verringert werden sowie die natürliche CO2-Bindung durch pflanzliches Leben gesteuert werden kann. Hier kommen bestimmte forstwirtschaftliche Verfahren zur Aufforstung und gezielte Tätigkeiten im Kontext der Landbewirtschaftung in Betracht, wie etwa die Verwendung von Zwischenfrüchten oder bodenbedeckenden Kulturen oder die Umwandlung stillgelegter landwirtschaftlicher Flächen in Dauergrünland (Erwägungsgrund Nr. 25 des EU-Zertifizierungsrahmens). Zur Berücksichtigung im EU-Zertifizierungsrahmen ist für solche Neutralisierungstätigkeiten erforderlich, dass sie über einen Zeitraum von mindestens fünf Jahren durchgeführt werden (Art. 2 Nr. 10 des EU-Zertifizierungsrahmens).

c) Wiederverwendung bzw. dauerhafte CO2-Speicherung in Produkten

Schließlich kommen Neutralisierungstätigkeiten in Betracht, die eine Bindung bzw. Speicherung von atmosphärischem oder biogenem CO2 in einem langlebigen Produkt vorsehen. Eine solche Speicherung kommt etwa in Baumaterialien oder in der chemischen Industrie in Form von gebundenem Karbonat in Betracht. Diesbezüglich hat der Europäische Gerichtshof in der Rechtssache C‑460/15 (- Schaefer Kalk GmbH & Co. KG -) bereits im Jahr 2017 entschieden, dass CO2-Mengen im Fall einer dauerhaften chemischen Bindung nicht als Emissionen im Sinne des ETS-Systems gelten, sodass eine entsprechende Berücksichtigung dieser Neutralisierungstätigkeit im Rahmen des EU-Zertifizierungsrahmens nahelag. Zur Zertifizierungsfähigkeit muss das CO2 nach dem EU-Zertifizierungsrahmen dabei für mindestens 35 Jahre in dem jeweiligen Produkt gebunden sein und die Überwachung des gespeicherten CO2 ermöglicht werden bzw. sichergestellt sein, dass bei normalem Gebrauch des Produkts das CO2 nach Ende der Lebensdauer nicht wieder freigesetzt wird (Art. 2 Nr. 11 und 12 des EU-Zertifizierungsrahmens).

2. Unmittelbare Festlegung von Qualitätskriterien für die Zertifizierung

Eine Zertifizierung von Neutralisierungstätigkeiten kann nach Art. 3 des EU-Zertifizierungsrahmens grundsätzlich nur erfolgen, wenn die folgenden vier Qualitätskriterien im Sinne der Art. 4 - 7 des EU-Zertifizierungsrahmens erfüllt sind:

a) Quantifizierbarer Nutzen (Art. 4 des EU-Zertifizierungsrahmens)

Die Neutralisierungstätigkeit muss einen quantifizierbaren und dauerhaften Netto-Nutzen erreichen. Laut der dort festgelegten Berechnungsformel ist dabei - vereinfacht dargestellt - in einem ersten Schritt die durch die jeweilige Tätigkeit erreichte Menge der CO2-Entnahmen aus der Atmosphäre bzw. der Reduktion von Bodenemissionen durch einen Vergleich zu einem Emissionsreferenzwert bzw. einem „Ausgangswert“ zu ermitteln. In einem zweiten Schritt müssen von diesem Wert diejenigen Emissionen abgezogen werden, die im Verlauf der Neutralisierungstätigkeit selbst anfallen und mit ihr in einem Zusammenhang stehen. Eine Neutralisierungstätigkeit bringt dabei einen Netto-Nutzen, wenn die über den Ausgangswert hinausgehenden CO2-Entnahmen den mit der Durchführung der Tätigkeit verbundenen Anstieg von Emissionen übertreffen.

b) Sog. „Zusätzlichkeit“ der Tätigkeit (Art. 5 des EU-Zertifizierungsrahmens)

