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Neue Herausforderungen für die LNG-Industrie durch die EU-Methan­verordnung

11.12.2024

Die im August in Kraft getretene EU-Methanverordnung (Verordnung (EU) 2024/1787) stellt einen wichtigen Baustein des „Fit for 55“-Pakets der EU-Kommission dar, um den globalen Methanausstoß bis zum Jahr 2030 zu senken (wir berichteten). Auch Importeure von LNG, also verflüssigtem Erdgas, werden durch die in der EU-Methanverordnung vorgesehenen Pflichten vor besondere Herausforderungen gestellt – Herausforderungen, die mit der Praxis des LNG-Handels zum Teil schwer vereinbar sind.

Pflichten für LNG-Anlagen und Importeure

Die Pflichten aus der EU-Methanverordnung gelten auch für die Betreiber von LNG-Anlagen und für die Betreiber von Anlagen zur Erdgasverteilung (Art. 1 Abs. 2 lit. c). Anlagenbetreiber sind zunächst verpflichtet, bis 05.08.2025 über die geschätzten Methanemissionen zu berichten. Neben den Berichtspflichten unterliegen die Anlagenbetreiber praktischen Pflichten wie die allgemeine Emissionsminderungspflicht (Art. 13), die durch Pflichten zur Leckerkennung und -reparatur (LDAR-Pflichten nach Art. 14) sowie Beschränkungen des Ausblasens und Abfackelns (Art. 15) konkretisiert werden.

Daneben treffen auch Importeure Pflichten nach der EU-Methanverordnung. Der Begriff des „Erdgases“ umfasst alle Formen von Erdgas, also auch LNG als verflüssigtes Erdgas. Pflichten, die somit auch Importeuren von LNG obliegen, sind insbesondere Informations- und Nachweispflichten (Art. 27, Art. 28), die in Lieferverträgen widergespiegelt werden müssen.

  • Informationspflichten gegenüber den zuständigen nationalen Behörden: Erstmalig bereits zum 5. Mai 2025 und danach jeweils zum 31. Mai des Folgejahres müssen die Importeure den zuständigen Behörden ihres Niederlassungsstaates die in Anhang IX genannten Informationen vorlegen bzw. eine stichhaltige Begründung, warum sie diese Informationen nicht vorlegen können. Letzteres wird möglicherweise auch deshalb relevant, weil der allgemeine Anhang IX einige Angaben schon früher fordert als die konkreten Artikel 28 und 29.

