Neue Finanzierungen und StaRUG
Seit dem 01.01.2021 steht als neues vorinsolvenzliches Sanierungsinstrument der Restrukturierungsplan gemäß Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen (Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz, StaRUG) (wir berichteten) zur Verfügung. In den Plan kann auch die Ausreichung neuer Finanzierungen i.S.d. § 12 StaRUG aufgenommen werden. Mit der Aufnahme in den Plan geht eine anfechtungsrechtliche Privilegierung gemäß § 90 StaRUG zu Gunsten der finanzierenden Partei einher. Der Gesetzgeber ist mit dieser Regelung hinter dem zurückgeblieben, was die Richtlinie (EU) 2019/1023 über Restrukturierung und Insolvenz und insbesondere über präventive Restrukturierungsrahmen als Privilegierung für neue Finanzierungen erlaubt. Insbesondere unterliegen Forderungen aus neuen Finanzierungen in einem späteren Insolvenzverfahren keinem gesetzlichen Vorrang gegenüber anderen (ungesicherten) Insolvenzgläubigern. Ein Vorrang kann auch nicht – anders als in der Überwachungsphase eines Insolvenzplans (§ 264 InsO) – im Restrukturierungsplan vorgesehen werden. Aus Finanzierersicht stellt sich vor diesem Hintergrund bei der Beteiligung an einer neuen Finanzierung die Frage, wie weit der Schutz des StaRUG reicht und ob zusätzliche Schutzmechanismen, die außerhalb eines StaRUG-Verfahrens bei Begleitung einer Sanierung gängiger Praxis entsprechen, erforderlich sind.
Weitgehender Schutz vor Anfechtungsrisiken
Im Plan getroffene Regelungen sowie Rechtshandlungen, die im Vollzug des Plans erfolgen, sind mit rechtskräftiger Bestätigung des Restrukturierungsplans in einem späteren Insolvenzverfahren im Grundsatz von der Insolvenzanfechtung ausgeschlossen und unterfallen auch nicht der Gläubigeranfechtung nach dem Anfechtungsgesetz außerhalb einer Insolvenz (§ 90 Abs. 1 StaRUG). Die Privilegierung unterliegt jedoch zahlreichen Einschränkungen. So werden beispielsweise Gesellschafterdarlehen nicht erfasst und die an der Qualifikation als Gesellschafterdarlehen anknüpfende Anfechtbarkeit der Besicherung ist nicht ausgeschlossen. Aus Finanzierersicht sind insbesondere folgende Aspekte von Bedeutung:
- Unter den Begriff der neuen Finanzierung dürften nur neu eingeräumte Kredite fallen, nicht hingegen Prolongationen oder Stundungen. Jedenfalls werden letztere im Gesetz gewordenen Normtext, anders als noch im Referentenentwurf vorgesehen, einer neuen Finanzierung nicht mehr gleichgestellt. Im Fall von Novationen ist ebenfalls umstritten, ob sie eine neue Finanzierung darstellen. Noch nicht abschließend geklärt ist auch, inwiefern Prolongationen, Stundungen, Novationen o.ä. (und insbesondere die Besicherung der auf diese Weise restrukturierten Forderungen) unter Umständen dennoch vom Anfechtungsschutz nach § 90 Abs. 1 StaRUG profitieren, wenn und weil es sich um Planregelungen oder um Rechtshandlungen im Vollzug des Plans handelt.
- Eine spätere Rückzahlung der neuen Finanzierung ist nicht von der Anfechtbarkeit ausgenommen – zumindest ausgehend von der Gesetzesbegründung. Dies schränkt den Schutz erheblich ein, der infolgedessen im Wesentlichen in der Unanfechtbarkeit (i) der Besicherung sowie (ii) der Rückzahlung in Ablösung von insolvenzfest bestellten Sicherheiten liegt.
- Damit sind vor allem im Plan geregelte Sicherheitenbestellungen (mittels Personal- und Sachsicherheiten) zur Absicherung von neuen Finanzierungen grundsätzlich nicht anfechtbar. Darunter fallen jedenfalls die vom zu restrukturierenden Unternehmen selbst bereitgestellten Sicherheiten. Ob dies auch für konzerninterne Drittsicherheiten in deren künftiger Insolvenz gilt, ist fraglich.
- Die anfechtungsrechtliche Privilegierung entfällt,
- wenn die Planbestätigung auf Grundlage von unrichtigen oder unvollständigen Angaben des Schuldners erfolgte und dem Gläubiger dies bekannt war (§ 90 Abs. 1 StaRUG);
- sobald eine nachhaltige Restrukturierung erreicht wurde (§ 90 Abs. 1 StaRUG), wobei noch ungeklärt ist, wann dieses Stadium erreicht ist; in Anlehnung an § 33 Abs. 2 Satz 3 StaRUG, der die Frage der Zulässigkeit wiederholter StaRUG-Verfahren betrifft, könnte anzunehmen sein, dass typischerweise nach drei Jahren von einer nachhaltigen Krisenbewältigung auszugehen ist;
- bei einer Übertragung des gesamten Vermögens des Schuldners oder wesentlicher Teile davon, es sei denn, die nicht planbetroffenen Gläubiger können sich gegenüber den Planbetroffenen vorrangig aus der angemessenen Gegenleistung für die Übertragung befriedigen (§ 90 Abs. 2 StaRUG).
