Masterplan Geothermie NRW vorgestellt – Vergabe- und subventionsrechtliche Rahmenbedingungen der klimaneutralen Wärmeversorgung der Zukunft
(Teil 2 der Beitragsreihe Geothermie)
Mit dem von der nordrhein-westfälischen Wirtschafts- und Klimaschutzministerin Mona Neubauer am 8. April 2024 vorgestellten Masterplan Geothermie Nordrhein-Westfalen hat das Thema „Klimaneutrale Wärmeversorgung“ neuen Schwung erhalten. Jedenfalls in Nordrhein-Westfalen herrscht nun Klarheit über die ehrgeizigen Ziele der Landesregierung beim Ausbau der Geothermie; andere Bundesländer dürften folgen. Damit ist eine deutlich anziehende Dynamik rund um die Nutzung von Erdwärme zu erwarten, die die beteiligten Akteure vor Herausforderungen stellt, aber auch erhebliche Gewinne für den Klimaschutz sowie Chancen für Wirtschaft und Kommunen verspricht.
Nachdem im ersten Teil dieser Beitragsreihe die genehmigungsrechtlichen Voraussetzungen skizziert wurden, sollen im zweiten Teil die vergaberechtlichen Vorschriften, die von Gemeinden und öffentlichen Unternehmen bei der Beauftragung von Leistungen zu beachten sind (Ziffer I.), sowie die verschiedenen Förderprogramme für Geothermie auf Bundes- und Landesebene dargestellt werden (Ziffer II.).
I. Anwendbarkeit des Vergaberechts bei Beauftragung von Leistungen durch Gemeinden und öffentliche Unternehmen
Im Rahmen der kommunalen Wärmeplanung, die gemäß § 4 des Wärmeplanungsgesetzes bis zum 30. Juni 2026 (bei Gemeindegebieten mit bis zu 100.000 Einwohner:innen bis zum 30. Juni 2028) verpflichtend aufgestellt werden muss, kann es für Gemeinden interessant sein, den Bau von Geothermie-Anlagen selbst in die Hand zu nehmen, etwa durch ihre Stadtwerke. Die Zulässigkeit energiewirtschaftlicher Betätigung der Gemeinden umfasst auch die Wärmeversorgung (vgl. etwa § 107a Abs. 1 der nordrhein-westfälischen Gemeindeordnung). Soweit die Gemeinde selbst oder von ihr beherrschte öffentliche Unternehmen Leistungen von Unternehmen beschaffen möchte, müssen vergaberechtliche Vorschriften beachtet werden. Angesichts des erheblichen Umfangs neuer Tiefengeothermie-Projekte dürften regelmäßig die Schwellenwerte überschritten sein (bei Bauaufträgen aktuell EUR 5,538 Mio.), die zur Anwendbarkeit der §§ 97 ff. des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen („GWB“) führen und eine EU-weite Ausschreibung erforderlich machen.
Bei der Wahl des Verfahrensart ist zu beachten, dass Sektorenauftraggeber, wozu insbesondere Stadtwerke zählen, in ihrer Wahlfreiheit gemäß § 141 GWB grundsätzlich auf das offene Verfahren, das nicht offene Verfahren, das Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb und den wettbewerblichen Dialog beschränkt sind. Eine sorgfältige Planung und Durchführung der Ausschreibung ist essenziell, um den Ausbau einer CO2-neutralen Wärmeversorgung zügig und rechtssicher voranzutreiben. Aus Unternehmersicht ist spiegelbildlich eine entsprechende Vorbereitung der Bewerbung sowie ein Fahrplan zur Beantragung der in Teil 1 unserer Beitragsreihe dargestellten erforderlichen Genehmigungen angezeigt.
