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EU schafft Mindeststandards für strafrechtliche Verfolgung von Sanktionsverstößen

31.05.2024

Mit der am 19. Mai 2024 in Kraft getretenen Richtlinie (EU) 2024/1226 zur Definition von Straftatbeständen und Sanktionen bei Verstoß gegen restriktive Maßnahmen der Union („RL 2024/1226“) setzt die EU neue Maßstäbe für die strafrechtliche Verfolgung und Bestrafung von Verstößen gegen restriktive Maßnahmen („Sanktionen“) der Union.

Die Kompetenzen der EU im Bereich des Strafrechts sind zwar grundsätzlich auf einige Bereiche besonders schwerer grenzüberschreitender Kriminalität wie etwa Terrorismus, Geldwäsche oder Korruption begrenzt. Der Rat kann jedoch durch Beschluss weitere Bereiche in die Liste der „EU-Straftatbestände“ aufnehmen. Ein solcher Beschluss wurde im November 2022 für Verstöße gegen EU-Sanktionen gefasst.

Strafbarkeit von Sanktionsverstößen

Art. 3 Abs. 1 RL 2024/1226 enthält einen Katalog von Handlungen, die von den Mitgliedstaaten fortan als Straftat geahndet werden müssen, wenn sie vorsätzlich und unter Verstoß gegen ein sanktionsrechtliches Verbot oder Verpflichtung begangen werden.

Zu diesen Handlungen zählen unter anderem Verstöße gegen das Bereitstellungs- und Verfügungsverbot (Art. 3 Abs. 1 Buchst. a, b RL 2024/1226), die Ermöglichung der Einreise oder Durchreise gelisteter Personen (Buchst. c), der Abschluss oder die Fortführung verbotener Transaktionen (Buchst. d), die Erbringung verbotener Finanzdienstleistungen oder anderer verbotener Dienstleistungen (Buchst. g) und der Handel mit gelisteten Waren sowie die Erbringung von Vermittlungsdiensten, technischer Hilfe oder sonstiger Dienstleistungen im Zusammenhang mit diesen Waren (Buchst. e).

Hervorzuheben ist, dass Verstöße gegen güterbezogene Sanktionen gemäß Art. 3 Abs. 1 Buchst. e, Abs. 3 RL 2024/1226 auch dann als Straftat zu verfolgen sind, wenn sie lediglich grob fahrlässig bzw. in der Terminologie des Strafrechts leichtfertig begangen werden, sofern sie sich auf Rüstungsgüter oder Dual-Use-Güter beziehen.

Darüber hinaus sind von den Mitgliedstaaten zukünftig auch bestimmte Sanktionsumgehungen im Zusammenhang mit Einfriergebot – beispielsweise durch die Verschleierung, dass bestimmte Gelder dem Einfriergebot unterliegen, oder unterlassene Meldungen eingefrorener Gelder – als Straftat zu verfolgen (Art. 3 Abs. 1 Buchst. h RL 2024/1226).

Anstiftung, Beihilfe und Versuch zur Begehung eines strafbaren Sanktionsverstoßes müssen die Mitgliedstaaten nach Art. 4 RL 2024/1126 ebenfalls als Straftat ahnden.

Vorgaben zur strafrechtlichen Ahndung

Die Richtlinie enthält zudem Vorgaben für die strafrechtliche Ahndung. Strafbare Sanktionsverstöße müssen von den Mitgliedstaaten gemäß Art. 5, 7 RL 2024/1126 mit wirksamen, verhältnismäßigen und abschreckenden Sanktionen geahndet werden.

Je nach Straftat soll für Sanktionsverstöße natürlicher Personen eine Freiheitsstrafe von im Höchstmaß nicht unter einem, drei bzw. fünf Jahren verhängt werden können, wenn die Straftaten Gelder oder wirtschaftliche Ressourcen im Wert von mindestens 100.000 EUR betreffen. Der Schwellenwert kann auch durch eine Reihe von miteinander verbundenen Straftaten der gleichen Art erreicht werden.

Wenn sich die Tat auf Rüstungs- oder Dual-Use-Güter bezieht, liegt der Strafrahmen unabhängig vom Wert der betreffenden Güter bei einer Freiheitsstrafe von im Höchstmaß mindestens fünf Jahren.

Neben Freiheitsstrafen sollen auch flankierende strafrechtliche und nichtstrafrechtliche Maßnahmen verhängt werden können. Dazu zählen Geldstrafen, die Entziehung von Genehmigungen und Zulassungen, das Verbot der Bekleidung von Führungspositionen oder das zeitweilige Verbot der Kandidatur für öffentliche Ämter. Insoweit ist bemerkenswert, dass bei vorhandenem öffentlichem Interesse in hinreichend begründeten Ausnahmefällen auch gerichtliche Entscheidungen zu einer Straftat einschließlich der darin enthaltenen personenbezogenen Daten verurteilter Personen veröffentlicht werden können sollen.

