EU weitet Sanktionen gegen Russland aus und führt Preisobergrenze für russisches Öl ein
Die Europäische Union verschärft ihre Sanktionen gegen Russland. Die 27 Mitgliedstaaten haben eine Preisobergrenze eingeführt, bei deren Überschreitung der Transport von russischem Rohöl auf dem Seeweg in Drittländer ab dem 5. Dezember 2022 verboten ist (A.), und haben ein neuntes Sanktionspaket eingeführt, mit dem der Anwendungsbereich der sektoralen und persönlichen Sanktionen der EU erheblich erweitert wird (B.). Ab Februar 2023 wird die Preisobergrenze für weitere Produkte gelten, wodurch die Möglichkeiten von EU-Unternehmen, diese in Drittländer zu liefern, beschränkt werden.
A. Preisobergrenze für Rohöl auf dem Seeweg: Verschärfung der Bestimmungen für den Transport in Drittländer
Im Rahmen ihres koordinierten Vorgehens wegen des russischen Angriffs auf die Ukraine haben sich die G7 und Australien – die so genannte „Price Cap Coalition“ – auf eine Preisobergrenze von 60 USD pro Barrel geeinigt. Damit ist der Seetransport von russischem Rohöl, das oberhalb dieser Preisgrenze gehandelt wird, in Drittländer verboten. Die rechtliche Grundlage für die Preisobergrenze war bereits am 6. Oktober 2022 durch das achte EU-Sanktionspaket geschaffen worden (siehe unseren News Alert hier). Die Einigung über die Preisobergrenze kam gerade rechtzeitig, bevor am 5. Dezember das generelle Verbot der EU für den Seetransport von russischem Rohöl in Drittländer in Kraft trat. Die Präsidentin der Europäischen Kommission von der Leyen begrüßte die Einigung und stellte fest, dass die Preisobergrenze zur Stabilisierung der globalen Energiepreise beitragen und gleichzeitig die russischen Einnahmen schmälern werde.
I. Wesentliche Bestimmungen
Die EU hat zur Umsetzung der Preisobergrenze die Verordnung über sektorale Sanktionen gegen Russland (Verordnung (EU) Nr. 833/2014 des Rates) mit Wirkung vom 3. Dezember 2022 angepasst (siehe hier und hier). Seit dem 5. Dezember gilt für Rohöl (KN-Code 2709 00) mit Ursprung in oder ausgeführt aus Russland eine Preisobergrenze von 60 USD pro Barrel. Nur Öl, das bis zu dieser Obergrenze oder darunter eingekauft wird, ist von dem grundsätzlichen Verbot des Transports in Drittländer ausgenommen.
Eine 45-tägige Übergangsfrist nimmt zunächst Schiffe aus, die Rohöl russischen Ursprungs befördern, das oberhalb der Preisobergrenze gekauft und vor dem 5. Dezember 2022 verladen wurde und vor dem 19. Januar 2023 im Endbestimmungshafen entladen wird. Eine Notfallklausel erlaubt darüber hinaus die Beförderung von Öl oberhalb der Preisobergrenze und die Erbringung damit zusammenhängender Dienstleistungen (technische Hilfe, Vermittlungsdienste und finanzielle Unterstützung), wenn dies erforderlich ist, um Ereignisse zu verhindern oder einzudämmen, die schwerwiegende und wesentliche Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit und Sicherheit oder die Umwelt haben könnten, oder um auf Naturkatastrophen zu reagieren.
Die Preisobergrenze wird alle zwei Monate überprüft, um der Marktentwicklung Rechnung zu tragen. Sie wird mindestens 5 % unter dem durchschnittlichen Marktpreis für russisches Erdöl und Erdölerzeugnisse festgesetzt.
