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FAQ zur AÜG-Reform: Teil 2 – Equal Pay und Equal Treatment

01.09.2017

Die Reform des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes wurde von der Politik medial wirksam insbesondere dafür gefeiert, dass Leiharbeiter endlich "gleichen Lohn für gleiche Arbeit" erhielten. Ferner, so wurde immer wieder betont, sei die Tarifautonomie erheblich gestärkt worden. Niedergeschlagen haben sich diese prominenten Aspekte der AÜG-Reform in § 8 AÜG. Hierbei handelt es sich um eine gesetzliche Regelung, die selbst erfahrene und kundige Juristen äußerst aufmerksam studieren müssen, um sie zu verstehen. Aus diesem Grunde ist wenig verwunderlich, dass in der betrieblichen Praxis gerade Fragen zur Bedeutung von § 8 AÜG bei der Arbeitnehmerüberlassung dominieren. Hier die wichtigsten Antworten:

Ab wann erhalten Leiharbeitnehmer grundsätzlich Equal Pay? Welche Abweichungen sind hiervon zulässig?

Leiharbeiter erhalten grundsätzlich – wie bisher auch schon – ab ihrem ersten Einsatztag beim Entleiher das gleiche Arbeitsentgelt wie Arbeitnehmer mit vergleichbaren Tätigkeiten im Einsatzbetrieb.

Nur ein Tarifvertrag kann Abweichungsmöglichkeiten von diesem Grundsatz eröffnen. Voraussetzung hierfür ist, dass dieser Tarifvertrag kraft beiderseitiger Tarifbindung oder kraft arbeitsvertraglicher Inbezugnahme auf das Arbeitsverhältnis des Leiharbeitnehmers Anwendung findet. Dabei stellt der Gesetzgeber den Tarifvertragsparteien zwei sich deutlich unterscheidende Regelungsmodelle zur Verfügung:

  • Equal Pay kann durch einen Tarifvertrag nur für die Dauer von 9 Monaten aufgehoben werden.
  • Längere Abweichungen sind nur zulässig, wenn die Vergütung des Leiharbeitnehmers während seines Einsatzes beim Entleiher stufenweise innerhalb von 15 Monaten an ein Arbeitsentgelt herangeführt wird, das in dem Tarifvertrag als gleichwertig mit dem tarifvertraglichen Arbeitsentgelt vergleichbarer Arbeitnehmer in der Einsatzbranche vereinbart ist (Tarifliches Equal Pay).

Wie berechnen sich diese Abweichungszeiträume?

Der Zeitraum einer Abweichung vom Gleichstellungsgrundsatz beginnt mit dem tatsächlichen Einsatz des Leiharbeitnehmers im Unternehmen des Entleihers und endet nach 9 bzw. 15 Monaten.

Frühere Überlassungen bei demselben Entleiher sind hierauf vollständig anzurechnen, wenn zwischen zwei Einsätzen desselben Leiharbeitnehmers nicht mindestens drei Monate liegen. Überlassungszeiten vor dem 1. April 2017 bleiben jedoch insgesamt unberücksichtigt.

Die konkrete Berechnung des Abweichungszeitraums ist jedoch noch streitig:

 Kalendarische Berechnung

 Quasi-kaufmännische Berechnung

 Bundesagentur für Arbeit („Mischkalkulation“)

  • Berechnung voller Monate, unabhängig davon, wie viele Tage der Monat tatsächlich hat.
  • Bei einem durchgängigen Einsatz ab dem 1. April 2017 ist gesetzliches Equal Pay damit ab dem 1. Januar 2018 zu zahlen.
  • Jeder Monat wird konsequent mit 30 Tagen angesetzt.
  • Davon ausgehend beträgt der Abweichungszeitraum von 9 Monaten immer 30 x 9, also 270 Tage.
  • Bei einem durchgängigen Einsatz ab dem 1. April 2017 kommt gesetzliches Equal Pay damit ab dem 27. Dezember 2017 zum Tragen.
  • Kombination der beiden anderen Berechnungsweisen:
  • Kalendarische Berechnung von Monaten, in welchen  durchgängiger Einsatz stattfindet;
  • Berechnung von Teilmonaten stets auf Basis von 30 Tagen.

Eine rechtssichere Antwort i.S. einer herrschenden Meinung existiert hierzu noch nicht. Wer jegliche Risiken vermeiden möchte, sollte auf den jeweils frühestmöglichen Zeitpunkt abstellen.

Verleiher und Entleiher sollten außerdem bestehende Arbeitnehmerüberlassungsverträge prüfen und bei künftigen Verträgen darauf achten, diesbezügliche Auslegungsschwierigkeiten bereits jetzt durch entsprechend eindeutige Formulierungen zu verhindern.

Wie wird das Vergleichsentgelt ermittelt und welche Entgeltbestandteile sind erfasst?