Gegen juristische Personen, die für einen strafbaren Sanktionsverstoß verantwortlich gemacht werden können, müssen ebenfalls wirksame, verhältnismäßige und abschreckende strafrechtliche oder nichtstrafrechtliche Sanktionen bzw. Maßnahmen verhängt werden können. Hierzu gehören vornehmlich Geldstrafen bzw. Geldbußen. Mit Blick auf deren Höhe sieht die Richtlinie vor, dass diese in der Regel einen Betrag von entweder 5 % des weltweiten Gesamtumsatzes oder 40 Mio EUR nicht unterschreiten dürfen.

Darüber hinaus nennt Art. 7 Abs. 1 RL 2024/1126 beispielhaft weitere Maßnahmen, die gegen juristische Personen verhängt werden können, etwa den Ausschluss von öffentlichen Zuwendungen, ein Berufsverbot, eine gerichtliche Aufsicht sowie die Schließung von Einrichtungen oder eine gerichtlich angeordnete Auflösung.

Die Verantwortlichkeit juristischer Personen für Sanktionsverstöße ist an Handlungen von Personen in Führungspositionen geknüpft (Art. 6 Abs. 1 RL 2024/1126). Voraussetzung ist, dass eine Straftat zu Gunsten einer juristischen Person begangen wurde, und zwar von einer Person, die in der juristischen Person eine Führungsposition innehat. Zudem muss hinsichtlich der der juristischen Person eine Vertretungsbefugnis und eine Befugnis zur Entscheidung in deren Namen oder einer Kontrollbefugnis bestanden haben.

Für eine Straftat einfacher Mitarbeitender können Unternehmen ebenfalls verantwortlich gemacht werden, wenn diese durch eine mangelnde Aufsicht oder Kontrolle durch eine Person in Führungsposition ermöglicht wurde.

Zur Umsetzung in Deutschland

§ 18 Außenwirtschaftsgesetz („AWG“) stellt zwar bereits zahlreiche Sanktionsverstöße unter Strafe. Für den deutschen Gesetzgeber besteht dennoch Handlungsbedarf.

Insbesondere sind leichtfertige Verstöße gegen güterbezogene Sanktionen künftig strafrechtlich zu verfolgen, sofern diese sich auf Rüstungs- oder Dual-Use-Güter beziehen. § 19 Abs. 1 AWG sieht darin bislang lediglich eine Ordnungswidrigkeit.

Darüber hinaus werden auch Sanktionsumgehungen nun teilweise wieder mit den Mitteln des Strafrechts verfolgt. Eine solche Strafbarkeit war früher bereits in der Vorschrift des § 34 Abs. 4 Nr. 2 AWG aF vorgesehen, deren Vereinbarkeit mit dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot vom Bundesgerichtshof allerdings angezweifelt wurde. Mit dem Außenwirtschaftsrechtsmodernisierungsgesetz im Jahr 2013 hat der Gesetzgeber die Strafbarkeit der Sanktionsumgehungen schließlich abgeschafft. Nun lebt die Strafbarkeit der Sanktionsumgehung mit Blick auf das Einfriergebot wieder auf.

Schließlich muss auch die Höhe der Bußgelder angepasst werden, die nach dem Ordnungswidrigkeitengesetz („OWiG“) gegen ein Unternehmen verhängt werden können. Derzeit liegt der Höchstwert hier gemäß § 30 Abs. 2 Nr. 1 OWiG noch bei 10 Mio. EUR. Der Gesetzgeber steht bei dessen Anpassung vor der Wahl, ob er die Berechnung des Bußgelds entweder vom weltweiten Gesamtumsatz abhängig macht oder eine pauschale Mindeststumme von 40 Mio. EUR festsetzt.

Ausblick

Der deutsche Gesetzgeber muss die Richtlinie bis zum 20. Mai 2025 umsetzen. Um einige Vorgaben wird dabei sicherlich noch gerungen werden.

Bei der derzeit in Arbeit befindlichen AWG-Novelle ist – wegen des sanktionsrechtlichen Kontexts – ausnahmsweise das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz („BMWK“) federführend. Nach allem, was man hört, beabsichtigt das BMWK keine Umsetzung, die über die Mindestvorgaben der Richtlinie hinausgeht.

Mit einem Anstieg strafrechtlicher Verfolgungsmaßnahmen ist dennoch zu rechnen. Die Bedeutung der sanktionsrechtlichen Compliance wird damit weiter zunehmen.