II. Änderungen der Verordnung (EU) 833/2014
Die dargestellten Bestimmungen wurden durch eine Änderung der EU-Verordnung über sektorale Sanktionen gegen Russland umgesetzt. Neben der Festlegung der anfänglichen Ölpreisobergrenze in Anhang XXVIII der Verordnung (EU) 833/2014 auf 60 USD pro Barrel wurde Art. 3n dieser Verordnung, der den Transport von Rohöl und Erdölerzeugnissen in Drittländer regelt, durch den Rat wesentlich geändert:
- Neben den transportbezogenen Tätigkeiten gilt das Verbot in Art. 3n Abs. 1 der Verordnung (EU) 833/2014 n.F. künftig auch für Tätigkeiten im Zusammenhang mit Handel und Vermittlungsdiensten.
- Entsprechend wurde das Verbot in Art. 3n Abs. 4 der Verordnung (EU) 833/2014 n.F. auf den Handel und die Vermittlung von Geschäften ausgedehnt.
- 3n Abs. 5 der Verordnung (EU) 833/2014 n.F. regelt das Inkrafttreten des Verbots nach Art. 3n Abs. 4 und sieht für Verträge, die vor dem Inkrafttreten der geänderten Preisobergrenze abgeschlossen wurden und die die zu diesem Zeitpunkt geltende Preisobergrenze respektieren, eine 90-tägige Übergangsfrist nach dem Inkrafttreten von nachträglichen Änderungen der Preisobergrenze vor.
- 3n Abs. 6 (d) der Verordnung (EU) 833/2014 n.F. führt eine 45-tägige Übergangsfrist ein, in der von den Verboten der Absätze 1 und 2 aus Russland stammendes oder aus Russland ausgeführtes Rohöl ausgenommen ist, das oberhalb der Preisobergrenze erworben wurde, jedoch vor dem 5. Dezember 2022 verladen und vor dem 19. Januar 2023 im endgültigen Bestimmungshafen gelöscht wird.
- 3n Abs. 7 der Verordnung (EU) 833/2014 n.F.begrenzt das Verbot der Erbringung der in Abs. 1 genannten Dienstleistungen für Schiffe, die oberhalb der Preisobergrenze gemäß Abs. 4 erworbenes russisches Rohöl oder Erdölprodukte transportiert haben, auf 90 Tage, sofern der Betreiber davon Kenntnis hatte oder diesbezüglich einen begründeten Verdacht hatte.
- Der neu eingeführte 3n Abs. 9 der Verordnung (EU) 833/2014 kodifiziert weitere Ausnahmen, z.B. für die Eindämmung von Naturkatastrophen.
B. Neuntes Sanktionspaket
Am 16. Dezember2022 hat der Rat der EU auf Vorschlag der Europäischen Kommission ein neuntes Sanktionspaket gegen Russland angenommen. Mit diesem werden die Verordnung (EU) Nr. 833/2014 über restriktive Maßnahmen angesichts der Handlungen Russlands, die die Lage in der Ukraine destabilisieren (sektorale Sanktionen), und die Verordnung (EU) Nr. 269/2014 über restriktive Maßnahmen in Bezug auf Handlungen, die die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine untergraben oder bedrohen, geändert (hier und hier).
Derzeit unterliegen 1241 Personen und 118 Einrichtungen den Russland-Sanktionen der EU. Die neuen Sanktionen erweitern diesen Kreis um etwa 200 Personen und Einrichtungen.