Jede zertifizierbare Neutralisierungstätigkeit muss „zusätzlich“ im Sinne des Zertifizierungsrahmens sein. Dies ist der Fall, wenn ihre Durchführung nicht ohnehin rechtlich vorgeschrieben ist und ihre wirtschaftliche Tragfähigkeit gerade auf den durch die Zertifizierung zu bewirkenden zusätzlichen Anreizeffekten beruht. Ein solcher Anreizeffekt liegt dabei vor, wenn der durch die potenziellen Einnahmen geschaffene Anreiz das Verhalten der Betreiber der Neutralisierungsanlagen kausal verändert, sodass sie die überobligatorischen CO2-Entnahmen oder Verringerungen von Bodenemissionen von selbst anstreben (Erwägungsgrund Nr. 25 des EU-Zertifizierungsrahmens). Auch eine Tätigkeit, deren Verringerungsbilanz dabei über einen obligatorisch vorgeschriebenen CO2-Verringerungswert hinausgeht, gilt dabei als zusätzlich.

c) Dauerhafte Speicherung und Haftung (Art. 6 des EU-Zertifizierungsrahmens)

Es muss nachgewiesen sein, dass die jeweilige Neutralisierungstätigkeit eine dauerhafte Speicherung von CO2 tatsächlich bewirken kann bzw. zum Prüfungszeitpunkt eine langfristige Speicherung von CO2 beabsichtigt ist. In diesem Kontext wird für die geologische Speicherung auf die Vorschriften der hierzu erlassenen Richtlinie 2009/31/EG (CCS-Richtlinie) verwiesen bzw. für die chemische Bindung in bestimmten Produkten auf die hierzu bereits bestehende Einzelbestimmung in Art. 12 Abs. 3b der aktualisierten ETS-Richtlinie (Richtlinie 2003/87/EG) Bezug genommen. Dabei wird die Europäische Kommission ermächtigt, im Rahmen eines delegierten Rechtsakts mit Bezug auf die einzelnen Neutralisierungstätigkeiten weitere Vorschriften über die zu wahrenden Standards und über das Haftungsregime der Betreiber im Hinblick auf mögliche Wiederfreisetzungen gespeicherter CO2-Mengen festzulegen. Diese delegierten Rechtsakte sollen dabei auch Vorschriften zur Bewältigung des Risikos des Ausfalls von Haftungsmechanismen, etwa durch kollektive Puffer oder Vorabversicherungsmechanismen umfassen (Erwägungsgrund Nr. 23 des EU-Zertifizierungsrahmens). Inhaltlich hat die Europäische Kommission bei der Festlegung dieser Standards mithin einen großen Spielraum.

d) Nachhaltigkeit (Art. 7 des EU-Zertifizierungsrahmens)

Die zu zertifizierende Neutralisierungstätigkeit darf die Umwelt nicht erheblich beeinträchtigen („do not significant harm“), sondern soll vielmehr auch positive Nebeneffekte für bestimmte Nachhaltigkeitsziele bewirken können, die in Art. 7 des EU-Zertifizierungsrahmens genannt werden, darunter etwa die nachhaltige Nutzung von Wasser- und Meeresressourcen, die Vermeidung und Verminderung von Umweltverschmutzung, die Förderung der Kreislaufwirtschaft im Sinne eines nachhaltigen Ressourcenmanagements oder der Schutz der Biodiversität. Zur Bestimmung der konkreten Nachhaltigkeitskriterien wird die Europäische Kommission ebenfalls ermächtigt, im Rahmen eines delegierten Rechtsaktes Mindestanforderungen festzulegen, deren Inhalte noch der näheren Ausgestaltung unterliegen.

3. Regelung der Zertifizierungsprüfung und der Zuständigkeiten

Zur Überprüfung der Konformität der Neutralisierungstätigkeiten mit den vorgenannten Qualitätskriterien legt der EU-Zertifizierungsrahmen die Grundlagen des Zertifizierungsverfahrens (Art. 9) und die Zuständigkeiten (Art. 8) unmittelbar fest, wobei auch hier der Europäischen Kommission hinsichtlich der Details ein beachtlicher Gestaltungsspielraum verbleibt:

