Kündigung der GbR: Option zur Rechtslage vor dem MoPeG bis zum 31.12.2024 möglich
Mit dem am 01.01.2024 in Kraft getretenen Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts („MoPeG“) wurde das Recht der Gesellschaft bürgerlichen Rechts („GbR“, §§ 705 ff. BGB) grundlegend neu gefasst. Während nach der Rechtslage vor dem MoPeG die Kündigung eines Gesellschafters regelmäßig zur Auflösung der GbR führte, wird die GbR nach dem gesetzlichen Regelfall nunmehr bei einer Kündigung der Mitgliedschaft durch einen Gesellschafter unter den verbleibenden Gesellschaftern fortgesetzt.
Diese Abkehr vom Grundsatz der Auflösung der GbR hin zu einem Ausscheiden des Gesellschafters und einer Fortsetzung der GbR bedingt eine grundlegende Änderung des bekannten Auflösungsregimes der GbR. Für die Änderung wurde in Art. 229 § 61 EGBGB eine Übergangsregelung vorgesehen, nach der ein einzelner Gesellschafter der GbR die Rückkehr zum Grundsatz der Auflösung der GbR gegenüber seinen Mitgesellschaftern verlangen kann. Das Verlangen muss bis zum 31.12.2024 erfolgen, anderenfalls gilt die neue Rechtslage nach dem MoPeG im Grundsatz für alle GbR.
Für welche GbR diese Option in Betracht kommt und welche Voraussetzungen dem Optionsrecht zugrunde liegen, wird im Folgenden überblicksartig dargestellt.
I. Grundlegende Änderung des GbR-Auflösungsregimes
Nach der Rechtslage vor Inkrafttreten des MoPeG war die gesetzlich vorgesehene Rechtsfolge einer Kündigung der GbR durch einen der Gesellschafter die Auflösung der GbR. Von diesem gesetzlichen Regelfall konnte nur dann abgewichen werden, wenn der Gesellschaftsvertrag der GbR ausdrücklich eine Fortsetzung der GbR im Falle einer Kündigung durch einen Gesellschafter vorsah (sog. Fortsetzungsklausel).
Die Neuregelung im Recht der GbR sieht nun zum einen die Kündigung der Mitgliedschaft durch einen Gesellschafter (§ 725 BGB) und zum anderen die Kündigung der Gesellschaft als solcher (§ 731 BGB) vor. Die Besonderheit der Kündigung der Mitgliedschaft durch einen Gesellschafter besteht im Unterschied zur Rechtslage vor dem MoPeG darin, dass die Kündigung der Mitgliedschaft lediglich zum Ausscheiden des Gesellschafters führt (§ 723 Abs. 1 Nr. 2 BGB), die GbR jedoch im Übrigen mit den verbleibenden Gesellschaftern fortgesetzt wird. Sollte der Gesellschafter dagegen nicht nur sein Ausscheiden beabsichtigen, sondern eine Auflösung der GbR intendieren, so kann er bei Vorliegen eines wichtigen Grundes die GbR vollständig kündigen (§ 731 Abs. 1 BGB); dieses Recht kann auch nicht im Gesellschaftsvertrag abbedungen werden (§ 731 Abs. 2 BGB).
II. Erforderlichkeit einer Übergangsregelung
Die Abkehr vom Auflösungs- hin zum Ausscheidensgrundsatz stellt für bestehende GbR zumeist eine wesentliche Änderung der gesellschaftsvertraglichen Verhältnisse dar; daher ist die vom Gesetzgeber vorgesehene Übergangsregelung zweckmäßig und auch erforderlich. Die in Art. 229 § 61 EGBGB vorgesehene Übergangsregelung beruht auf der Überlegung, dass Gesellschafter unter Umständen bewusst von abweichenden gesellschaftsvertraglichen Vereinbarungen im Vertrauen auf den gesetzlichen Regelfall der Auflösung der GbR (§§ 723 ff. BGB a.F.) beziehungsweise auf die damit zusammenhängenden Rechtsfolgen abgesehen haben. Wesentlicher Gedanke hinter der Übergangsregelung ist, dass die neue gesetzliche Regelung (Ausscheiden des Gesellschafters anstelle der Auflösung der GbR) im Grundsatz nur durch eine Änderung des Gesellschaftsvertrags herbeigeführt werden könnte, die im gesetzlichen Regelfall der Einstimmigkeit und somit auch der Zustimmung des betroffenen Gesellschafters bedürfte.