- wenn die Planbestätigung auf Grundlage von unrichtigen oder unvollständigen Angaben des Schuldners erfolgte und dem Gläubiger dies bekannt war (§ 90 Abs. 1 StaRUG);
Kein umfassender Schutz vor Haftungsrisiken
Die im StaRUG enthaltenen Regelungen zum Schutz der Finanzierer vor Haftungsrisiken wegen der Beteiligung an einer Insolvenzverschleppung sind anders als im COVInsAG nicht umfassend. Ein Beitrag zur Insolvenzverschleppung kann nicht allein auf die Kenntnis der Rechtshängigkeit oder der Inanspruchnahme von Instrumenten des StaRUG gestützt werden (§ 89 Abs. 1 StaRUG). Das schließt aber nicht aus, dass der Sittenwidrigkeitsvorwurf an andere Umstände geknüpft werden könnte. Es kann daher im Einzelfall für die Finanzierer ratsam sein, sich über die Bestätigung der Sanierungsfähigkeit abzusichern.
Zusätzliche Anforderungen an den Restrukturierungsplan
Sieht der Restrukturierungsplan eine neue Finanzierung vor, sind bei der Planerstellung und Planbestätigung zusätzliche Anforderungen zu beachten. So muss im darstellenden Teil des Plans erläutert und begründet werden, warum die neue Finanzierung zur Finanzierung der Restrukturierung auf der Grundlage des Plans „erforderlich“ ist. § 63 Abs. 2 StaRUG erweitert sodann den Prüfungsumfang des Restrukturierungsgerichts. Sieht der Plan eine neue Finanzierung vor, hat das Restrukturierungsgericht für die Planbestätigung zusätzlich eine Schlüssigkeitsprüfung des dem Plan zugrunde liegenden Restrukturierungskonzepts vorzunehmen. Auch wenn Umstände bekannt sind, aus denen sich ergibt, dass das Konzept nicht von den tatsächlichen Gegebenheiten ausgeht oder keine begründete Aussicht auf Erfolg hat, ist die Planbestätigung zu versagen. Für die Prüfung kann das Restrukturierungsgericht nach § 73 Abs. 3 Nr. 1 StaRUG einen Restrukturierungsbeauftragten als Sachverständigen bestellen. Dies kann eine Verzögerung der Planbestätigung zur Folge haben und führt zudem zu größerer Rechtsunsicherheit hinsichtlich der Entscheidung des Gerichts über die Planbestätigung.
Zwischenfinanzierung
Von neuen Finanzierungen, die für den Fall der Planbestätigung zugesagt werden, zu unterscheiden sind Zwischenfinanzierungen. Darunter sind Finanzierungen zu verstehen, die bereits während des laufenden StaRUG-Verfahrens eingeräumt werden, um den Zeitraum bis zur Planbestätigung und zum Planvollzug zu überbrücken. Gesetzeswortlaut und -begründung legen nahe, dass Zwischenfinanzierungen keinen zulässigen Regelungsgegenstand des Restrukturierungsplans darstellen. Ob dies in dieser Allgemeinheit zutrifft, ist derzeit noch nicht abschließend geklärt. Auch wenn es sich hierbei nicht um eine neue Finanzierung handelt, unterliegen Zwischenfinanzierungen zumindest dem (eingeschränkten) anfechtungs- und haftungsrechtlichen Schutz gemäß § 89 StaRUG, wenn die Restrukturierungssache bereits rechtshängig ist. Bei Zwischenfinanzierungen wird im Einzelfall zu prüfen sein, ob zur Absicherung der Finanzierer weitere Schutzmaßnahmen (wie z.B. die Ausgestaltung als Brückenfinanzierung) geboten sind.
Fazit
Das StaRUG hat für Finanzierer durchaus Anreize geschaffen, im Rahmen eines Restrukturierungsplans eine neue Finanzierung zuzusagen. Dies gilt jedenfalls für die Zusage neuer Kredite, die abhängig von der Planbestätigung sind und vom zu restrukturierenden Unternehmen besichert werden. Zumindest zu Gunsten von Besicherungen greift ein weitreichender Anfechtungsschutz. Jenseits von dieser Grundaussage ist vieles noch ungeklärt. In der Praxis wird dies voraussichtlich dazu führen, dass bis zum Vorliegen obergerichtlicher Rechtsprechung vor der Zusage neuer Finanzierungen oder Zwischenfinanzierungen in jedem Einzelfall die Frage zu beantworten sein wird, ob ungeachtet der Regelungen des StaRUG die sanierungstypischen Schutzmaßnahmen zu Gunsten der Finanzierer zu ergreifen sind. Es bleibt auch im Zusammenhang mit einem StaRUG-Verfahren dabei, dass Brücken- bzw. Sanierungsfinanzierungen auf Basis eines in Auftrag gegebenen bzw. vorliegenden Sanierungsgutachtens nach den Anforderungen der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in Betracht kommen und jedenfalls den sichersten Weg darstellen.