    Die Mitgliedstaaten wiederum sind verpflichtet, der Kommission bis zum 5. August 2025 und bis zum 31. August jedes Folgejahres die Informationen, die ihnen die Importeure vorgelegt haben, weiterzugeben. Die Kommission macht diese Information frei zugänglich. Die von den Importeuren weiterzugebenden Informationen betreffen insbesondere:
  • Details zu dem Exporteur oder, sofern dieser verschieden ist, die Details zu dem Erzeuger;
  • exportierende Drittländer und Regionen der NUTS-1-Ebene nach der Systematik der Gebietseinheiten für die Statistik der Union, in denen Produkte erzeugt oder durch die Produkte befördert wurden;
  • Angaben dazu, ob und wie Erzeuger bzw. Exporteur Methanemissionen auf Standortebene messen, verifizieren lassen, im Einklang mit Anforderungen der United Nations Framework Convention on Climate Change („UNFCCC“) melden und ob UNFCCC-Berichterstattungsanforderungen und Standards der „Oil and Gas Methane Partnership“ („OGMP“) 2.0 erfüllt werden;
  • Maßnahmen des Erzeugers bzw. Exporteurs zur Eindämmung seiner Methanemissionen (z.B. LDAR-Untersuchungen oder Maßnahmen zur Kontrolle und Beschränkung von Ausblas- und Abfackelvorgängen) mit einschlägigen Berichten für das letzte verfügbare Kalenderjahr, wenn verfügbar;
  • Nachweispflichten für vor dem 04.08.2024 geschlossene LNG-Lieferverträge: Im Rahmen der obigen Informationspflichten müssen Importeure ab dem 01.01.2027 für diese Verträge nachweisen, alle zumutbaren Anstrengungen unternommen zu haben, um von ihrem Lieferanten zu verlangen, dass das in Verkehr gebrachte LNG entlang der gesamten Lieferkette gleichwertigen Überwachungs-, Berichterstattungs- und Prüfungsmaßnahmen („MRV“ für Monitoring, Reporting und Verification) wie nach der EU-Methanverordnung unterlag (Art. 28 Abs. 2). Als zumutbare Anstrengungen kommen auch Vertragsanpassungen in Betracht, mit denen Klauseln zur MRV-Gleichwertigkeit nachträglich ergänzt werden.
  • Nachweispflichten für ab dem 04.08.2024 geschlossene LNG-Lieferverträge: Bei diesen neuen oder „erneuerten“ Verträgen müssen Importeure – ebenfalls bereits ab 01.01.2027 – die Gleichwertigkeit der MRV-Maßnahmen für die gelieferten LNG-Mengen zwingend nachweisen (Art. 28 Abs. 1), was nur möglich ist, wenn Importeure ihre Lieferanten vertraglich verpflichten, entsprechende Nachweise zur Verfügung zu stellen. Für den Nachweis der Gleichwertigkeit legt Art. 28 Abs. 5 in Verbindung mit Art. 8 und 9 bestimmte Standards und Verfahren fest (z.B. den Berichtsstandard nach der OGMP 2.0 Ebene 5).
  • Berechnung der Methanintensität: Erstmalig bis 05.08.2028, und danach jährlich, müssen Erzeuger innerhalb der EU und Importeure von außerhalb der EU erzeugten LNG die Methanintensität des in Verkehr gebrachten LNG berechnen und melden (Art. 29). Bei vor dem 04.08.2024 geschlossenen Bestandsverträgen müssen wiederum alle zumutbaren Anstrengungen unternommen werden, um die Methanintensität zu ermitteln. Die Berechnungsmethodik ist durch delegierten Rechtsakt der EU-Kommission bis zum 05.08.2027 zu erlassen. Lieferanten und Importeure sind daher gehalten, Vertragsklauseln, die entsprechende Berichtspflichten des Lieferanten statuieren, mangels konkret geforderter Werte bis dahin offen zu formulieren.
  • Bis 2030 wird die EU-Kommission außerdem Höchstwerte der Methanintensität festlegen (Art. 29 Abs. 5 und 6), die in Verkehr gebrachtes LNG nicht überschreiten darf; dies ist ab 05.08.2030 wiederum von den Importeuren nachzuweisen (Art. 29 Abs. 2).

Schwierige Identifikation des Erzeugers und Unklarheiten bei der praktischen Umsetzung

Die Identifikation des LNG-Erzeugers stellt Importeure vor praktische Hürden. Die Vertragspartei des LNG-Importeurs wird nur in seltenen Fällen selbst Erzeuger des LNG sein.

Ausgerechnet beim wichtigsten LNG-Lieferanten der EU, nämlich den USA (Acer Marktanalyse 2024), aber auch bei anderen Märkten mit einer Vielzahl von Erdgasförderern, wird dieses Regelungskonzept daher auf große praktische Hürden stoßen. Die Identifikation eines LNG-Erzeugers, der MRV-Maßnahmen einzuhalten hätte, ist gerade hier schwierig. Statt des LNG-Erzeugers als Lieferant handelt oft ein Wiederverkäufer oder Aggregator, der selbst keine Kenntnis über die genaue Produktherkunft hat und auch nicht erlangen kann, weil er das LNG aus einem Pool oder einem Hub bezieht, so dass eine Zuordnung zu bestimmten Gasförderstellen kaum oder gar nicht möglich ist – und damit auch nicht die Prüfung, ob dort MRV-Maßnahmen entsprechend der EU-Methanverordnung getroffen wurden. Aus diesem Grund wird der LNG-Importeur schwerlich in allen Fällen den Produzenten benennen oder gar eine vertragliche Zusicherung sicherstellen können, dass geliefertes LNG die MRV-Gleichwertigkeit erreicht. Weil diese Gleichwertigkeit bei Neuverträgen und bei Bestandsverträgen, die erneuert werden, aber zwingend wird, müssten EU-Importeure den Import im Zweifel ganz unterlassen, um Bußgelder zu vermeiden.