1. Rechtsfolge und Anwendbarkeit der Option
Die Übergangsregelung in Art. 229 § 61 EGBGB sieht für jeden Gesellschafter einer GbR das Recht vor, gegenüber der GbR und somit auch gegenüber den Mitgesellschaftern die Rückkehr zum Grundsatz der Auflösung der GbR im Falle der Kündigung eines Gesellschafters zu verlangen.
Inwiefern ein Gesellschafter von der Übergangsregelung Gebrauch machen kann und ob sich das Optionsrecht auf die GbR auswirkt, hängt von den bisherigen Regelungen im Gesellschaftsvertrag ab. Die Übergangsregelung kann im Grundsatz nur bei solchen GbR Anwendung finden, die vor dem 01.01.2024 bestanden haben; nur dann besteht auch ein schutzwürdiges Vertrauen der Gesellschafter auf die vor dem MoPeG geltende Rechtslage.
Sollte der Gesellschaftsvertrag (zum Stichtag 31.12.2024) bereits eine ausdrückliche Regelung enthalten, die der Rechtslage vor dem MoPeG entspricht, beispielsweise durch die explizite Regelung der Auflösungsfolge oder durch einen statischen Verweis auf die §§ 723-728 BGB a.F., gilt die Auflösungsfolge. Es bedarf keines Rückgriffs auf die Übergangsregelung.
Enthält der Gesellschaftsvertrag eine explizite Fortsetzungsklausel, nach der die Kündigung eines Gesellschafters zu dessen Ausscheiden und nicht zur Auflösung der GbR führt, oder eine dynamische Verweisung auf das aktuell geltende GbR-Recht, fehlt es an einem schutzwürdigen Vertrauen des Gesellschafters an der Geltung der alten Rechtslage und ein Rückgriff auf die Übergangsregelung kommt nicht in Betracht.
Für GbR, die nach dem 01.01.2024 und somit bereits auf Basis der Rechtslage des MoPeG gegründet wurden, gilt zwingend die Ausscheidensfolge. Im Falle der Kündigung eines Gesellschafters wird somit die GbR unter den verbleibenden Gesellschaftern fortgesetzt. Daneben kann nach neuer Rechtslage jeder Gesellschafter bei Vorliegen eines wichtigen Grundes auch die GbR als solche kündigen, § 731 Abs. 1 BGB. Diese zweite Art der Kündigung verbleibt dem einzelnen Gesellschafter als einzige Möglichkeit, die Auflösung der GbR zu erreichen, die nach alter Rechtslage im Falle eine Kündigung der Standardfall war. Allerdings ist nunmehr ein wichtiger Grund erforderlich, um die Auflösung herbeizuführen, was vor dem MoPeG gerade nicht notwendig gewesen ist. Die Kündigung der GbR aus wichtigem Grund ist gemäß § 731 Abs. 2 BGB auch nicht abdingbar; eine gesellschaftsvertragliche Regelung, wonach die GbR im Falle der Kündigung der GbR als solcher aus wichtigem Grund entgegen § 731 Abs. 2 BGB fortgesetzt und nicht aufgelöst wird, ist nicht möglich.