Grundsätzlich sind Bezugspunkt eines Gehaltsvergleichs diejenigen Arbeitnehmer eines Entleihers, die dieselbe oder eine vergleichbare Tätigkeit ausüben wie der Leiharbeitnehmer. Für den Fall, dass kein vergleichbarer Stammmitarbeiter vorhanden ist, kommt es darauf an, welches Gehalt der Leiharbeitnehmer erhalten hätte, wenn er direkt beim Entleiher eingestellt worden wäre. Zur Ermittlung der Vergütungshöhe sind alle Entgelte im Überlassungszeitraum abzugleichen und all deren Lohnbestandteile einzubeziehen.

Wird an einen Stammarbeitnehmer dabei ein Monatsgehalt gezahlt, ist auch der Anspruch auf Gleichstellung des Leiharbeitnehmers auf ein entsprechendes Monatsgehalt gerichtet. Ein Herunterrechnen auf einen (fiktiven) Stundenlohn ist in diesem Fall ebenso wenig möglich wie im umgekehrten Fall die Umrechnung eines Stundenlohns in ein Monatsgehalt.

Die Berechnung des Vergleichsentgelts eines Stammarbeitnehmers, das sich aus einer Vielzahl von Gehalts- und Zulagenkomponenten zusammensetzen kann, bereitet in der Praxis jedoch erhebliche Schwierigkeiten. Aus diesem Grund stellt das Gesetz folgende Vermutung auf: Der Leiharbeitnehmer gilt als hinsichtlich seines Arbeitsentgelts gleichgestellt, wenn er das für einen vergleichbaren Arbeitnehmer im Entleiherbetrieb geschuldete tarifvertragliche Arbeitsentgelt erhält. Vergütet der Entleiher nicht nach Tarif, so genügt es, wenn der Leiharbeitnehmer das ansonsten in der jeweiligen Branche vorherrschende Tarifentgelt erhält. Diese Vermutung bezieht sich jedoch nur auf das Arbeitsentgelt, nicht aber auf die anderen vom Gleichstellungsgrundsatz umfassten „wesentlichen Arbeitsbedingungen“.

In der Praxis könnte sich diese Vermutung jedoch regelmäßig als wertlos herausstellen, da sie widerleglich ist. Sie gilt bereits dann als widerlegt, wenn der Leiharbeitnehmer nachweisen kann, dass ein vergleichbarer Stammmitarbeiter eine übertarifliche Zulage erhält.

Vor jedem Einsatz ist daher ein umfassender Informationsaustausch zwischen Verleiher und Entleiher hinsichtlich der im Entleiherbetrieb geltenden Arbeitsbedingungen und Entgelte gesetzlich vorgesehen. Diese Informationen müssen ferner Bestandteil des Arbeitnehmerüberlassungsvertrags sein, sobald der Gleichstellungsgrundsatz für die konkrete Überlassung greift. Damit können auch bei bereits bestehenden Kooperationen nachträgliche Ergänzungen erforderlich werden, sobald ein Überschreiten des Abweichungszeitraums absehbar wird. In jedem Fall empfiehlt es sich, die gesetzliche Erklärungspflicht durch einen sanktionierten vertraglichen Auskunftsanspruch abzusichern.

Was ist sonst noch vom Gleichstellungsgrundsatz umfasst?

Der Gleichstellungsgrundsatz in § 8 AÜG enthält sowohl den Grundsatz des Equal Pay als auch den des Equal Treatment. Die Gleichstellung durch den Verleiher darf damit nicht auf das Arbeitsentgelt reduziert werden. Vielmehr sind insbesondere auch die Bereiche Überstunden, Pausen, Ruhezeiten und Nachtarbeit sowie Urlaub und arbeitsfreie Tage zu berücksichtigen.

Regelungen zu Kündigungsfristen oder dem Kündigungsschutz unterliegen hingegen nicht der Gleichstellungspflicht.

Welche Konsequenzen sind mit einer Missachtung verbunden?

Bei Verstoß gegen den Gleichstellungsgrundsatz drohen nach dem AÜG zunächst folgende Sanktionen:

  1. Leiharbeitnehmer können die Differenz zu Equal Pay bzw. nicht gewährte Arbeitsbedingungen gegenüber ihrem Vertragsarbeitgeber geltend machen.
  2. Ordnungswidrigkeit: Geldbuße bis zu 500.000 Euro für den Verleiher.
  3. Der Verleiher setzt damit ferner seine Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis aufs Spiel.

Darüber hinaus drohen den Verantwortlichen sogar wegen der nicht ordnungsgemäßen Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen Geld- oder Haftstrafen.

Unternehmen sollten deshalb prüfen, mit welchen Mitteln die verschiedenen Zeitrahmen überwacht werden können. Tarifgebundene Unternehmen müssen darüber hinaus Anpassungen bestehender Tarifverträge an die Neuregelungen zum Equal Pay-Grundsatz umsetzen. Gerne helfen wir Ihnen hierbei z. B. mit unserem HR-Compliance-Healthcheck. Wenn Sie mehr Informationen zu dem Thema erhalten möchten, kontaktieren Sie bitte Lars Kutzner oder Daniel Happ.

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