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LG München I: Höhere FRAND-Sicherheitsleistungen

17.05.2022

I. Hintergrund

Bis vor Kurzem stellte das Landgericht München I auf seiner Website öffentlich allgemeine Verfahrenshinweise für Patentstreitsachen zur Verfügung, die das sogenannte Münchener Verfahren in Patentstreitsachen beschrieben. Inzwischen sind die aktuellen Hinweise nicht mehr auf der Website erhältlich, können aber bei den Geschäftsstellen der Patentstreitkammern angefragt werden.

Die zuletzt auf der Website veröffentlichten Hinweise betrafen insbesondere die Handhabung des kartellrechtlichen Zwangslizenzeinwands in Patentstreitverfahren zu standardessentiellen Patenten auf der Grundlage der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs. Auf der letzten Stufe des FRAND-Verhandlungsprogramms gemäß der Entscheidung Huawei v. ZTE des Europäischen Gerichtshofs (C-170/13) hat der Patentbenutzer, dessen Lizenzvertrags-Gegenangebot abgelehnt wurde, Sicherheit zu leisten. Die Höhe der zu leistenden Sicherheit kann erheblich und ihre Erbringung in der Praxis eine Herausforderung für den Patentbenutzer sein.

Nach den Hinweisen des Landgerichts München I mit Stand von Februar 2020 sollte sich die Höhe der Sicherheitsleistung bei einem globalen Gegenangebot an den Umsätzen mit den betroffenen Produkten orientieren. Die relevanten Umsätze konnten jedoch auf den bundesweiten Markt beschränkt werden (vgl. Ziffer IV.1.c der Hinweise zur Handhabung des kartellrechtlichen Zwangslizenzeinwandes nach Huawei/ZTE innerhalb des Münchner Verfahrens in Patentstreitsachen; Stand Februar 2020). Von dieser Beschränkung auf den deutschen Markt haben die Patentstreitkammern des Landgerichts München I regelmäßig Gebrauch gemacht, was die Erfüllung der letzten Stufe des FRAND-Verhandlungsprogramms für den Patentbenutzer verhältnismäßig kostengünstig gestaltete.

II. Aktueller Stand

Die Hinweise des Landgerichts München I mit Stand von Februar 2020 wurden am 04.04.2022 von der Website des Landgerichts München I entfernt und durch neue Hinweise mit Stand von März 2022 ersetzt, die bei den Geschäftsstellen der Patentstreitkammern angefragt werden können. Das kann als Reaktion auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs verstanden werden, mit der die Rahmenbedingungen aus Huawei v. ZTE konkretisiert worden sind (vgl. BGH, Urteil vom 05.05.2020 – KZR 36/17 – FRAND-Einwand I; BGH, Urteil vom 24.11.2020 – KZR 35/17 – FRAND-Einwand II). Die neuen Hinweise des Landgerichts München I verhalten sich nicht mehr zu dem kartellrechtlichen Zwangslizenzeinwand. Insbesondere ist der Hinweis zu der Berechnung der Sicherheitsleistung entfallen.

Die Spruchpraxis der siebten Kammer des Landgerichts München I hat sich bereits von der noch in der Hinweisfassung vom Februar 2020 beschriebenen Berechnung der Sicherheitsleistung abgewendet und angedeutet, dass sie die Höhe der Sicherheitsleistung in Zukunft global berechnen werde. Patentbenutzer dürfen deshalb jedenfalls vor der siebten Kammer des Landgerichts München I nicht mehr damit rechnen, ihre Pflicht zur Sicherheitsleistung durch eine anhand der Umsatzzahlen für den deutschen Markt berechnete Sicherheit zu erfüllen.

Im Ergebnis bedeutet das, dass in München die Geltendmachung des kartellrechtlichen Zwangslizenzeinwands deutlich teurer geworden ist. Vor der siebten Kammer des Landgerichts München I ist dies bereits gewiss; bei der 21. und 44. Kammer ist eine gleichlaufende Handhabe wahrscheinlich.

III. Fazit

Es ist davon auszugehen, dass in SEP-Patentstreitsachen vor dem Landgericht München I bei der Berechnung der Sicherheitsleistung des Patentbenutzers auf der letzten Stufe des FRAND-Verhandlungsprogramms die Begrenzung der Berechnung auf den bundesweiten Markt entfällt und an diese Stelle der globale Markt tritt. Dies bedeutet erheblichen finanziellen Mehraufwand für Patentbenutzer bei der Geltendmachung des kartellrechtlichen Zwangslizenzeinwands. Durch das Bemessen anhand des globalen anstatt des bundesweiten Marktes wird sich die Höhe der Sicherheitsleistung häufig vervielfachen.