Die Prüfung der Qualitätskriterien muss jeweils von einer unabhängigen und durch die Mitgliedsstaaten förmlich akkreditierten Zertifizierungsstelle organisiert und überwacht werden, welche von den Betreibern der Neutralisierungsanlagen rechtlich und finanziell unabhängig ist und im öffentlichen Interesse operiert (Art. 10 des EU-Zertifizierungsrahmens). Die konkrete Durchführung der inhaltlichen Konformitätsprüfung erfolgt bei einem sog. Zertifizierungssystem, welches auf Vermittlung der Mitgliedstaaten unmittelbar durch die Europäische Kommission anerkannt werden muss (Art. 13 des EU-Zertifizierungsrahmens). Im Hinblick auf die konkrete Methodik der Zertifizierung ist der Europäischen Kommission in Art. 8 Abs. 2 und Art. 16 in Verbindung mit Anhang I des EU-Zertifizierungsrahmens gleichsam die Befugnis zum Erlass delegierter Rechtsakte übertragen, durch welche für jede der denkbaren Neutralisierungstätigkeiten technische und organisatorische Spezifika aufgestellt werden sollen. Diesbezüglich sieht Art. 8 Abs. 3 in Verbindung mit Anhang I des EU-Zertifizierungsrahmens vor, dass die aufgestellten Zertifizierungsmethoden eine robuste und transparente Zertifizierung des erzielten Netto-Nutzens der Neutralisierungstätigkeiten sicherstellen, gleichzeitig jedoch einen unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand für Betreiber oder Betreibergruppen, insbesondere für landwirtschaftliche Kleinerzeuger bzw. Kleinwaldbesitzer vermeiden sollen. Hierzu ist ergänzend vorgesehen, dass etwa vereinfachte Zertifizierungs- und Auditvorschriften zugelassen werden und die jeweilige Methodik in Abstimmung mit der durch die Europäische Kommission eingerichteten Expertengruppe für CO2-Entnahmen und weiteren Interessenträgern ausgearbeitet wird (Erwägungsgrund Nr. 27 zum EU-Zertifizierungsrahmen).

An das jeweilige Zertifizierungssystem - insoweit sind sowohl staatliche oder private Träger denkbar - wendet sich der jeweilige Betreiber der Neutralisierungstätigkeiten individuell mit seinem Zertifizierungsantrag und legt sodann der durch das jeweilige Zertifizierungssystem benannten akkreditierten Zertifizierungsstelle folgende Dokumente zur Prüfung vor (Art. 9 Abs. 1 UAbs. 2 des EU-Zertifizierungsrahmens):

  • Tätigkeitsplan für die jeweilige Neutralisierungstätigkeit
  • Konformitätsnachweis bezüglich der Qualitätskriterien
  • Berechnung des erwarteten Netto-Nutzens der Neutralisierungstätigkeit
  • Überwachungsplan

Die Zertifizierungsstelle überprüft die Informationen und bescheinigt nach vorheriger Erstellung eines Zertifizierungsprüfberichts - bei Erfüllung aller Voraussetzungen - die Einhaltung der Qualitätskriterien im Rahmen eines Konformitätszertifikats. Das ursprünglich ersuchte Zertifizierungssystem prüft den Zertifizierungsprüfbericht und das Konformitätszertifikat im Einklang mit der geltenden Methodik und stellt den vollständigen Bericht oder - soweit dies zur Sicherung sensibler Geschäftsinformationen notwendig ist - eine komprimierte Version sowie das Zertifikat in seinem eigenen Zertifizierungsregister oder in dem unionsweiten Zertifizierungsregister öffentlich zur Verfügung (Art. 9 Abs. 2 des EU-Zertifizierungsrahmens), welches die Europäische Kommission bis zum 27. Dezember 2028 einrichten wird (Art. 12 Abs. 1 des EU-Zertifizierungsrahmens). Der Inhalt der im Register veröffentlichten Informationen umfasst dabei insbesondere die Art der Neutralisierungstätigkeit, ihren Standort und die Dauer der Tätigkeit, Informationen zum Betreiber, den Namen des involvierten Zertifizierungssystems und eine Referenz zur geltenden Zertifizierungsmethode (Anhang II des EU-Zertifizierungsrahmens). Bis zur Einrichtung des unionsweiten Zertifizierungsregisters sind die Zertifizierungssysteme verpflichtet, selbst eigene Zertifizierungsregister zu unterhalten.