Ein vergaberechtlicher Sonderfall besteht bei der sog. interkommunalen Zusammenarbeit. Schließen zwei oder mehr öffentliche Auftraggeber einen Vertrag, der eine Zusammenarbeit zur Ausführung der von ihnen zu erbringenden öffentlichen Dienstleistungen im Hinblick auf die Erreichung gemeinsamer Ziele begründet oder erfüllt, wird diese Zusammenarbeit ausschließlich durch Überlegungen im Zusammenhang mit dem öffentlichen Interesse bestimmt und erbringen die öffentlichen Auftraggeber auf dem Markt weniger als 20 % dieser Tätigkeiten, findet das Vergaberecht auf diesen Kooperationsvertrag gemäß § 108 Abs. 6 GWB keine Anwendung. Kommunen könnten sich auf diese Weise für die Umsetzung großer Geothermie-Projekte in Joint Ventures zusammentun und dabei Kosten senken. Dies ist auch mit Blick auf bestimmte Landesförderprogramme interessant (siehe dazu unter Ziffer II. 2.).
II. Förderprogramme für Geothermie
Der finanzielle Aufwand gerade bei Tiefengeothermie-Projekten ist groß. Um den politisch gewollten Ausbau der Geothermie in Deutschland voranzutreiben, wurden in der jüngeren Vergangenheit verschiedene Förderprogramme aufgelegt. Zu der Förderung auf Bundesebene (hierzu unter Ziffer 1) gesellen sich nach und nach Programme auf Landesebene (hierzu unter Ziffer 2), die dem Ausbau den nötigen Schwung verleihen und Projekte sowohl für Kommunen als auch für Unternehmen attraktiver machen sollen.
1. Bundesebene
Herzstück der Förderung für Geothermie auf Bundesebene ist die Bundesförderung für effiziente Wärmenetze („BEW“). Die BEW soll Anreize für Wärmenetzbetreiber schaffen, in den Neubau von Wärmenetzen mit hohen Anteilen an erneuerbaren Energien zu investieren und bestehende Netze zu dekarbonisieren. Möglich ist eine Investitionskostenförderung in Höhe von maximal 40 % der Investitionen in Erzeugungsanlagen und Infrastruktur. Darunter fallen u.a. Anlagen zur Wärmebereitstellung aus erneuerbaren Energien wie die tiefe Geothermie und Infrastrukturmaßnahmen zur Wärmeverteilung. Neben Unternehmen sind auch Kommunen sowie ihre Eigenbetriebe und Unternehmen, kommunale Zweckverbände, eingetragene Vereine und eingetragene Genossenschaften antragsberechtigt. Die BEW zielt auf eine systemische Gesamtförderung zur Dekarbonisierung der Wärmeversorgung und besteht aus vier zeitlich aufeinander aufbauenden Modulen:
- In Modul 1 sind Transformationspläne und Machbarkeitsstudien förderfähig, die auf die Realisierung treibhausgasneutraler Wärmenetze ausgerichtet sind.
- Modul 2 enthält eine systemische Förderung für den Neubau von Wärmenetzen, die zu mindestens 75 % mit erneuerbaren Energien und Abwärme gespeist werden, sowie für die Transformation von Bestandsinfrastrukturen zu treibhausgasneutralen Wärmenetzen.
- In Modul 3 können bei Bestandswärmenetzen gewisse Einzelmaßnahmen gefördert werden, soweit diese der Dekarbonisierung dienen.
- In Modul 4 können bestimmte Betriebskosten in neuen wie in zu transformierenden Wärmenetzen gefördert werden.
Nach der durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 15. November 2023 zum Klima- und Transformationsfonds entstandenen Unsicherheit ist die Antragstellung und Bewilligung von Fördermitteln unter der BEW seit dem 22. Januar 2024 wieder möglich, wobei die Fördermittel unter dem Vorbehalt verfügbarer Haushaltsmittel stehen. Die Antragstellung im Rahmen der BEW erfolgt über das elektronische Antragsportal des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA).
2. Landesebene
Auch auf Landesebene stehen Fördermöglichkeiten für Geothermie-Projekte bereit, in Nordrhein-Westfalen etwa in Form des Programms „progres.nrw“. Nach diesem Förderprogramm werden unter anderem Bohrungen für mitteltiefe Erdwärmesonden bis maximal 1.500 Meter Teufe gefördert. Auch Vorstudien zur Erhebung der aktuellen Situation, Machbarkeitsstudien, seismische Untersuchungen und Weiterbildungen zur Fachkraft für Bohrungen für geothermische Zwecke sowie die Teilnahme an Fortbildungslehrgängen werden gefördert. Anträge können bei der Bezirksregierung Arnsberg gestellt werden.
