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Führungs­zeugnis in Franchise­verträgen: Zulässig­keit der Vorlage­pflicht?

23.10.2023

1. Einführung

Franchiseverträge enthalten häufig eine Klausel, wonach der Franchisenehmer dem Franchisegeber bei Bedarf sein Führungszeugnis vorlegen muss und das Führungszeugnis keine negativen Einträge enthalten darf. Eine solche Klausel könnte zum Beispiel lauten:

"(1) Führungszeugnis. Der Franchisenehmer muss für die Dauer des Vertrages über ein einwandfreies Europäisches Führungszeugnis verfügen und dieses auf Verlangen des Franchisegebers unverzüglich vorlegen."

Es besteht ein hohes Risiko, dass eine solche Klausel gegen das Datenschutzrecht verstößt, da weder im deutschen noch im europäischen Recht spezielle Rechtsgrundlagen bestehen, welche die Verpflichtung zur Vorlage eines Führungszeugnisses erlauben.

2. Fakten

Das Führungszeugnis enthält personenbezogene Daten über strafrechtliche Verurteilungen und Straftaten, an deren Verarbeitung nach Art. 10 Abs. 1 S. 1 der Datenschutzgrundverordnung ("DSGVO") besonders hohe Anforderungen gestellt werden. Sie dürfen nur verarbeitet werden, wenn es dafür eine besondere Rechtsgrundlage gibt, die "angemessene Garantien für die Rechte und Freiheiten der betroffenen Personen bietet". Soweit ersichtlich, bietet das deutsche Recht jedoch keine solche Rechtsgrundlage:

  • § 26 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) enthält lediglich Regelungen für die Verarbeitung von Daten über Straftaten von Arbeitnehmern.
  • Da Franchisenehmer keine Arbeitnehmer sind, ist § 26 BDSG auf Franchisenehmer nicht anwendbar.

Auch aus dem EU-Rahmenbeschluss (2009/315/JI) zum Europäischen Strafregisterauszug lässt sich keine Rechtsgrundlage herleiten. Nach Art. 9 Abs. 2 des Beschlusses dürfen personenbezogene Daten, die zu anderen Zwecken als einem Strafverfahren übermittelt werden, nur nach Maßgabe des nationalen Rechts verarbeitet werden. Mangels nationaler Rechtsgrundlage bleibt es daher beim Fehlen einer Rechtsgrundlage zur Verarbeitung der personenbezogenen Daten.

Fraglich ist, ob es zulässig ist, dass der Franchisegeber das Führungszeugnis ausschließlich zur Kenntnis nimmt, ohne die darin enthaltenen personenbezogenen Daten in einem Dateisystem zu speichern oder ob es sich dabei um eine unzulässige Umgehung handelt.

Soweit ersichtlich, scheint es zu dieser Fragestellung bislang keine Entscheidung deutscher Gerichte zu geben. Die spanische Datenschutzbehörde Agencia Española de Protección de Datos ("AEPD") hat bereits ein Bußgeld in Höhe von Euro 2 Millionen gegen Amazon verhängt (siehe ZD-Aktuell 2022, 01080). Amazon hatte von selbständigen Fahrern ein polizeiliches Führungszeugnis ohne Einträge verlangt. Nach Ansicht der AEPD war diese Gestaltung jedoch nicht DSGVO-konform:

  • Die AEPD vertrat die Auffassung, dass die Beantragung eines Führungszeugnisses auch als "Negativzeugnis" (und damit ohne entsprechende Einträge) eine Verarbeitung von Daten über strafrechtliche Verurteilungen und Straftaten im Sinne von Art. 10 DSGVO darstellt und daher nur mit Einwilligung der betroffenen Person unter behördlicher Aufsicht erfolgen oder auf eine besondere nationale Rechtsgrundlage gestützt werden darf.
  • Es gab keine Rechtsgrundlage in Form eines nationalen Gesetzes, das für das Transportpersonal ein Führungszeugnis ohne Einträge vorschreibt. Nicht einmal staatliche Behörden würden dies bei der Erteilung von Transportlizenzen verlangen.
  • Die Zustimmung wurde ebenfalls ausgeschlossen, da sie nicht freiwillig war (ohne Zustimmung war es nicht möglich, im Bewerbungsprozess weiterzukommen).
  • Die AEPD wies auch das Argument zurück, dass das Logistikunternehmen ein berechtigtes Interesse daran habe, die Sicherheit und das Vertrauen seiner Kunden durch diese Anmeldepflicht zu schützen. Ein solches Argument könnte nur im Rahmen von Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO vorgetragen werden. Selbst wenn jedoch Art. 6 DSGVO (und nicht Art. 10 DSGVO) anwendbar wäre, würde die Verpflichtung zur Vorlage einer Negativbescheinigung die Grenzen des Zumutbaren überschreiten.

3. Fazit

Anstelle der Vorlage eines Führungszeugnisses könnte das Fragerecht des Franchisegebers als milderes Mittel zulässig sein. Ein Franchisegeber kann gezielt nach früheren Verurteilungen fragen, die für das spezifische Franchiseverhältnis relevant sind, anstatt einfach das Führungszeugnis einzusehen (das auch frühere Verurteilungen aufzeigen kann, die für das jeweilige Franchiseverhältnis irrelevant sind).

Im Franchisevertrag könnte die Klausel so formuliert werden, dass der Franchisenehmer versichert, dass er nicht wegen Straftaten verurteilt wurde, die ihn als unzuverlässig für die Ausübung seiner Rechte und Pflichten aus dem Franchisevertrag erscheinen lassen (z.B. Untreue, Diebstahl, Straftaten im Zusammenhang mit dem Jugendschutzgesetz). Beispielsweise könnte die Klausel lauten:

"Keine Vorstrafen. Der Franchisenehmer bestätigt, dass er keine Vorstrafen hat, woraus seine Unzuverlässigkeit zum Betrieb des Geschäfts folgt (z.B. Verurteilung wegen Betrugs, Diebstahls, Straftaten im Zusammenhang mit dem Jugendschutzgesetz)."