Zu beachten ist zudem, dass alle fünf Jahre eine erneute Rezertifizierung durch die Zertifizierungsstelle durchzuführen ist (Art. 9 Abs. 3 des EU-Zertifizierungsrahmens).

III. Fazit und Einordnung

Der neue EU-Zertifizierungsrahmen für den freiwilligen Zertifikatehandel birgt erhebliche Potenziale zur Förderung der nachhaltigen Reduktion von Treibhausgasemissionen in allen Sektoren der Wirtschaft, indem Investoren (und Verbrauchern) künftig transparente und qualitativ gesicherte Orientierungspunkte in Bezug auf Nachhaltigkeitsentscheidungen geboten werden können. Dies kann das Vertrauen aller Marktteilnehmer in die sachgerechte Nutzung von Umwelttechnologien stärken und unternehmerische Anreize für die flächendeckende Entwicklung neuer Projekte schaffen, die zum Erreichen der nationalen und EU-weiten Klimaziele unbedingt notwendig sind. Für die Wirtschaftsakteure ergeben sich dadurch erhebliche unternehmerische Anreize, Innovationstreiber und Avantgardisten ihrer Branche zu sein, da hier künftig ein wesentlicher Schlüssel zur Wettbewerbsfähigkeit und -steigerung liegen wird.

Perspektivisch wird deutlich, dass die konkrete Ausgestaltung der Qualitätsstandards und der Zertifizierungsmethodik in hohem Maße von den delegierten Rechtsakten der Europäischen Kommission abhängen wird, deren Inhalt im Detail noch ausgearbeitet wird. Mit der Verabschiedung der Zertifizierungskriterien und insbesondere der Berechnungsmethode für die Betrachtung des Netto-Nutzens ist jedoch der Grundstein der zukünftigen Ausrichtung eines unionsweiten Marktes für Nachhaltigkeitszertifizierungen bereits gelegt. Die für eine Zertifizierung in Betracht kommenden Technologien (insbesondere zur geologischen Speicherung von CO2) setzen teilweise aufwändige Speicher- und Transportinfrastrukturen voraus, deren flächendeckender Aufbau aktuell politisch geplant und strukturell gefördert wird, sodass sich hier neben dem ökologischen Nutzen der Zertifizierung derzeit auch ein bedeutendes Marktpotenzial auftut.

Für Marktteilnehmer ist es deshalb essenziell, sich bereits jetzt mit den Anforderungen des neuen EU-Zertifizierungsrahmens vertraut zu machen und die nun folgende Ausarbeitung der technischen Anforderungen im Rahmen der delegierten Rechtsakte der EU-Kommission engmaschig zu verfolgen. Eine erfolgreiche Zertifizierung der eigenen Angebote wird für die Marktteilnehmer künftig nicht nur die Chance bieten, ihre klimatechnologische Expertise zu demonstrieren und ihr Nachhaltigkeitspotenzial glaubwürdig darzulegen, sondern auch einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil darstellen. Dies gilt umso mehr vor dem Hintergrund, dass auch die allgemeinen Möglichkeiten der Nachhaltigkeitsausweisung bzw. der entsprechenden Unternehmenskommunikation im Rahmen einer weiteren Richtlinie, der sog. „Green Claims Directive“, die sich in einem fortgeschrittenen Stadium des EU-Gesetzgebungsverfahrens befindet, bald intensiver reguliert werden. Auch diese Entwicklung sollten die Marktteilnehmer daher aufmerksam verfolgen.

Ausblickend zeigt sich, dass der EU-Zertifizierungsrahmen einerseits ein weiterer Meilenstein zur Erreichung der ehrgeizigen Klimaziele sein wird als auch andererseits sich aus diesem vielfältige unternehmerische Chancen ergeben. Durch eine umfassende und zielgerichtete rechtliche Beratung lassen sich diese Chancen in wirtschaftlichen und nachhaltigen Erfolg verwandeln.