Flexibles Case Management, strenge Fristen? Das Verfahren vor dem UPC
In wenigen Wochen nimmt das UPC seine Arbeit auf. Unternehmen und Kanzleien blicken gespannt den ersten UPC-Verfahren entgegen. Worauf sich die Parteien im Verfahren vor dem UPC einstellen müssen, beleuchten wir nachfolgend.
I. Das erstinstanzliche Verfahren vor dem UPC
Das erstinstanzliche Verfahren vor dem UPC umfasst
- das schriftliche Verfahren: In diesem tauschen die Parteien ihre wechselseitigen Schriftsätze aus;
- das Zwischenverfahren: Es schließt sich an das schriftliche Verfahren an, dient der Vorbereitung der mündlichen Verhandlung und wird von einem einzelnen Richter des Spruchkörpers (dem Berichterstatter) geleitet;
- das mündliche Verfahren: Dieses beinhaltet insbesondere eine mündliche Verhandlung vor dem gesamten Spruchkörper und wird von dem Vorsitzenden Richter geleitet. Die Parteien haben Gelegenheit zu mündlichen Ausführungen, gegebenenfalls findet eine Beweisaufnahme statt.
Die Rules of Procedure sehen vor, dass das gesamte erstinstanzliche Verfahren innerhalb eines Jahres abgeschlossen sein soll (vgl. Ziffer 7 der Präambel der Rules of Procedure). Kläger können damit bereits ein Jahr nach Einreichung der Klage vor dem UPC mit einem erstinstanzlichen Urteil rechnen.
Um dieses ehrgeizige Ziel erreichen zu können, soll nicht nur das UPC schnell und effizient arbeiten. Auch der Vortrag der Parteien unterliegt hierzu einem strengen Fristenregime.
II. Typische Fristenfolge vor dem UPC
Regelmäßig folgt auf eine Verletzungsklage nicht nur eine Verteidigung auf der Verletzungsseite, sondern auch eine Nichtigkeitswiderklage. Die Fristen vor dem UPC gestalten sich in dieser Konstellation wie folgt:
- Nach Zustellung der Klageschrift beginnt für den Beklagten eine dreimonatige Erwiderungsfrist. Diese Frist gilt sowohl für den Vortrag zur Nichtverletzung als auch für Ausführungen zum Rechtsbestand (vgl. Regeln 23 und 25 Nr. 1 der Rules of Procedure). Ausführungen zum Rechtsbestand sind in Form einer Widerklage auf Nichtigerklärung des Patents anzubringen (vgl. Regel 25 Nr. 1 der Rules of Procedure).
- Der Kläger kann innerhalb von zwei Monaten ab Zustellung der Klageerwiderung und der Nichtigkeitswiderklage auf diese mit einer Replik und einer Widerklageerwiderung reagieren (vgl. Regel 29 lit. (a) der Rules of Procedure).
- Auf die Replik und die Widerklageerwiderung des Klägers kann der Beklagte seinerseits innerhalb von zwei Monaten mit einer Duplik und einer Widerklagereplik reagieren (vgl. Regel 29 lit. (d) der Rules of Procedure).
- Schließlich verbleibt dem Kläger ein Monat, um abschließend zur Widerklagereplik des Beklagten Stellung zu nehmen (vgl. Regel 29 lit. (e) der Rules of Procedure).
Das Fristenregime vor dem UPC ist damit denkbar eng. Die fristenmäßige Verknüpfung von Verletzungs- und Nichtigkeitsverfahren erfordert zudem eine starke Koordinierung von Verletzungs- und Rechtsbestandsvortrag, das heißt der Tätigkeit von Rechts- und Patentanwälten.
III. Möglichkeit der Fristverlängerung – aber auch Fristverkürzung
Deutsche Gerichte sind mit ersten Fristverlängerungen meist großzügig; weitere Fristverlängerungen kommen jedenfalls bei Zustimmung des Gegners in Betracht. Auf das UPC lassen sich diese Maßstäbe nicht ohne weiteres übertragen.
Die Rules of Procedure verlangen für eine Fristverlängerung zunächst einen mit einer Begründung versehenen Antrag. Die Bescheidung des Antrags steht im Ermessen des Gerichts (Wortlaut: „kann“ in Regel 9 Nr. 3 lit (a) der Rules of Procedure). Wie das UPC sein Ermessen ausüben wird und ob die bisherige deutsche Rechtspraxis dabei Anwendung findet, ist derzeit offen.
Zudem sehen die Rules of Procedure unter identischen Voraussetzungen auch die Möglichkeit der Fristverkürzung vor (vgl. Regel 9 Nr. 3 lit. (b) der Rules of Procedure). Wie das UPC mit dieser Möglichkeit umgeht, ist derzeit ebenfalls offen. Grundsätzlich ist wohl davon auszugehen, dass das UPC nur in atypischen Sonderfällen tatsächlich eine Fristverkürzung verfügt. Denn auch das UPC ist gehalten, beiden Parteien hinreichend rechtliches Gehör zu gewähren. Dies setzt voraus, dass das Gericht beiden Parteien ausreichend Zeit zur Stellungnahme auf den Vortrag der jeweils anderen Partei gewährt. Vor dem Hintergrund des ohnehin strengen Fristenregimes (dazu II.) bleibt dabei für eine Fristverkürzung regelmäßig wenig Raum.
IV. Folgen verspäteten Vorbringens
Nur rudimentär geregelt sind in den Rules of Procedure die Folgen verspäteten Vorbringens. Was also geschieht, wenn man einen Schriftsatz nicht innerhalb der Frist beim UPC einreicht?
Regel 9 Nr. 2 der Rules of Procedure stellt klar, dass das UPC einen verspäteten Schriftsatz unberücksichtigt lassen kann. Wie das UPC dieses Ermessen handhabt und ob vor dem UPC neben streitigen Tatsachenausführungen auch unstreitige Tatsachenausführungen und sogar Rechtsausführungen verspätet sein können, bleibt abzuwarten. Diese Frage ist von großer Bedeutung, da unstreitiger Vortrag und Rechtsausführungen in vielen Patentstreitigkeiten eine entscheidende Rolle spielen.
V. Ermessen in Frist- und Verspätungsfragen
Es bleibt mit Spannung zu erwarten, welche Leitlinien das UPC für die Ermessensausübung in Frist- und Verspätungsfragen entwickeln wird.
Das UPC zielt auf ein straffes Verfahren, welches einem streng durchgetakteten Fristenregime unterworfen ist (dazu II.). Die dem Gericht eingeräumten Ermessenspielräume – sei es bei der Gewährung von Fristverlängerungen (dazu III.), sei es bei der Entscheidung der Verspätungsfrage (dazu IV.) – bieten ein Korrektiv zu diesem strengen Fristenregime. Droht das Fristenregime zu Lasten einer sachlich richtigen Entscheidung, rechtlichem Gehör oder der Waffengleichheit zwischen den Parteien zu gehen, kann die Gewährung einer Fristverlängerung oder auch die Berücksichtigung verspäteten Vortrags angezeigt sein.
Zum UPC haben die Autoren dieses Beitrags bereits folgende weitere Beiträge veröffentlicht, die über die folgenden Links zu erreichen sind:
UPC-Kammern und Standorte: Wo kann ich welche Klage erheben?
Europäische Patente: Wann kann ich vor das Einheitliche Patentgericht (UPC)?