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Gleich lauten­de Länder­erlasse zur Konzern­klausel nach § 6a GrEStG vom 25.05.2023

11.07.2023

Gleich lautende Ländererlasse zur Konzernklausel nach § 6a GrEStG vom 25.05.2023

Aufgrund der jüngsten Rechtsprechung des BFH zu § 6a Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG) sah sich die Finanzverwaltung gezwungen, ihre bisherige Auffassung im Rahmen der zu § 6a GrEStG ergangenen gleich lautenden Ländererlasse aufzugeben. Mit Datum vom 06.06.2023 haben die obersten Finanzbehörden daher geänderte Ländererlasse zur Anwendung der grunderwerbsteuerlichen Konzernklausel nach § 6a GrEStG veröffentlicht.

Konzernklausel nach § 6a GrEStG und bisherige Rechtslage

Hintergrund des § 6a GrEStG

Gegenstand der sog. Konzernklausel nach § 6a GrEStG ist die grunderwerbsteuerliche Begünstigung von Umstrukturierungen im Konzern. Die Regelung umfasst insbesondere Verschmelzungen, Spaltungen und Ausgliederungen nach dem Umwandungsgesetz. Außerdem sind gesellschaftsrechtliche Vorgänge wie Einbringungen und Sachgründungen erfasst, wobei für die Begünstigung zum einen vorausgesetzt wird, dass an einem Vorgang ausschließlich ein herrschendes Unternehmen und ein oder mehrere von diesem herrschenden Unternehmen abhängige Gesellschaften oder mehrere abhängige Gesellschaften beteiligt sind (§ 6a Satz 3 GrEStG), und zum anderen, dass die in § 6a Satz 4 GrEStG genannten fünfjährigen Vor- und Nachbehaltensfristen eingehalten werden. Abzustellen ist für die Berechnung der Fünfjahresfristen auf den Zeitpunkt der Verwirklichung des grunderwerbsteuerlichen Erwerbsvorgangs.

Die Vorbehaltensfrist ist erfüllt, wenn eine unmittelbare und/oder mittelbare Beteiligung des herrschenden Unternehmens in Höhe von 95 % am Kapital oder Gesellschaftsvermögen der am Rechtsvorgang beteiligten Gesellschaft bzw. an den am Rechtsvorgang beteiligten Gesellschaften bereits fünf Jahre vor dem Rechtsvorgang ununterbrochen bestand. Die Einhaltung der Nachbehaltensfrist setzt grundsätzlich voraus, dass die Mindestbeteiligungshöhe des herrschenden Unternehmens in Höhe von 95 % am Kapital oder Gesellschaftsvermögen der am Rechtsvorgang beteiligten abhängigen Gesellschaft bzw. an den am Rechtsvorgang beteiligten abhängigen Gesellschaften nach der Verwirklichung des Erwerbsvorgangs noch mindestens fünf Jahre fortbesteht.

Bisherige Ländererlasse und Rechtsprechung

Bereits in der Vergangenheit wurden die Ländererlasse als Folge von mehreren BFH-Urteilen mehrfach überarbeitet und die Finanzverwaltung hat, vor allem die aus Sicht des Steuerpflichtigen günstige BFH-Rechtsprechung in Bezug auf die o.g. Vorbehaltensfrist bzw. Nachbehaltensfrist sowie die Voraussetzungen des herrschenden Unternehmens anerkannt.

So wurde in die bisherigen Ländererlasse vom 22.09.2020 insbesondere aufgenommen, dass sowohl die Vorbehaltensfrist als auch die Nachbehaltensfrist nur insoweit eingehalten werden muss, als dies auch umwandlungsrechtlich möglich ist und die umsatzsteuerliche Unternehmereigenschaft nach § 2 Umsatzsteuergesetz für die Anerkennung als herrschendes Unternehmen nicht erforderlich ist.

Allerdings war die Finanzverwaltung für die Bestimmung des „herrschenden Unternehmens“ bislang der Auffassung, nicht auf den unmittelbar am Umwandlungsvorgang beteiligten Rechtsträger, sondern auf den „obersten“ Rechtsträger in der Kette abzustellen, unabhängig davon, ob dieser am Umwandlungsvorgang beteiligt ist oder nicht. Bei diesem „obersten“ Rechtsträger waren nach Auffassung der Finanzverwaltung die Vor- und Nachbehaltensfristen zu beachten.

Änderungen der gleich lautenden Ländererlasse vom 25.05.2023 als Folge des BFH-Urteils vom 28.9.2022 (II R 13/20)

Änderung des bisherigen Verständnisses des herrschenden Unternehmens

Der BFH hat in seinem Urteil vom 28.09.2022 (II R 13/20) entgegen der o.g. Verwaltungsauffassung entschieden, dass sich der für § 6a GrEStG maßgebliche „Konzern“ in mehrstöckigen Beteiligungsstrukturen sich auf die beiden unmittelbar am Vorgang beteiligten Gesellschaften beschränkt. In der Folge kann es innerhalb eines Konzerns nicht nur ein herrschendes Unternehmen geben, sondern es ist für Zwecke des jeweiligen Vorgangs im Sinne des § 6a GrEStG auf den in der Beteiligungskette am nächsten stehenden (untersten) Rechtsträger abzustellen, welcher die Voraussetzungen des § 6a Satz 4 GrEStG erfüllt.

Mit den nun geänderten Ländererlassen schließt sich die Finanzverwaltung dem o.g. BFH-Urteil an.