Einfacher dürfte die Identifikation hingegen beim Import aus Staaten mit zentralisierter Erdgasförderung. Ob der Verordnungsgeber bedacht hat, dass damit gerade der Einkauf von LNG aus Quellen erschwert wird, die aus hochentwickelten liquiden Märkten mit einer Vielzahl nicht staatlicher Erzeuger stammen, erscheint unklar.

Die Schwierigkeiten bei der Identifikation des LNG-Erzeugers ließen sich etwa vermeiden, indem die EU-Kommission feststellt, dass im gesamten Drittland ein gleichwertiger Regelungsrahmen bezüglich MRV-Maßnahmen besteht (Art. 28 Abs. 5 lit. b, Abs. 6). Dieses Verfahren muss allerdings erst noch in einem delegierten Rechtsakt festgelegt werden. Bis erste Drittländer mit gleichwertigem Regelungsrahmen festgestellt sind, dürfte also noch einige Zeit vergehen, in der Importeure die Erzeuger des importierten LNG identifizieren müssen. Dies ist vor allem deshalb nicht praxistauglich, weil aufgrund des Fehlens entsprechender Gleichwertigkeitserklärungen durch die EU-Kommission die Unternehmen von ihren Vertragspartnern auf bilateraler Ebene vertragliche Regelungen verlangen müssen, die der Vertragspartner aufgrund der Marktgegebenheiten in manchen Hauptlieferländern, nicht erbringen kann.

Auch die Begriffe des „Importeurs“ und der „erneuerten“ Verträge bleiben unklar, so dass zu erwarten ist, dass „Guidances“ der EU-Kommision veröffentlicht werden.

Ausblick

Mit der EU-Methanverordnung tritt ein Widerspruch zwischen der erschwerten Handhabe von LNG-Importen einerseits und deren EU-weiter Förderung – etwa durch die Bewilligung von Subventionen für LNG-Terminals und Programme wie „Aggregate EU“ – andererseits zutage. Derzeit ist die Regelungssituation für LNG-Importeure nicht zufriedenstellend: Zwar steht fest, dass viele neue Pflichten auf sie zukommen werden, die notwendige Ausformung des Pflichtenprogramms steht aber in wichtigen Punkten aus. Aufgrund der bestehenden Unklarheiten, wie die Pflichten nach der EU-Methanverordnung zu erfüllen sind, könnten weniger Importverträge abgeschlossen werden. Das könnte zu einer Preiserhöhung für LNG in der EU oder auch zu Lieferengpässen führen. Die EU-Kommission sollte entweder zeitnah gleichwertige nationale Regelungsrahmen anerkennen oder die Regelungen selbst nachschärfen, um künftige LNG-Engpässe und eine Schlechterstellung des europäischen Wettbewerbsstandorts zu vermeiden. Denn die aufgeworfenen Fragen für LNG-Lieferverträge sind schon jetzt relevant: Ausweislich der ACER-Marktanalyse werden LNG-Lieferverträge in der Regel langfristig mit Laufzeiten bis zu 15 Jahren geschlossen und sollten damit auf die aus der EU-Methanverordnung erwachsenden Verpflichtungen angepasst werden. LNG-Importeure sind daher gehalten, die Konkretisierung des Pflichtenprogrammes durch die EU-Kommission im Blick zu behalten und bereits frühzeitig bei Vertragsschluss oder durch entsprechende Vertragsanpassungen mit LNG-Lieferanten zu reagieren.