Im Allgemeinen werden mit dem neuen Sanktionspaket lediglich die bestehenden Beschränkungen erweitert und verschärft. Dies schließt die folgenden Ergänzungen ein:
- Weitere Güter, die zur militärischen und technologischen Stärkung Russlands oder zur Entwicklung seines Verteidigungs- und Sicherheitssektors beitragen könnten, sind in Anhang VII aufgeführt, darunter Drohnentriebwerke, weitere chemische und biologische Ausrüstung, Ausrüstung zur Bekämpfung von Unruhen, Kampfstoffe und elektronische Komponenten; siehe Artikel 2a und Anhang VII n.F. der Verordnung (EU) Nr. 833/2014;
- das Ausfuhrverbot für Güter und Technologien, die zur Verwendung in der Luft- und Raumfahrtindustrie geeignet sind, wurde um Flugzeugtriebwerke und deren Teile erweitert; siehe Artikel 3c und Anhang XI n.F. der Verordnung (EU) Nr. 833/2014;
- Weitere Güter, die zur Stärkung der russischen Industriekapazitäten beitragen könnten, wurden sanktioniert, darunter Generatoren, Spielzeugdrohnen, Laptops, Festplatten, IT-Komponenten, Nachtsicht- und Funknavigationsgeräte, Kameras und Objektive; siehe Artikel 3k und Anhang XXIII n.F. der Verordnung (EU) Nr. 833/2014;
- ein Verbot, Ämter in Leitungsgremien von juristischen Personen oder Einrichtungen zu bekleiden, die direkt oder indirekt staatlich kontrolliert werden oder zu 50 % in staatlichem Besitz sind, Art. 5aa Abs. 1b der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 n.F.; und
- das bestehende Verbot der Erbringung bestimmter Dienstleistungen wurde ebenfalls ausgeweitet, indem die Erbringung von Dienstleistungen in den Bereichen Werbung, Markt- und Meinungsforschung sowie technische, physikalische und chemische Untersuchung verboten wurde; siehe Art. 5n Abs. 2a der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 n.F.
Der russische Energiesektor unterliegt neuen Beschränkungen, da das Verbot von Investitionen in den russischen Bergbausektor dem bestehenden Investitionsverbot hinzugefügt wurde (Artikel 3a der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 n.F.).
Darüber hinaus unterliegt die Russische Regionale Entwicklungsbank (Russian Regional Development Bank) nun auch einem allgemeinen Geschäftsverbot, Artikel 5aa und Anhang XIX n.F. der Verordnung (EU) Nr. 833/2014.
Darüber hinaus präzisiert, verlängert und ergänzt das neunte Sanktionspaket Ausnahmeregelungen. So wurde die Ausnahmeregelung vom allgemeinen Geschäftsverbot des Art. 5aa Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 für Transaktionen, die für den Abzug von Investitionen und den Rückzug aus Russland unbedingt erforderlich sind, bis zum 30. Juni 2023 verlängert; siehe Art. 5aa Abs. 3a der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 n.F. Insofern erscheint es inkonsequent, dass die damit einhergehende Ausnahme vom Verbot der Bereitstellung von Geldern an Einrichtungen, die in Anhang I der Verordnung (EU) Nr. 269/2014 aufgeführt sind und dem Geschäftsverbot unterliegen, nicht entsprechend ausgeweitet wurde.
Die neuen Bestimmungen sehen außerdem vor, dass die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten den Verkauf, die Lieferung oder die Weitergabe von Gütern und Technologien, die in mehreren Anhängen aufgeführt sind, genehmigen können - wiederum, wenn dies für den Abzug von Investitionen oder die Abwicklung von Geschäftstätigkeiten in Russland unbedingt erforderlich ist, siehe Artikel 12b der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 n.F. Über diese Bestimmung werden wir noch ausführlicher berichten.
C. Ausblick
Wie vorstehend ausgeführt, beabsichtigt die EU mit der Ausweitung der Sanktionen die wirtschaftliche, militärische und politische Macht Russlands härter zu treffen, insbesondere durch die Erweiterung der Liste der sanktionierten Personen und Einrichtungen, um neuen Erkenntnissen Rechnung zu tragen, sowie durch die Ausweitung des Anwendungsbereichs der Sanktionen.
Nach der derzeitigen Sanktionsregelung muss die Ölpreisobergrenze alle zwei Monate überprüft und gegebenenfalls angepasst werden. Die Kommission kann diese Zeitintervalle sehr gut nutzen, um die Sanktionen zu überprüfen und gleichzeitig notwendige Änderungen und Anpassungen vorzunehmen. Ab dem 5. Februar 2023 werden auch Exporte von Erdölerzeugnissen in Drittländer unter die Preisobergrenze fallen, wodurch sich der Kreis der von den EU-Sanktionen betroffenen Wirtschaftsbeteiligten und Branchen weiter vergrößert.