Die Finanzverwaltung stellt klar, dass ausgehend von dem Umwandlungsvorgang eine Qualifizierung des herrschenden und des abhängigen Unternehmens zu erfolgen hat. Sind mehrere von einem herrschenden Unternehmen abhängige Gesellschaften am Umwandlungsvorgang beteiligt, ist ausgehend von dem Umwandlungsvorgang der in der Beteiligungskette am nächsten stehende (unterste) Rechtsträger, der die Voraussetzungen nach § 6a Satz 3 und 4 GrEStG erfüllt, das herrschende Unternehmen (Ländererlasse vom 25.05.2023 zur Anwendung des § 6a GrEStG Tz. 3.1). Dabei ist unerheblich, ob bei mehrstufigen Beteiligungen das herrschende Unternehmen selbst von einem oder weiteren Unternehmen abhängig ist.

Praktische Bedeutung hat dies insbesondere für den Fall der Up-stream-Verschmelzung bei mehrstufigen Beteiligungen. Wird im Falle einer dreistufigen Beteiligungsstruktur die Enkel- auf die Tochtergesellschaft verschmolzen, muss die Muttergesellschaft im Hinblick auf die Tochtergesellschaft nach der nun geänderten Verwaltungsauffassung keine Nachbehaltensfrist mehr einhalten (Ländererlasse vom 25.05.2023 zur Anwendung des § 6a GrEStG, Beispiel 6); denn die Tochtergesellschaft ist nach der geänderten Auffassung kein (von der Muttergesellschaft) abhängiges Unternehmen mehr, sondern stellt im Hinblick auf die Up-stream-Verschmelzung das herrschende Unternehmen dar. Die Muttergesellschaft bleibt unberücksichtigt, da sie an dem Umwandlungsvorgang nicht unmittelbar beteiligt ist. Nach alter Verwaltungsauffassung stellte die Muttergesellschaft das herrschende Unternehmen dar mit der Folge, dass sie im Hinblick auf ihre Beteiligung an der Tochtergesellschaft die Nachbehaltensfrist einhalten musste (Ländererlasse vom 22.09.2020 zur Anwendung des § 6a GrEStG, Beispiel 6).

Änderung des Verständnisses der wirtschaftlichen Tätigkeit

Des Weiteren enthalten die geänderten Ländererlasse eine Ergänzung, wonach es für das Erfordernis der wirtschaftlichen Tätigkeit ausreicht, wenn bei Vorratsgesellschaften und reinen Holdinggesellschaften die wirtschaftliche Tätigkeit über eine Beteiligung vermittelt wird (Ländererlasse vom 25.05.2023 zur Anwendung des § 6a GrEStG, Tz. 3.1). Bisher stufte die Finanzverwaltung Vorratsgesellschaften und reine Holdinggesellschaften als „nicht wirtschaftlich tätig“ ein.

Weitere technische Anpassungen

Darüber hinaus enthalten die geänderten Ländererlasse einige technische Anpassungen an die neue Rechtslage ab dem 01.07.2021 als Folge der Grunderwerbsteuerreform. Dies betrifft insbesondere Anpassungen aufgrund der Einführung des § 1 Abs. 2b GrEStG, der Absenkung der relevanten kritischen Beteiligungsquoten von 95 % auf 90 % und der Verlängerung der Fristen von fünf auf zehn Jahre.

Fazit und Ausblick

Im Ergebnis sind die geänderten Länderlasse ein Schritt in die richtige Richtung, da insbesondere bei der Qualifizierung des herrschenden Unternehmens nunmehr klare Vorgaben bestehen und im Zusammenspiel mit der Einhaltung oder Nichteinhaltung der Vor- und Nachbehaltensfristen auch die Finanzverwaltung ihren bisherigen einschränkenden Ansatz aufgegeben hat.

Unabhängig von dieser punktuellen Umsetzung der höchstrichterlichen Rechtsprechung bleibt die Konzernklausel des § 6a GrEStG eine aus Sicht der Beratungspraxis nur schwer zu handhabende Vorschrift und es bleibt nur zu hoffen, dass die Konzernklausel insgesamt einer Überarbeitung unterzogen wird bzw. im System einer reformierten GrEStG eine solche obsolet wird.

Hinzuweisen ist an dieser Stelle auf den am 05.07.2023 veröffentlichten Diskussionsentwurf für ein Grunderwerbsteuer-Novellierungsgesetz (GrEStNG) (Diskussionsentwurf des Bundesministerium der Finanzen zum Entwurf eines Gesetzes zur Novellierung des Grunderwerbsteuergesetzes [Arbeitstitel], Bearbeitungsstand 15.06.2023), wonach neben der grundlegenden Reform der grunderwerbsteuerlichen Behandlung von Anteilserwerben auch die bisherige Konzernklausel nach § 6a GrEStG sowie die übrigen Ausnahmevorschriften der §§ 5, 6 und § 7 Abs. 2 GrEStG durch ein neues Konzept von grunderwerbsteuerlichen Ausnahmevorschriften ersetzt werden sollen.

Da sich der Diskussionsentwurf aktuell im Abstimmungsprozess zwischen Bund und Ländern sowie innerhalb der Koalition im Bund befindet, bleibt abzuwarten, inwieweit die vorgeschlagenen Änderungen tatsächlich Chancen auf Umsetzung haben.

Anwendung

Die neuen Ländererlasse ersetzen die bisherigen Ländererlasse vom 22.09.2020 und sind in allen offenen Fällen anzuwenden.