Vor diesem Hintergrund haben mit dem MoPeG die früher häufig verwendeten Fortsetzungsklauseln in Gesellschaftsverträgen einer GbR ihre praktische Bedeutung verloren. Zum einen führt die Kündigung der Mitgliedschaft eines Gesellschafters nunmehr schon nicht mehr zur Auflösung, sondern zur Fortsetzung der Gesellschaft (dies war der praktische Anwendungsfall der Fortsetzungsklausel). Zum anderen wäre eine Fortsetzungsklausel bei einer Kündigung aufgrund Vorliegens eines wichtigen Grundes gemäß § 731 Abs. 2 BGB unbeachtlich, da die Rechtsfolge der Auflösung insoweit unabdingbar ist. Möglich ist jedoch die Aufnahme einer Auslegungsregelung, wonach die Kündigung eines Gesellschafters im Zweifel nicht zur Auflösung der GbR, sondern nur zu seinem Ausscheiden führen soll.
Maßgeblicher Anwendungsfall der Übergangsregelung ist mithin eine vor dem 01.01.2024 gegründete GbR, deren Gesellschaftsvertrag stillschweigend von der damals noch bestehenden gesetzlichen Rechtsfolge der Auflösung der GbR im Falle der Kündigung eines Gesellschafters ausgeht.
2. Voraussetzungen für die Ausübung der Option
Wie vorstehend erwähnt ist maßgeblich, dass die Ausübung des Optionsrechts vor dem 31.12.2024 durch einen Gesellschafter gegenüber der Gesellschaft erfolgt. Das Verlangen ist durch den Gesellschafter schriftlich gegenüber der Gesellschaft zu erklären; dabei genügt die Erklärung gegenüber einem vertretungsberechtigten Gesellschafter, § 720 Abs. 5 BGB. Die schriftliche Erklärung muss den Anforderungen des § 126 BGB genügen. Der einzelne Gesellschafter kann die Weitergeltung des alten Rechts jedoch nur verlangen, sofern über die Rechtsfolge der Kündigung keine anderweitige gesellschaftsvertragliche Vereinbarung getroffen wurde. Maßgeblich ist zudem, dass zum Zeitpunkt der Erklärung kein zur Auflösung der Gesellschaft oder zum Ausscheiden eines Gesellschafters führender Grund vorliegt. Dies schafft die notwendige Rechtssicherheit und soll die anderen Gesellschafter davor schützen, dass der ausübende Gesellschafter einem bereits eingetretenen Ausscheidenstatbestand nachträglich eine Auflösungsfolge gibt.
Das Verlangen des Gesellschafters kann durch einen Gesellschafterbeschluss zurückgewiesen werden. Weicht der Gesellschaftsvertrag der GbR vom gesetzlichen Regelfall der einstimmigen Beschlussfassung (§ 714 BGB) ab und sieht insoweit vor, dass gesellschaftsvertragsändernde Beschlüsse mit einfacher oder qualifizierter Mehrheit gefasst werden können, muss sich der betroffene Gesellschafter daran festhalten lassen, dass er mit seinem Begehren überstimmt werden kann. Erfolgt keine Zurückweisung des Verlangens, so gilt für die GbR insoweit die alte Rechtslage vor dem MoPeG und die Kündigung eines Gesellschafters führt zur Auflösung der GbR.
III. Fazit
Nach altem Recht gegründete GbR sind angesichts der zum Ende des Jahres 2024 auslaufenden Übergangsfrist angehalten, ihre Gesellschaftsverträge in Hinblick auf die Rechtsfolgen der Kündigung durch einen Gesellschafter zu prüfen. Wurde bisher stillschweigend davon ausgegangen, dass die Gesellschaft im Falle der Kündigung durch einen Gesellschafter aufgelöst wird, besteht Handlungsbedarf.
Wenn Sie Fragen zur Auslegung Ihres Gesellschaftsvertrags haben oder eine vertiefte Beratung zum Optionsrecht wünschen, sprechen Sie uns gerne an. Wir stehen Ihnen gern beratend zur Seite.