Mit dem jüngst vorgelegten Masterplan Geothermie NRW begegnet das Land dem bislang größten Hemmnis für den umfassenden Aufbau von Tiefengeothermie: dem sog. Fündigkeitsrisiko. Erweisen sich die geologischen Gegebenheiten nach der Bohrung als ungeeignet, etwa weil die Wassertemperatur niedriger ist als erwartet oder das Thermalwasser nicht die erforderliche chemische Zusammensetzung besitzt, sind die mit Probebohrungen verbundenen hohen Investitionen ganz oder teilweise verloren. Dies dürfte in der Vergangenheit viele (kommunale) Unternehmen von entsprechenden Investitionen abgehalten haben. Die Landesregierung möchte dem von ihr diagnostizierten Marktversagen entgegentreten, indem das Fündigkeitsrisiko in Form eines bedingt rückzahlbaren Zuschusses abgesichert wird. Abhängig von der nach Fertigstellung der Bohrung gemessenen tatsächlichen Wärmeleistung muss dieser ganz, teilweise oder gar nicht zurückgezahlt werden. Im Einzelnen gliedert sich die Förderung wie folgt:
- Sind mindestens 85 % der geplanten Wärmeleistung tatsächlich vorhanden (vollständige Fündigkeit), ist der Zuschuss vollumfänglich zurückzuzahlen.
- Liegt die tatsächliche Wärmeleistung zwischen 60 und 85 % der erwarteten Wärmeleistung (Teilfündigkeit), erfolgt eine Teilrückzahlung der Förderung entsprechend der prozentualen Teilfündigkeit.
- Beträgt die tatsächliche Wärmeleistung 60 % oder weniger (Nichtfündigkeit), tritt der Absicherungsfall ein und der gewährte Zuschuss ist nicht zurückzuzahlen.
Förderfähig sind bis zu 45 % der Kosten, wobei der Höchstförderbetrag bei EUR 10 Mio. liegt.
Auch die oben genannte Förderung von Vorstudien und Machbarkeitsstudien sowie von seismischen Messungen im Rahmen des Landesförderprogramms „progres.nrw“ wird mit dem Masterplan Geothermie NRW wie folgt verstetigt:
- Vorstudien können mit bis zu 60 % gefördert werden, bei durch Kommunen durchgeführten Studien sogar bis zu 90 %, maximal jedoch mit EUR 25.000,00. Bei interkommunalen Vorstudien liegt der Höchstbetrag bei EUR 35.000,00.
- Machbarkeitsstudien erhalten bis zu 60 % Förderung; der Höchstbetrag liegt bei EUR 65.000,00, bei interkommunalen Machbarkeitsstudien sind es EUR 100.000,00.
- Auch seismische Messungen werden gefördert und zwar zu maximal 50 %:
- 2D-Seismik wird mit bis zu EUR 1 Mio. gefördert, interkommunal sind Förderungen bis zu EUR 1,5 Mio. möglich.
- 3D-Seismik wird mit bis zu EUR 5,5 Mio. gefördert, interkommunale Messungen können bis zu EUR 7,5 Mio. erhalten.
Schließlich fördert die Landesregierung den Hochlauf der Geothermie durch das Explorations- und Bohrprogramm NRW, das der Geologische Dienst NRW im Auftrag des Ministeriums für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie durchführen soll. Hierdurch sollen Daten über den geologischen Untergrund gesammelt werden, die sodann diskriminierungsfrei zur Verfügung gestellt werden und Unternehmen als Grundlage ihrer weiteren Tätigkeit dienen können.
III. Fazit
Durch die energiepolitischen Veränderungen ist in der jüngeren Zeit viel Bewegung in den Energiemarkt gekommen. Der konsequente Auf- und Ausbau klimaneutraler Wärmenetze wird nicht zuletzt auch aus geopolitischen Erwägungen forciert. Gemeinden wie Unternehmen haben daher ein großes Interesse, den Ausbau von Geothermie rasch und entschlossen anzugehen. Dabei empfiehlt sich eine rechtliche Begleitung, um den Prozess von der Planung bis zum Betrieb möglichst reibungslos und kostenschonend zu gestalten und dabei in Betracht kommende Förderprogramme bestmöglich zu nutzen.